Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann

Die Elixiere des Teufels - E.T.A. Hoffmann


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meiner Rede erfüllt, die den höchsten Gipfel der Beredsamkeit erreichen sollte, daß ihr Wiedersehen nur einen geringen Eindruck auf mich machte. Es war in der Stadt verbreitet, daß ich statt des erkrankten Leonardus predigen würde, und dies hatte vielleicht noch einen größeren Teil des gebildeten Publikums herbeigezogen. Ohne das mindeste aufzuschreiben, nur in Gedanken die Rede in ihren Teilen ordnend, rechnete ich auf die hohe Begeisterung, die das feierliche Hochamt, das versammelte andächtige Volk, ja selbst die herrliche, hochgewölbte Kirche in mir erwecken würde, und hatte mich in der Tat nicht geirrt. – Wie ein Feuerstrom flössen meine Worte, die mit der Erinnerung an den heiligen Bernhard die sinnreichsten Bilder, die frömmsten Betrachtungen enthielten, dahin, und in allen auf mich gerichteten Blicken las ich Staunen und Bewunderung. Wie war ich darauf gespannt, was die Fürstin wohl sagen werde, wie erwartete ich den höchsten Ausbruch ihres innigsten Wohlgefallens, ja es war mir, als müsse sie den, der sie schon als Kind in Erstaunen gesetzt, jetzt die ihm inwohnende höhere Macht deutlicher ahnend, mit unwillkürlicher Ehrfurcht empfangen. Als ich sie sprechen wollte, ließ sie mir sagen, daß sie, plötzlich von einer Kränklichkeit überfallen, niemanden, auch mich nicht sprechen könne. – Dies war mir um so verdrießlicher, als nach meinem stolzen Wahn die Äbtissin in der höchsten Begeisterung das Bedürfnis hätte fühlen sollen, noch salbungsreiche Worte von mir zu vernehmen. Meine Mutter schien einen heimlichen Gram in sich zu tragen, nach dessen Ursache ich mich nicht unterstand zu forschen, weil ein geheimes Gefühl mir selbst die Schuld davon aufbürdete, ohne daß ich mir dies hätte deutlicher enträtseln können. Sie gab mir ein kleines Billett von der Fürstin, das ich erst im Kloster öffnen sollte: kaum war ich in meiner Zelle, als ich zu meinem Erstaunen folgendes las:

      "Du hast mich, mein lieber Sohn (denn noch will ich Dich so nennen), durch die Rede, die Du in der Kirche unseres Klosters hieltest, in die tiefste Betrübnis gesetzt. Deine Worte kommen nicht aus dem andächtigen, ganz dem Himmlischen zugewandten Gemüte, Deine Begeisterung war nicht diejenige, welche den Frommen auf Seraphsfittichen emporträgt, daß er in heiliger Verzückung das himmlische Reich zu schauen vermag. Ach! – Der stolze Prunk Deiner Rede, Deine sichtliche Anstrengung, nur recht viel Auffallendes, Glänzendes zu sagen, hat mir bewiesen, daß Du, statt die Gemeinde zu belehren und zu frommen Betrachtungen zu entzünden, nur nach dem Beifall, nach der wertlosen Bewunderung der weltlich gesinnten Menge trachtest. Du hast Gefühle geheuchelt, die nicht in Deinem Innern waren, ja Du hast selbst gewisse sichtlich studierte Mienen und Bewegungen erkünstelt, wie ein eitler Schauspieler, alles nur des schnöden Beifalls wegen. Der Geist des Truges ist in Dich gefahren und wird Dich verderben, wenn Du nicht in Dich gehst und der Sünde entsagest. Denn Sünde, große Sünde ist Dein Tun und Treiben, um so mehr, als Du Dich zum frömmsten Wandel, zur Entsagung aller irdischen Torheit im Kloster dem Himmel verpflichtet. Der heilige Bernardus, den Du durch Deine trügerische Rede so schnöde beleidigt, möge Dir nach seiner himmlischen Langmut verzeihen, ja Dich erleuchten, daß Du den rechten Pfad, von dem Du, durch den Bösen verlockt, abgewichen, wiederfindest und er fürbitten könne für das Heil Deiner Seele. Gehab Dich wohl!"

      Wie hundert Blitze durchfuhren mich die Worte der Äbtissin, und ich erglühte vor innerm Zorn, denn nichts war mir gewisser, als daß Leonardus, dessen mannigfache Andeutungen über meine Predigten ebendahin gewiesen hatten, die Andächtelei der Fürstin benutzt und sie gegen mich und mein Rednertalent aufgewiegelt habe. Kaum konnte ich ihn mehr anschauen, ohne vor innerlicher Wut zu erbeben, ja es kamen mir oft Gedanken, ihn zu verderben, in den Sinn, vor denen ich selbst erschrak. Um so unerträglicher waren mir die Vorwürfe der Äbtissin und des Priors, als ich in der tiefsten Tiefe meiner Seele wohl die Wahrheit derselben fühlte; aber immer fester und fester beharrend in meinem Tun, mich stärkend durch Tropfen Weins aus der geheimnisvollen Flasche, fuhr ich fort, meine Predigten mit allen Künsten der Rhetorik auszuschmücken und mein Mienenspiel, meine Gestikulationen sorgfältig zu studieren, und so gewann ich des Beifalls, der Bewunderung immer mehr und mehr.

      Das Morgenlicht brach in farbichten Strahlen durch die bunten Fenster der Klosterkirche; einsam und in tiefe Gedanken versunken, saß ich im Beichtstuhl; nur die Tritte des dienenden Laienbruders, der die Kirche reinigte, hallten durch das Gewölbe. Da rauschte es in meiner Nähe, und ich erblickte ein großes, schlankes Frauenzimmer, auf fremdartige Weise gekleidet, einen Schleier über das Gesicht gehängt, die, durch die Seitenpforte hereingetreten, sich mir nahte, um zu beichten. Sie bewegte sich mit unbeschreiblicher Anmut, sie kniete nieder, ein tiefer Seufzer entfloh ihrer Brust, ich fühlte ihren glühenden Atem, es war, als umstricke mich ein betäubender Zauber, noch ehe sie sprach! – Wie vermag ich den ganz eignen, ins Innerste dringenden Ton ihrer Stimme zu beschreiben. – Jedes ihrer Worte griff in meine Brust, als sie bekannte, wie sie eine verbotene Liebe hege, die sie schon seit langer Zeit vergebens bekämpfe, und daß diese Liebe um so sündlicher sei, als den Geliebten heilige Bande auf ewig fesselten; aber im Wahnsinn hoffnungsloser Verzweiflung habe sie diesen Banden schon geflucht. – Sie stockte – mit einem Tränenstrom, der die Worte beinahe erstickte, brach sie los: "Du selbst – du selbst, Medardus, bist es, den ich so unaussprechlich liebe!" – Wie im tötenden Krampf zuckten alle meine Nerven, ich war außer mir selbst, ein niegekanntes Gefühl zerriß meine Brust, sie sehen, sie an mich drücken – vergehen vor Wonne und Qual, eine Minute dieser Seligkeit für ewige Marter der Hölle! – Sie schwieg, aber ich hörte sie tief atmen. – In einer Art wilder Verzweiflung raffte ich mich gewaltsam zusammen, was ich gesprochen, weiß ich nicht mehr, aber ich nahm wahr, daß sie schweigend aufstand und sich entfernte, während ich das Tuch fest vor die Augen drückte und wie erstarrt bewußtlos im Beichtstuhle sitzen blieb.

      Zum Glück kam niemand mehr in die Kirche, ich konnte daher unbemerkt in meine Zelle entweichen. Wie so ganz anders erschien mir jetzt alles, wie töricht, wie schal mein ganzes Streben. – Ich hatte das Gesicht der Unbekannten nicht gesehen, und doch lebte sie in meinem Innern und blickte mich an mit holdseligen dunkelblauen Augen, in denen Tränen perlten, die wie mit verzehrender Glut in meine Seele fielen und die Flamme entzündeten, die kein Gebet, keine Bußübung mehr dämpfte. Denn diese unternahm ich, mich züchtigend bis aufs Blut mit dem Knotenstrick, um der ewigen Verdammnis zu entgehen, die mir drohte, da oft jenes Feuer, das das fremde Weib in mich geworfen, die sündlichsten Begierden, welche sonst mir unbekannt geblieben, erregte, so daß ich mich nicht zu retten wußte vor wollüstiger Qual.

      Ein Altar in unserer Kirche war der heiligen Rosalia geweiht und ihr herrliches Bild in dem Moment gemalt, als sie den Märtyrertod erleidet. – Es war meine Geliebte, ich erkannte sie, ja sogar ihre Kleidung war dem seltsamen Anzug der Unbekannten völlig gleich. Da lag ich stundenlang, wie von verderblichem Wahnsinn befangen, niedergeworfen auf den Stufen des Altars und stieß heulende, entsetzliche Töne der Verzweiflung aus, daß die Mönche sich entsetzten und scheu von mir wichen. – In ruhigeren Augenblicken lief ich im Klostergarten auf und ab, in duftiger Ferne sah ich sie wandeln, sie trat aus den Gebüschen, sie stieg empor aus den Quellen, sie schwebte auf blumichter Wiese, überall nur sie, nur sie! – Da verwünschte ich mein Gelübde, mein Dasein! – Hinaus in die Welt wollte ich und nicht rasten, bis Ich sie gefunden, sie erkaufen mit dem Heil meiner Seele. Es gelang mir endlich wenigstens, mich in den Ausbrüchen meines den Brüdern und dem Prior unerklärlichen Wahnsinns zu mäßigen, ich konnte ruhiger scheinen, aber immer tiefer ins Innere hinein zehrte die verderbliche Flamme. Kein Schlaf! – Keine Ruhe! – Von ihrem Bilde verfolgt, wälzte ich mich auf dem harten Lager und rief die Heiligen an, nicht, mich zu retten von dem verführerischen Gaukelbilde, das mich umschwebte, nicht, meine Seele zu bewahren vor ewiger Verdammnis, nein! – mir das Weib zu geben, meinen Schwur zu lösen, mir Freiheit zu schenken zum sündigen Abfall!

      Endlich stand es fest in meiner Seele, meiner Qual durch die Flucht aus dem Kloster ein Ende zu machen. Denn nur die Befreiung von den Klostergelübden schien mir nötig zu sein, um das Weib in meinen Armen zu sehen und die Begierde zu stillen, die in mir brannte. Ich beschloß, unkenntlich geworden durch das Abscheren meines Barts und weltliche Kleidung, so lange in der Stadt umherzuschweifen, bis ich sie gefunden, und dachte nicht daran, wie schwer, ja wie unmöglich dies vielleicht sein werde, ja, wie ich vielleicht, von allem Gelde entblößt, nicht einen einzigen Tag außerhalb der Mauern würde leben können.

      Der letzte Tag, den ich noch im Kloster zubringen wollte, war endlich herangekommen; durch einen günstigen Zufall hatte ich anständige bürgerliche Kleider erhalten;


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