Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas Suchanek
als ihnen ein Fahrer in schwarzer Uniform mit einer Schirmmütze auf dem Kopf die Tür aufhielt.
Danielle stieg als Letzte ein. »Bringen Sie uns zu Doktor Silverman, George.«
Sanft wurde die Tür geschlossen.
Die Limousine setzte sich in Bewegung.
*
Vom Moment seines Sturzes an verwandelte sich der Tag für Randy in eine Abfolge aus Schmerz, Gesichtern, die sich besorgt über ihn beugten, und Getuschel, das gerade noch im Bereich des Hörbaren lag.
Der letzte klare Gedanke war der Fall aus dem Fenster und die Visage von Pratt Thompkins, die aus seinem Gesichtsfeld verschwand, während er fiel. Dann war da Olivia, die ihn abtastete, Mason, der ihm vom Autodach half.
Eine schwarze Limousine kam herbeigerollt.
An diesem Punkt fragte sich Randy, ob er all das nur träumte. War er tatsächlich aus dem Fenster eines alten Herrenhauses gefallen, direkt auf das Auto von Olivia, einem Mädchen, das er erst vor wenigen Stunden kennengelernt hatte?
Die Sitzkissen in der Limousine fühlten sich auf jeden Fall echt an und weich. Er lehnte sich zurück. Olivia begann damit, ihm Glassplitter aus dem Haar zu zupfen.
Das beständige monotone Geräusch der Fahrt ließ ihn wegdösen. Zwar sagte Olivia irgendetwas davon, dass er nicht einschlafen durfte, doch das war ihm herzlich egal.
Als er die Augen wieder öffnete, lag er auf einer Behandlungspritsche. Ein älterer Mann mit grau meliertem Haar schaute zu ihm herab und hielt ein kleines Lämpchen vor seine Augen; bewegte es hin und her.
Mason stand mit den beiden Mädchen daneben. Besorgt starrten sie zu ihm hinab, als wäre er dem Tod geweiht.
»Er hat einen Schock«, sagte der Mann. Erst jetzt bemerkte Randy, dass der einen weißen Kittel trug. »Glücklicherweise keine Gehirnerschütterung.« Eine Schwester trat ein und reichte ihm zwei Röntgenbilder und eine MRT-Aufnahme. Randy erkannte beide Dokumente, hatte in wissenschaftlichen Zeitungen sogar schon einmal nachgelesen, wie die jeweiligen Geräte funktionierten. »Keine inneren Verletzungen oder Brüche«, sagte der Arzt, nachdem er die Unterlagen genauestens studiert hatte. »Ich verarzte die Schnitte und gebe ihm ein Beruhigungsmittel. Morgen ist er wieder auf den Beinen.«
»Danke, Doktor Silverman«, sagte Danielle erleichtert.
»Dank mir nicht, kleine Lady. Was auch immer hier vorgefallen ist, deine Eltern werden spätestens dann davon erfahren, wenn ich ihnen die Rechnung präsentiere«, erwiderte der Arzt. »Und wie ich deinen Vater kenne, ist er darüber nicht erbaut.« Fast wirkte der Mann schuldbewusst, als er auf Danielles Dad zu sprechen kam. »Sag es ihm besser selbst.«
»Klar.«
»Können wir ihn dann mitnehmen?«, fragte Mason hoffnungsvoll.
»Du bist der Collister-Junge, nicht wahr?« Das eben noch freundliche Gesicht von Doktor Silverman verschloss sich. »Nur damit wir uns verstehen: Wenn du Danielle in irgendeines deiner Drogengeschäfte mit hineinziehst, werde ich andere Seiten aufziehen. Gerade du mit deiner Kondition solltest die Finger von so etwas lassen.«
Rote Flecken bildeten sich auf Masons Gesicht. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er wütend wurde.
»Er hat nicht mit Drogen gedealt«, warf Danielle schnell ein. »Mal ehrlich Doc, er war Sportler.«
»Gerade die sind für so etwas anfällig. Aber das ist sowieso nicht meine Sache.« Er warf einen Blick in eine altmodische Papierakte. Randy war beruhigt. Er hatte kein Interesse daran, dass seine Krankenakte digital gespeichert wurde und durch irgendeine Sicherheitslücke früher oder später in den falschen Händen landete. »Da, unser Mister Steinbeck hier … ist das ein deutscher Name?«
Randy nickte. »Mein Vater war Deutscher«, sagte er mit kratziger Stimme. »Meine Mum kommt aus New York. Aber sie sind beide bei einem Unfall gestorben, als ich noch klein war. Seitdem lebe ich bei meiner Tante hier in Barrington Cove.«
»Ich verstehe.« Silverman räusperte sich. »Also, junger Mann. Ich entlasse dich in die Obhut deiner Freunde. Allerdings bist du noch minderjährig, daher werde ich deine Tante ebenso informieren wie die Eltern von Danielle.« Sein Blick wanderte zu Olivia. »Ich nehme an, dass ich mir das bei dir sparen kann. So etwas wie hier gehört bei euch vermutlich zur Tagesordnung.«
Olivia schien von der plötzlichen Feindseligkeit nicht überrascht. Sie wandte sich einfach ab und ging. Im Vorbeigehen griff sie Mason am Arm und zog ihn mit sich.
Danielle wollte etwas erwidern, schrumpfte jedoch unter dem durchdringenden Blick des Arztes zusammen. Sie kam zur Behandlungsliege, half Randy auf. Gemeinsam gingen sie zur Rezeption, wo eine Arzthelferin ihm eine einzelne verblisterte Tablette in die Hand drückte.
Wieder stiegen sie in die Limousine.
»Wohin?«, fragte der Fahrer.
»Wir bringen dich heim, okay?«, fragte Danielle. Sie warf einen kurzen Blick zu Olivia, als wolle sie etwas sagen, schaute dann aber schnell zu Boden.
»Klar. Meine Tante ist bis morgen Mittag auf einer Fortbildung, da wird dieser Idiot von Arzt sie sowieso nicht erreichen.«
»Alter, du pennst heute Nacht sicher nicht alleine!«, sagte Mason nachdrücklich. »Am Ende passiert dir noch was, weil dieser alte Sack was übersehen hat. Bringst du uns einfach zu mir, Danielle? Pinewood Oaks, Carrington Street 2b.«
Der Fahrer nickte und ließ die Zwischenscheibe nach oben gleiten.
»Tut mir leid, Olivia«, sagte Danielle, nachdem einige Sekunden lang peinliches Schweigen geherrscht hatte. »Doktor Silverman hat ein paar ziemlich … klare Vorstellungen von arm und reich.«
»Das ist nichts Neues für mich.«
Mit einem Mal fühlte Randy die Kluft förmlich, die sich zwischen ihnen auftat. Da war die arme Olivia, die sich seit ihrer Kindheit in den Favelas durchschlagen musste. Ständig wurde sie mit Stirnrunzeln und Naserümpfen konfrontiert, wenn sie in den besseren Vierteln unterwegs war. Er selbst hatte auch lange Zeit so gedacht.
Mason hatten bisher alle immer für das arme Opfer gehalten, gleichzeitig wurde ständig über seine Epilepsie getuschelt. Nach dem Debakel an der Schule kam jetzt noch die Drogensache hinzu. Lange würde der Freund das nicht mehr aushalten.
Danielle wiederum entstammte genau der Welt, in der die Leute auf Menschen wie Olivia und Mason herabschauten. Geld spielte keine Rolle, man fuhr mit Limousinen umher und hatte einen Arzt auf Abruf bereit, der ohne Fragen behandelte. Die Arztrechnung war natürlich auch kein Problem. Bei dem Gedanken wurde Randy ganz anders. Seine Tante nagte nicht am finanziellen Hungertuch, doch sie war kaum reich. Die Arztrechnung würde ein ordentliches Loch in die Haushaltskasse reißen.
Und wo in dem Ganzen bin ich?
Er war nicht schwarz, nicht weiß, sondern irgendwo im Einheitsgrau der Mitte. Der unsichtbare Nerd. Das Waisenkind aus dem Ausland. Der Nicht-Reiche, Nicht-Arme.
Ist das gut oder schlecht?
»Wir sind da«, erklang die Stimme des Fahrers aus dem Lautsprecher.
Mason stieg aus und half auch Randy. »Wir bringen dich nach oben und dann nimmst du diese Tablette.« Er starrte angestrengt auf den Blister. »Zolpidem, ob das was taugt?«
»Wird schon passen«, sagte Randy. Alles was er wollte, war seine Ruhe. Der Schlaf würde ihm gut tun, auch wenn er nicht daran glaubte, dass so ein kleines Tablettchen ihn umhauen würde.
Er drückte die Tablette aus dem Blister und schluckte sie herunter.
»Ich bringe Olivia zurück zu ihrem Wagen«, rief Danielle ihnen hinterher. Sie waren schon einige Schritte auf das Haus zugegangen, als sie noch hinzufügte: »Übrigens hat Thompkins immer wieder gesagt, dass er eigentlich dich wollte.«
Mason blieb