Männer, Frauen und .... mehrbuch

Männer, Frauen und ... - mehrbuch


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ihrer Phantasie, nein, es geschieht um eines Erlebens willen, das sie kennen und dessen Stachel sie noch tief in ihrem Fleische fühlen.

      *

      Man liebt eine Frau so sehr, daß man an Schlaf und Essen vergißt. Solange man sie nicht besessen hat, weiß man noch nichts von der Lust oder der Enttäuschung, die man mit ihr erleben wird.

       Man betet sie an; man macht hundert Tollheiten, um sie zu erobern; sie wird schwach, sie gibt sich hin. Nach der Umarmung wird sie einem gleichgültig; man hat sich getäuscht; man liebt sie nicht mehr.

      Nichts vermag einen im voraus zu belehren.

      Alle früheren Erfahrungen sind nutzlos. Jedesmal findet man sich wieder vor dem Unbekannten. Die Wissenschaft kann tausend Fortschritte machen, die Gelehrten werden hierin ebenso unwissend bleiben, wie sie es heute sind, denn in diesem Punkt, der das Um und Auf der Liebe bildet, entscheidet allein der Versuch.

      Dies ist der Grund, weshalb so viele Frauen zögern. Sie wissen, daß die Schwüre, die Versprechungen, die vorangehen, inhaltslose Worte sind, daß nichts ihnen Gewähr für das Morgen bietet, daß sie sich hingeben und – auf die Gefahr hin, zu enttäuschen – mit ihrem Körper zahlen müssen. Das Wagnis ist groß.

      Glücklicherweise sind die Frauen mutiger als wir.

      *

      Die Liebe ist ein Gefühl, das gebieterisch nach Handlung drängt. Die Naiven glauben, das Spiel wäre gewonnen, sobald es gelingt, die geliebte Frau zur Tat zu bestimmen. Schwerer Irrtum! Der wahre Kampf beginnt erst dann, und was voranging, war nur bedeutungsloses Geplänkel.

      Das Problem heißt, eure Geliebte im gleichen Augenblick glücklich zu machen, in dem ihr selbst das Glück erreicht. Dies ist außerordentlich schwierig, und wenige Männer verstehen sich auf diese höchste Kunst. Jene, die dieses Geheimnis kennen, sind von den Frauen geliebt. Die anderen, die von ihnen verachtet, verjagt oder betrogen werden, sind nichts weiter – unnötig, nach komplizierten Erklärungen zu suchen! – als Stümper im Schlafgemach.

      Die Erziehung, die der Mann in der Technik der Liebe erhält, ist schlecht. Ihr Beginn liegt meist in den Händen von Professionistinnen; ihr Beruf bringt es mit sich, daß die Männer Befriedigung finden, ohne nach dem Vergnügen ihrer Partnerinnen fragen zu müssen. Der Mann sieht bloß ein Werkzeug in ihnen, aus dem er persönliche Freuden zieht. Durch den Verkehr mit Dirnen wird sein Egoismus maßlos entwickelt. Üble Gewohnheiten sind die Folge.

      Er heiratet. Das Bild hat sich geändert. Man muß sich anders verhalten. Aber wie? Seine Unwissenheit ist groß. Und hat er überhaupt Zeit, zu überlegen? Er liebt, er verlangt nach der Frau, er ist ungeduldig, brutal, er nimmt sie! Welche zerstörten Träume für ein junges Mädchen, das erwartete, zarte Hände würden es durch die Tore des Paradieses geleiten!

      Der brutale Überfall in der Brautnacht ist eine erschöpfende Erklärung der großen Anzahl ungeliebter und deshalb betrogener Gatten.

      Meist sind die ersten Begegnungen der Gatten für die Frauen abscheulich und für die Männer peinlich. Die Bemühungen des Mannes, das verletzte Schamgefühl der Frau, ihre Unerfahrenheit, ihre Furcht nehmen der physischen Liebe jeden Reiz. Wenn man noch das Neuartige der Situation, die Schwierigkeit des Übereinstimmens von zwei Individuen bedenkt, das Fehlen gemeinsamer Gewohnheiten, dann wird man begreifen, daß der – offenbar nur aus Ironie so genannte – Honigmond zu den sehr wenig beglückenden Zeiten im Leben gehört.

      Die Frau ist um so enttäuschter, weil die Tradition ihr in Schrift und Wort diese ersten Wochen in den lebhaftesten Farben schildert. Im übrigen macht sie sich selbst sogleich auch zur Mitschuldigen dieser Lügen. Frauen, die in diesem Augenblick das Ärgste erlitten haben, hüten sich, dies einzugestehen. Sie schämen sich, als Einzige, wie sie meinen, eine Enttäuschung erlebt zu haben; darum schweigen sie, oder sie vermehren durch gefälschte Berichte die Illusionen, in denen ihre ahnungslosen Schwestern schwelgen.

      Warum sagt man nicht einfach die Wahrheit? Warum weist man nicht darauf hin, daß die körperliche Begegnung zwischen einem Mann, der unerfahren oder brutal ist, oder der beides ist, und einem unwissenden Mädchen selten Glücksgefühle erregen kann?

      Viele Frauen von wenig sinnlichem Naturell verbringen Nächte, vielleicht selbst Jahre, ohne anderes als Abscheu vor der physischen Liebe zu empfinden. Dieser Abscheu führt sie bald dazu, ihre Gatten zu verachten.

      Männer, die es nicht nur mit Professionistinnen zu tun hatten, sind für die Ehe besser vorgebildet. Sie genossen bei den Frauen, die sie liebten, wertvollen Unterricht. Doch es gibt Gatten, die es voll Vorurteil ablehnen, ihre Frau so zu behandeln, wie einst die Geliebte. Sie meinen »die Mutter ihrer Kinder« in ihr ehren zu müssen!

      *

      Und erst die Begegnung von zwei Wesen, die beide noch unberührt sind – kann man sich ausmalen, wie quälend und lächerlich sie verlaufen muß?

      *

      In der Liebe hat jeder seine eigenen Gedanken über das, was erlaubt ist, und das, was es nicht ist. Die Mehrzahl der verheirateten Männer kennt ihre Frauen nicht anders als im Hemd!

      Es gibt ganze Länder – Nordamerika, England – in denen eine anständige Frau sich entehrt fühlen würde, wenn der Mann ihr zumutete, nackt durch das Schlafzimmer zu gehen. Doch ein angelsächsischer Ehemann wird niemals einen solchen Einfall haben. Andere teilen die Dinge in natürliche ein, die erlaubt sind, und die übrigen, die verboten sind. Sie finden jene Stellung zulässig, weil sie natürlich sei, und verwerfen eine andere als widernatürlich. Solche Leute zeigen große Unwissenheit. Sie haben sich von der Natur ein recht blasses Bild gemacht. Würden sie einige naturgeschichtliche Bücher öffnen, dann wären sie entsetzt, sehen zu müssen, was die Natur alles in der physischen Liebe erfunden hat, und um wievieles sie die wüstesten Vorstellungen dieses armseligen mit Vernunft ausgestatteten Tieres, das der Mensch ist, übertrifft.

      Wer sich also nach der Natur richten will (und ich wüßte nicht, welches andere Vorbild wir uns nehmen sollten), dem ist alles erlaubt. Und jeder möge unbeeinflußt entscheiden, woran er Gefallen findet.

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      Nichts ist lächerlicher als die Einbildung, die wir lange Zeit nährten (die meisten Männer besitzen sie noch heute), daß wir über der Natur stünden.

      Wir reden uns ein, daß unsere Tugenden überirdischen Ursprungs seien, daß sie uns über diese Welt erheben, daß sie den Stempel unserer göttlichen Entstehung bilden. »Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild.«

      *

      Es gibt eine moralische Scham, die von Stendhal so vorzüglich beschrieben wurde, daß nichts mehr darüber zu sagen bleibt, und eine physische Scham, mit der wir uns befassen wollen.

      Die Empfindungen der physischen Scham, die uns erhalten blieben, beweisen, daß unsere Handlungen immer noch von Ursachen bestimmt werden, die vor mehr als zehntausend Jahren zu bestehen aufhörten. (Und es gibt Leute, die an Freiheit glauben!) Die Tiere verbergen sich, wenn sie sich paaren, weil sie dann ohne Verteidigungsmöglichkeiten sind. Der Grund ist einleuchtend. Auch unsere Vorfahren in prähistorischen Zeiten, als Menschen einander noch jagten, waren den Tieren gleich gezwungen, für ihre Liebesakte Verstecke aufzusuchen. Doch seit jenen fernen Zeiten spielt sich der Kampf um das Leben nicht mehr in der gleichen Weise ab. Jetzt werden die Schlachten an der Börse und in den Fabriken geschlagen. In unseren Häusern sind wir vollkommen sicher.

      Und doch verlangt ein Schamgefühl, das ein Erbteil jener entschwundenen Epochen ist, daß wir uns verbergen, wenn wir unsere Liebe betätigen.

      Die Welt der Antike war schon so weit, dieses Vorurteil zu überwinden. Das Christentum ließ es von neuem aufleben: es erklärte das Fleisch als seinen Feind. Die Hemmungen der christlichen Gedankenwelt haben wir abgeschüttelt, doch dieses Schamgefühl hat sich an uns geklammert und läßt uns nicht los.

      Das Nackte bleibt schamlos.

      Die Scham ist von allen Mißratenen und Verwachsenen geschickt ausgenützt worden. Sie erklären, daß es gegen das Schamgefühl verstoße, sich in seiner Nacktheit sehen zu lassen. Und


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