BAT Boy. C. A. Raaven

BAT Boy - C. A. Raaven


Скачать книгу
neben seinem Fenster stand, ein Konzert zu geben. Oder lag es an seinen Ohren? Immerhin hatte ihm ja auch das Geschrei im Stadion sehr zu schaffen gemacht. Lucas zuckte hilflos mit den Schultern, bevor er sich wieder hinlegte. Aber es war zum Schlafen viel zu hell im Zimmer. Das hatte ihn doch sonst nie gestört. Hatte er es neuerdings nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit den Augen? Mit einem weiteren Schulterzucken ließ er die Jalousie herunter, legte sich in seinem nun stockfinsteren Zimmer zufrieden aufs Bett und versank schnell in tiefen Schlaf.

      Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als er durch ein heftiges Hämmern an seiner Tür geweckt wurde. Herein kam Betty, die fast sofort gegen etwas stieß und mit einem leisen Fluch stehen blieb.

      »Junge«, rief sie. »Hier ist es ja total dunkel. Wie hast du denn ohne Licht in dein Bett gefunden?«

      »Weiß nich«, murmelte Lucas. »Hab einfach einen Fuß vor den anderen gesetzt. Warum weckst du mich den jetzt überhaupt schon? Und warum hast du fast die Tür eingeschlagen?«

      »Ich hab doch bloß leise geklopft. Und wieso schon? Du hast immerhin drei Stunden geschlafen. Es ist jetzt Kaffeezeit, und Onkel Bert kommt gleich.«

      Das weckte ihn komplett. Onkel Bert, das bedeutete, dass auch Tante Susi und – viel schlimmer noch – Kevin bald da sein würden. Bert war nicht wirklich sein Onkel. Er war ein alter Schulkamerad seines Vaters, der aber in all seiner Liebenswürdigkeit ein derart einnehmendes Wesen hatte, dass man ihm einfach nichts abschlagen konnte. Aus diesem Grund war es auch zur Gewohnheit geworden, dass er zusammen mit seiner Frau Susann und seinem inzwischen 15-jährigen Sohn Kevin zu jeder Familienfeier kam, und zwar egal ob nun wirklich gefeiert wurde oder nicht. Sie waren alles in allem ziemlich anstrengend. Aber da sie auch immer dann zur Stelle waren, wenn Not am Mann war, wurde meist darüber hinweg gesehen, dass sie sich selbst eingeladen hatten.

      Nur heute hätte Lucas wirklich auf sie verzichten können. Er konnte sich schon ungefähr vorstellen, was ihm Kevin, der sich genauso gern reden hörte wie Thomas Gottschalk, heute für Weisheiten zum Besten geben würde. Kevin hatte nämlich ein zu seiner gewinnenden Art passendes ansprechendes Äußeres, was ihn zu einem Mädchenschwarm machte. Er wurde auch nicht müde, seine manchmal etwas minderbemittelten Mitmenschen an seinem Know-how teilhaben zu lassen.

      Und da klingelte es auch schon an der Tür. Lucas seufzte und machte sich zusammen mit seiner Mutter auf den Weg nach unten, um seine Gäste zu begrüßen. Sie kamen gerade unten an, als Bert wie ein riesiger Tanzbär durch den Eingang gewankt kam und lauthals nach seinem Geburtstagskind rief.

      Lucas sagte: »Hallo Onkel Bert.«

      Daraufhin wurde er in einer seiner Bärenumarmungen gefangen. Als das beendet war, hörte Lucas schon die spitze Stimme von Susann, die ihn »ihren Süßen« nannte. Bei ihrem Ausruf zuckte Lucas unwillkürlich zusammen, denn die Worte trafen ihn wie Messerstiche – die Kopfschmerzen hatten wieder angefangen. Susann stockte kurz – wahrscheinlich hatte sie sein Zucken mitbekommen – kam dann jedoch schnell zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, wobei sie die Beule bemerkte. Nach einer kurzen Aufmunterung ließ sie ihn mit Kevin allein und murmelte dabei verschwörerisch grinsend etwas von »Jungsangelegenheiten«.

      »Hallo Alter, Leben noch frisch?«, begrüßte ihn Kevin.

      »Kann nicht besser klagen«, antwortete Lucas.

      »Du siehst echt übel aus mit dem Ding da.«

      »Ja, ich weiß, das habe ich heute schon von mehreren Leuten gehört.«

      »Waren auch Mädels dabei? Da hättest du dich doch mal ordentlich trösten lassen können.«

      »Ja klar, aber das mit dem Trösten hat leider nicht geklappt, weil …«

      »Ich glaube, du machst da was falsch. Du musst einfach …«

      Und schon war Kevin voll in seinem Element. Er erklärte Lucas in allen Einzelheiten, wie man eine solche Situation ausnutzen sollte. Darüber verging die Zeit, bis der Kuchen auf dem Tisch stand. Sie setzten sich alle an den Terrassentisch. Nun wurden erneut die Kerzen auf Lucas‘ Geburtstagstorte entzündet, damit er sie ausblasen konnte. Er schaffte es auch mit einem Zug, aber als danach von allen Anwesenden auf Berts Drängen hin ein Geburtstagsständchen gesungen wurde, passierte es: Durch das Dröhnen von Berts Bass zur Linken und Susanns Falsett von rechts kamen die Kopfschmerzen mit einer solchen Wucht wieder, dass Lucas erneut schwarz vor Augen wurde. Aber diesmal verlor er dabei das Gleichgewicht und kippte nach hinten.

      Das Nächste, was er sah, waren die ängstlichen Gesichter der vier Erwachsenen, die sich über ihn beugten. Sie hatten ihn inzwischen auf die Couch im Wohnzimmer gebracht und ihm einen kalten Lappen auf die Stirn gelegt. Als er sich bewegte, glätteten sich die Sorgenfalten.

      »Sag mal Luky, was machst denn du für Sachen?«, fragte ihn Betty besorgt.

      »Wieso, was war denn?«, fragte Lucas noch etwas desorientiert zurück.

      »Du bist umgekippt, als wir dein Geburtstagsständchen gesungen haben«, sagte Paul, der neben Betty an der Couch hockte. »Du hast uns einen mächtigen Schrecken eingejagt.«

      »Hmmja, komisch. Weiß auch nicht so genau, wieso, aber plötzlich ist, mir schwindlig geworden«, murmelte Lucas nachdenklich.

      »Aber nu is ja wieder alles klar oder siehst du mich doppelt?«, dröhnte Onkel Bert von hinten. Lucas musste unwillkürlich über die unerschütterliche Leichtigkeit des Daseins, wie es in Berts Welt nun einmal der Fall war, grinsen – auch wenn er es bevorzugt hätte, dass dieser nicht so sehr brüllen würde. Oder waren es wieder nur seine eigenen Ohren, die es so wahrnahmen?

      Die Umstehenden nahmen sein Grinsen erleichtert als Zeichen seiner Besserung zur Kenntnis. Also gingen Lucas und Kevin erst einmal hoch in sein Zimmer, um sich die Zeit bis zum Abendessen zu vertreiben. Zuerst spielten sie ein wenig mit seiner Spielekonsole. Hierbei konnte Kevin es mal wieder nicht lassen, seine vorhandene – oder eingebildete – Kenntnis der verschiedenen Spiele in Form von mehr oder weniger hilfreichen Zwischenrufen während Lucas‘ Spielzügen kundzutun.

      Schließlich jedoch verlor Kevin die Lust am Spielen und fragte Lucas: »Was hast‘n eingefahren?«

      »Geschenke ... zum Geburtstag«, fügte er aufgrund des fragenden Ausdrucks auf Lucas‘ Gesicht hinzu.

      »Ach so«, sagte dieser. »Hier, das Teleskop«, ergänzte er – wohl wissend, dass dies den guten Kevin kaum von den Füßen reißen würde. Der stand eher auf die Art von Geschenken, die einen Knopf zum Einschalten hatten.

      »Oh, ah ja«, kam es auch prompt von Kevin zurück. »Nettes Ding. Is für deine Astrologie, oder?«

      »-nomie«, verbesserte ihn Lucas automatisch, obwohl er hätte wissen sollen, dass sich daraus vermutlich eine völlig sinnlose Diskussion ergeben würde. Er war es nur inzwischen so leid, von Leuten, die gar nicht wussten, worum es bei seinem Hobby ging, in die Schublade von Horoskopseiten gesteckt zu werden. Und so reagierte sein Mund, bevor sein Verstand ihn hätte abschalten können.

      »Hä?«, war dann auch logischerweise Kevins Antwort darauf.

      Lucas zögerte kurz, während er abwog, ob es die Sache überhaupt wert wäre, Kevin den Unterschied zwischen Astrologie und Astronomie zu erklären. Aber dann entschied er sich dazu, es doch zu tun, da Kevin es sicherlich nicht akzeptieren würde, wenn er einer Konfrontation aus dem Weg ging. Also stellte er kurz dar, worum es sich bei den beiden Themengebieten handelte.

      Kevin hörte sich Lucas‘ Worte mit einem jovialen Gesichtsausdruck an, den auch Eltern manchmal aufsetzen, wenn sie ihren Dreijährigen beim mühsamen Erzählen eines Witzes zuhören.

      »Na ja, wie auch immer«, gab er schließlich zur Antwort und fingerte am Teleskop herum. »Mit dem Ding kann man also ganz schön weit gucken. Is das nur für den Himmel oder kann man das auch für richtige Beobachtungen benutzen? Ich hab da vorhin beim Kommen so ne niedliche kleine Schnalle gesehen, die sich ein paar Häuser weiter auf dem Balkon gesonnt hat. Vielleicht möchte die uns ja mal was zeigen«, grinste er und suchte mit dem Teleskop die Umgebung ab.

      Eine


Скачать книгу