Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg
um auf eigenen Füßen zu stehen.«
»Na und, was ist daran schlimm?«, fragte Katrin. »Inzwischen studiere ich, und Vati wird dich bestimmt nicht fallen lassen. Du kannst dich auf ihn verlassen.«
»Das will ich aber nicht.«
»Sei doch nicht dumm. Er wirft dir schon nichts nach, im Gegenteil, er wird dafür allerhand verlangen. Du musst dir dein Geld verdienen. In vier bis fünf Jahren bin ich fertig und …«
»Und ich bin dann sechsunddreißig«, warf er ein. »Und du hast wahrscheinlich bis dahin einen jungen Mann kennengelernt, der dir mehr bedeutet.«
»Wenn du so denkst, brauchen wir gar nicht weiterzureden«, sagte sie. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich liebe.«
»Weiß man das, wenn man erst achtzehn ist?«
»Ich weiß es. Ob andere es wissen, interessiert mich nicht. Und mich interessiert auch nicht, was du verdienst. Mich würdest du aber sehr enttäuschen, wenn du um des Geldes willen Zugeständnisse machen würdest, die charakterlos sind.«
»Ich mache keine Zugeständnisse«, sagte Jonas ruhig. »Es wird nur alles leichter für mich, wenn ich weiß, dass du zu mir hältst.«
»Ich bin stur«, meinte Katrin mit einem kleinen Lächeln. »Wenn du mich nicht heiratest, werde ich eine alte Jungfer. Aber eines sage ich dir, Jonas. Ich würde dich niemals heiraten, wenn ich vorher ein Kind bekäme. Das sieht immer nach Erpressung aus.«
»Nicht immer, wenn man sich liebt«, sagte er leise.
»Wenn man sich liebt, kann man auch warten. In dieser Beziehung bin ich altmodisch. Und wenn man sich liebt, braucht man auch nicht gleich alles zu haben – das meine ich jetzt in Bezug auf das Materielle. Raum ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar.«
Sie verstand es, ihn aufzumuntern. Sie war umwerfend in ihrer Frische.
»Und wie stünde ich denn vor deinem Vater da?«, fragte er.
»Ach, Vati ist souverän. Und er weiß auch, was er von mir zu halten hat. Er ist einmal in eine Falle getappt, da war er noch sehr jung. Mama hatte sich alles so schön ausgerechnet. Er würde die Klinik erben und etwas darstellen. Sie hat nicht damit gerechnet, dass Vati sehr würde kämpfen und arbeiten müssen, um die Klinik zu halten. Mama wollte alles auf einmal, und sie hat Vati überhaupt nicht verstanden. Sie war nur attraktiv, wenn du begreifst, was ich damit sagen will. Und Bettina war wohl auch ziemlich attraktiv und hat sich so Conny Hammilton geangelt. Einen Testpiloten würde ich nicht heiraten.«
»Und wenn ich nun einer wäre?«, fragte Jonas.
Sie sah ihn an. »Kluge Frage, Jonas. Ja, vielleicht würde ich in diesem Fall eine Ausnahme machen. Er scheint ja auch ein recht netter Mensch zu sein. Über Bettina kann ich mir kein Urteil erlauben. Ich weiß, dass Vati sich viel mit ihr beschäftigt, mit ihrem Fall, meine ich. Er wälzt dicke Bücher über ZNS und MS, aber viel wird dabei nicht herauskommen. Über diese Krankheiten haben sich schon andere die Köpfe zerbrochen, die sich viele Jahre damit beschäftigt haben. Es ist schrecklich für die Betroffenen, aber da kann man nur den Tatsachen ins Auge blicken und darf nicht erwarten, dass Gesunde sich opfern.«
»Was würdest du sagen, wenn du an meiner Stelle wärest?«
»Ich weiß es nicht, Jonas, aber wenn sie von dir verlangen, dass du dich opferst, müsste ich sie verachten. Es tut mir leid.«
»Es braucht dir nicht leidtun, Katrin. Ich bin sehr froh, dass ich den Mut hatte, mit dir über alles zu sprechen.«
»Wenn man sich liebt, sollte das doch ganz einfach sein«, erklärte das Mädchen. »Aber Liebe ist wohl doch nicht einfach. Man muss sie immer ernst nehmen. es bedeutet ja nicht nur, zusammen zu sein und sich zu küssen. Es bedeutet sehr viel mehr.« Sie legte ihre Hände um sein Gesicht. »Es bedeutet alles«, flüsterte sie.
*
So hatte Bettina nicht gedacht, als sie ihrer Mutter sagte, dass sie Conny heiraten wolle. Sie gönnte ihn keiner anderen. Sie wusste, dass die Frauen hinter ihm her waren.
»Er bindet sich nicht«, hatte einmal ein Kollege von ihm gesagt. »So dumm ist er nicht.« Und Bettina hatte es gehört. Das hatte sie aufgestachelt. Und noch mehr die Worte, die auf diese Bemerkung folgten. »Das muss schon eine ganz besondere Frau sein, die Conny mal zum Standesamt bringt.«
Sie hatte es geschafft, sie konnte diesen Triumph für sich verbuchen.
»Du könntest eine andere Partie machen«, hatte ihre Mutter gesagt. »Warum muss es ein Pilot sein?«
Aber jeder Widerstand hatte Bettina schon immer gereizt. Ihren Willen wollte sie durchsetzen, sonst nichts. Ihren Willen hatte sie auch durchgesetzt, als ihre Mutter zögerte, sich nochmals zu verheiraten. Sie hatte ja immer Rücksicht auf ihre Tochter genommen, wissend, zu welchen Ausbrüchen Bettina neigte.
Charlotte war an dem Abend, an dem die Aussprache mit Jonas Bernulf junior stattfinden sollte, sehr müde und abgespannt. Früher hatte sie solche Schwächen nicht gekannt, erst seit einiger Zeit litt sie unter ständiger Müdigkeit.
»Ich würde mich gern niederlegen, Jonas«, sagte sie zu ihrem Mann. »Du kannst doch allein mit deinem Sohn sprechen.«
»Ich möchte, dass du dabei bist, Charlotte«, sagte er. »Es geht schließlich um deine Tochter.«
»Warum betonst du das immer so?«, fragte sie ungehalten.
»Tue ich das? Du sprichst doch auch nur von ›meinem‹ Sohn.«
»Warum bist du so gereizt?«, fragte sie.
»Weil mir deine Pläne nicht gefallen. Ich finde sie unfair.«
»Inwiefern?«, fragte sie herablassend.
»Gegen Constantin und auch gegen Jonas.«
»Aber Jonas liebt Bettina. Er kümmert sich um sie. Constantin hingegen tut das nicht. Er möchte sich am liebsten davonstehlen. Er hat für das Kind nichts übrig«, sagte Charlotte klagend.
Da läutete es, Jonas kam. Charlotte musste jetzt bleiben. Sie begrüßte ihn dann so überschwänglich freundlich, dass Jonas Bernulf, der Ältere, erstarrte.
Der Jüngere wunderte sich ebenfalls. »Da bin ich also«, sagte er rau.
»Ich bin so froh, dass du kommst, Jonny«, sagte Charlotte, doch diese Verniedlichung ihres Namens mochten weder Vater noch Sohn, und zu dieser Stunde waren beide fast peinlich berührt, denn Conny und Jonny war ihnen zu ähnlich. Aber Charlotte wurde sich dessen nicht bewusst. »Mit dir kann ich reden, du verstehst mich, weil du meine Bettina verstehst«, fuhr sie exaltiert fort.
»Ich verstehe, dass du deine Tochter liebst«, erwiderte Jonas ruhig, und dabei blickte er seinen Vater an, dessen Gesicht sich verdüstert hatte.
»Du liebst sie doch auch«, sagte Charlotte. »Bettina hat es mir vorhin gesagt. Oh, warum musste sie diese Ehe eingehen, die alles so erschwert?«
In Jonas’ Gesicht arbeitete es. Sein Vater hatte sich abgewandt und ging zur Tür. »Was möchtest du trinken, Jon?«, fragte er.
»Einen Whisky, Vater, einen doppelten, wenn ihr nichts dagegen habt.«
Es kam nur selten vor, dass er Whisky trank, aber ihn fror es innerlich, obwohl es im Haus sehr warm war.
»Ich trinke meinen Piccolo«, sagte Charlotte.
»Ja, ich weiß«, sagte der ältere Jonas rau. »Morgens, mittags, abends.«
Mein Gott, dachte Jonas, der Jüngere, wie soll das alles nur enden? Zwischen den beiden stimmt es doch auch nicht mehr.
Sie saßen in den niedrigen Sesseln um den Glastisch, den Charlotte liebte und den beide Männer nicht leiden mochten.
»Ich möchte auch etwas erklären, damit nicht noch mehr Missverständnisse aufkommen«, begann Jonas, nachdem er einen langen Schluck heruntergespült hatte. »Ich hatte nie die Absicht,