Eine Studie in Scharlachrot. Arthur Conan Doyle
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Table of Contents
2. Die Wissenschaft der Deduktion
3. Das Rätsel von Lauriston Gardens
4. Was John Rance mitzuteilen hatte
5. Unsere Annonce führt uns einen Besucher zu
6. Tobias Gregson zeigt, was er kann
8. Auf der großen Alkali-Ebene
10. John Ferrier spricht mit dem Propheten
11. Eine Flucht ums nackte Leben
13. Fortgang der Erinnerungen von John Watson M.D.
Arthur Conan Doyle
Eine Studie in Scharlachrot
Impressum
Covergestaltung: Steve Lippold
Digitalisierung: Gunter Pirntke
ISBN: 9783955012298
2014 andersseitig
andersseitig Verlag
Dresden
www.andersseitig.de
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Teil I
Aus den Erinnerungen von John H. Watson M.D., ehemals Mitglied des Medizinischen Dienstes der Armee
1. Mr. Sherlock Holmes
Im Jahre 1878 erwarb ich den Grad eines Doktors der Medizin an der Universität London und begab mich nach Netley, um an dem Lehrgang teilzunehmen, der für Ärzte der Armee vorgeschrieben ist. Nachdem ich dort meine Studien abgeschlossen hatte, wurde ich den Fünften Northumberland-Füsilieren als Assistenzarzt attachiert. Das Regiment war zu dieser Zeit in Indien stationiert, und bevor ich zu ihm stoßen konnte, brach der Zweite Afghanistan-Krieg1 aus. Bei der Landung in Bombay erfuhr ich, daß mein Korps durch die Pässe vorgerückt war und sich bereits tief in Feindesland befand. Trotz allem folgte ich, zusammen mit vielen anderen Offizieren, die sich in der gleichen Lage befanden wie ich, und es gelang mir, sicher nach Kandahar zu kommen, wo ich mein Regiment vorfand und sogleich meine neuen Pflichten übernahm.
Vielen brachte der Feldzug Auszeichnungen und Beförderung, für mich barg er jedoch nichts als Mißgeschick und Unheil. Ich wurde von meiner Brigade zu einer Berkshire-Einheit versetzt, mit der ich an der verhängnisvollen Schlacht von Maiwand2 teilnahm. Dort wurde meine Schulter von einer Jezail3-Kugel getroffen, die den Knochen zerschmetterte und die Schlüssselbein-Arterie Versehrte. Ohne die Treue und den Mut meines Burschen, Murray, wäre ich in die Hände der mörderischen Ghazis4 gefallen; er warf mich auf ein Packpferd und brachte mich heil zu den britischen Stellungen.
Erschöpft von Schmerzen und geschwächt durch die langwierige Mühsal, die hinter mir lag, wurde ich mit einem großen Zug verwundeter Leidensgenossen zum Basis-Hospital nach Peshawar gebracht. Dort genas ich, und mein Zustand hatte sich bereits so weit gebessert, daß ich durch die Fluchten des Spitals wandern und mich sogar ein wenig auf der Veranda wärmen konnte, als der Typhus, jener Fluch unserer indischen Besitzungen, mich niederstreckte. Lange Monate hing mein Leben an einem Fädchen, und als ich endlich zu mir kam und zu genesen begann, war ich so schwach und ausgezehrt, daß ein Ärzteausschuß befand, kein Tag sei zu verlieren, und ich solle nach England zurückgeschickt werden. Also wurde ich an Bord des Truppentransporters Orontes gebracht und landete einen Monat später in Portsmouth, mit unwiederbringlich ruinierter Gesundheit, aber auch mit der Erlaubnis einer fürsorglichen Regierung, die nächsten neun Monate mit der Pflege meines Befindens verbringen zu dürfen.
Ich hatte in England weder Freunde noch Verwandte und war daher frei wie der Wind – oder jedenfalls so frei, wie ein tägliches Einkommen von elfeinhalb Shilling5 es einem Mann zu sein gestattet. Unter diesen Umständen zog es mich natürlich nach London, der großen Senkgrube, wo alle Faulenzer und Müßiggänger des Empires unweigerlich abgelagert werden. Ich blieb dort einige Zeit in einer Pension in The Strand und führte ein trost- und sinnloses Leben, wobei ich das wenige Geld, über das ich verfügte, weitaus freizügiger denn angemessen ausgab. So besorgniserregend wurde schließlich der Zustand meiner Finanzen, daß mir bald klar wurde, daß ich entweder die Metropole verlassen und, gleichsam relegiert, irgendwo auf dem Lande vor mich hin verbauern oder aber meinen Lebensstil von Grund auf ändern mußte. Ich entschied mich für die letztere Möglichkeit; ich beschloß, zuallererst die Pension zu verlassen und Quartier in einem weniger großspurigen und weniger teuren Domizil zu suchen.
Am nämlichen Tag, da ich zu diesem Entschluß gediehen war, stand ich gerade an der Bar des Criterion, als mir jemand auf die Schulter klopfte, und als ich mich umwandte, erkannte ich den jungen Stamford, der im St. Bartholomew's Hospital unter mir als Assistenzarzt gearbeitet hatte. Der Anblick eines freundlichen Antlitzes in Londons großer Wüstenei ist für einen einsamen Mann wahrhaft angenehm. Vormals war Stamford nicht gerade mein Busenfreund gewesen, aber nun begrüßte ich ihn begeistert, und er seinerseits schien froh, mich zu sehen. In meiner überschäumenden Freude lud ich ihn ein, mit mir im Holborn zu essen, und wir brachen zusammen in einer Droschke auf.
»Was haben Sie denn nur angestellt, Watson?« fragte er, ohne sein Erstaunen zu verhehlen, während wir durch Londons von Menschen wimmelnde Straßen ratterten. »Sie sind so dünn wie ein Ladestock und braun wie eine Nuß.«
Ich gab ihm einen kurzen Überblick über meine Abenteuer und war damit kaum fertig, als wir unser Ziel erreichten.
»Armer Teufel!« sagte er mitleidig, nachdem er sich meine Mißgeschicke angehört hatte. »Was wollen Sie jetzt machen?«
»Eine Unterkunft suchen«, antwortete ich. »Ich versuche, die Frage zu klären, ob es möglich ist, gemütliche Räume zu einem vernünftigen Preis zu bekommen.«
»Das ist merkwürdig«, sagte mein Begleiter. »Sie sind heute schon der zweite, den ich das sagen höre.«
»Und wer war der erste?« fragte ich.
»Einer, der im chemischen Laboratorium im Hospital arbeitet. Er hat sich heute morgen beklagt, weil er keinen finden