Sophienlust Box 16 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Box 16 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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die der Einfachheit halber Mineralwasser und Fruchtsaft im Zimmer bereitstehen hatte, machte dem Kind ein Glas zurecht. Durstig trank Alexa. »Bleibt ihr?«, wiederholte sie dann ihre Bitte.

      »Bis du wieder eingeschlafen bist, Kind. Dann legen Vati und Mutti sich auch noch ein Stündchen hin. Du kannst rufen, wenn du wieder aufwachst.«

      Lexi verzog den Mund. »Dann schlafe ich ganz einfach nicht mehr ein. Ich will, dass ihr bei mir bleibt. Vati sieht aus wie ein Onkel Doktor in Muttis Kittel. Das gefällt mir.«

      Josefa lächelte und sang leise ein russisches Kinderlied, das sie Lexi schon manchmal vorgesungen hatte.

      Wenig später fielen dem erschöpften kleinen Mädchen die Augen zu. Josefa zog liebevoll die Bettdecke zurecht und nickte Alexander zu. Gemeinsam verließen sie das Krankenzimmer. Sie zogen die weißen Kittel aus und desinfizierten sich die Hände.

      »Du hast hübsch gesungen, Josefa. Hoffentlich schläft Alexa nun noch ein paar Stunden.«

      »Das nehme ich an. Sie braucht viel Schlaf, um gesund zu werden. Aber sie war so aufgeregt, dass ich fürchtete, sie würde tatsächlich wach bleiben. Deshalb habe ich gesungen. Singen beruhigt, das ist eine alte Wahrheit.«

      »Danke, Josefa. Allmählich wird mir klar, was du getan hast.«

      »Wenn man die Verantwortung für ein Kind übernimmt, gehört Krankenpflege nun mal dazu. Für mich ist es einfacher als für andere Frauen, denn ich bin auch Ärztin. Geh jetzt zu Bett, Alexander. Du musst schrecklich müde sein.«

      »Auf mich kommt es nicht an, Josefa. Lass dir wenigstens danken.«

      Sie schüttelte abwehrend den Kopf. »Du brauchst mir nicht zu danken.«

      »Alexa ist für dich ein fremdes Kind.«

      »Nein, Alexander, das ist nicht wahr.«

      Unter ihrem flammenden Blick wandte er sich ab. »Sehen wir, ob wir noch einmal einschlafen können. Einer von uns wird es sicher hören, wenn sie ruft«, sagte er mit erzwungener Ruhe.

      »Ich höre es bestimmt. Ich hätte es auch vorhin beim zweiten oder dritten Mal gehört. Du kannst dich darauf verlassen. Außerdem ist Alexas Zustand jetzt nicht mehr allzu beängstigend. Es schadet ihr nichts, wenn sie mehrmals ruft und zwei Minuten wartet, bis einer an ihrem Bett erscheint.«

      Da ging er in sein Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Josefa legte sich wieder hin, aber sie konnte nicht mehr einschlafen. Nach einer Weile erhob sie sich lautlos und nahm ein Bad, wobei sie so wenig Geräusche wie möglich verursachte. Dann kleidete sie sich an, um den Platz neben Alexas Bett wieder einzunehmen. Still schaute sie auf das schlafende Kind, das sie genauso liebte wie dessen Vater, und faltete die Hände. Es darf nicht geschehen, dachte sie. Ich will das Kind nicht verlassen und auch ihn nicht. Lieber Gott im Himmel, hilf mir, zeige mir einen Weg!

      *

      Seit diesem Tag ging es Alexa tatsächlich besser. Sie saß nun aufrecht in ihrem Bett und hielt den gesamten Haushalt mit ihren Wünschen in Atem. Alexander brachte fast den ganzen Tag an ihrem Bett zu. Er spielte mit ihr, las ihr vor und gab sich Mühe, all das nachzuholen, was er durch seine lange Abwesenheit versäumt hatte.

      Fred Wellner kam noch ein einziges Mal. Er untersuchte Alexa und teilte dem Vater mit, dass die Gefahr nun vorüber sei, die kleine Patientin aber noch mindestens eine Woche lang im Bett bleiben müsse, damit das Herz nicht überanstrengt würde.

      Alexander bedankte sich kühl und höflich, während er den Arzt zu dessen Wagen begleitete. Josefa ließ sich nicht sehen. Fred Wellner fragte auch nicht nach ihr, sondern bat nur um herzliche Grüße an sie.

      »Er kann mich nicht leiden. Ich dagegen habe ihm wahrscheinlich unrecht getan«, meinte Alexander am Mittagstisch, als er Josefa gegenübersaß.

      Sie wusste keine Antwort darauf.

      »Du hast mir damals gesagt, es gäbe keinen Mann in deinem Leben – aber so etwas kann sich ändern. Ihr habt den gleichen Beruf. Eure Interessen liegen sich sicherlich näher als die unsrigen. Ich weiß kaum etwas von dir, und du nicht viel von mir.«

      »Alexander, wir wollten es für Alexa tun – du und ich. Bitte, was soll denn werden? Sie braucht uns beide. Sie braucht eine Mutter und einen Vater!«

      Er hob die Schultern. »Mir ist klar geworden, dass sie dich nötiger hat als mich. In der Nacht, als ich wiedergekommen war, hat sie mehr nach dir verlangt als nach mir. Daran, dass ich meist durch Abwesenheit glänze, scheint sie sich auf ihre Weise gewöhnt zu haben. Aber es wäre sicherlich zu viel verlangt, wenn ich dir die Fürsorge für Alexa weiterhin überlassen würde im Falle einer Scheidung. Du sollst wieder als Ärztin tätig sein, und Lexi wird nach Sophienlust gehen.«

      »Ich wünschte, du könntest mir glauben, dass ich keinen Wert darauf lege, wieder in der Klinik zu arbeiten. Ich liebe Lexi. Wir haben A gesagt und können uns vor dem B nun nicht drücken. Wir haben kein Recht, unsere Entschlüsse plötzlich wieder umzuwerfen.«

      »Du machst es mir zu leicht, Josefa. Du bist gewissenhaft und pflichtbewusst. Ich fürchte, du würdest sogar auf ein echtes Glück verzichten, weil du meine Frau geworden bist und Alexa nicht enttäuschen willst. Ich hätte mir das rechtzeitig überlegen müssen. Du bist anders als ich. Für dich hat das Versprechen vor dem Altar sogar in unserem Fall seine Bedeutung.«

      Am liebsten wäre Josefa vom Tisch aufgestanden und hinausgelaufen. Sprechen konnte sie nicht. Alexander aber fuhr fort: »Du nimmst das Leben ernst und setzt dich ganz und gar für die Aufgabe ein, die du übernommen hast. Es scheint, dass ich jetzt die Pflicht habe, dir wieder zu deiner Freiheit zu verhelfen.«

      »Muss das denn heute besprochen sein?«, stammelte Josefa, indem sie sich alle Mühe gab, wenigstens nicht in Tränen auszubrechen. »Ich will meine Freiheit nicht zurückbekommen und beklage mich auch nicht«, fuhr sie mit unsicherer Stimme hinzu.

      »Hätte mir dein Doktorfreund nicht die Augen geöffnet, würde ich dir glauben, Josefa«, erwiderte Alexander in seltsam weichem Ton »Jetzt aber sehe ich die Dinge in einem anderen Licht. Du magst recht haben, wenn du vorschlägst, dass wir nichts übereilen sollen. Doch wir müssen nach einem vernünftigen Weg suchen, um den früheren Zustand wiederherzustellen. Es war eine verrückte Idee von mir. Ich hatte kein Recht, dich hier einzusperren.«

      Nun ging es über ihre Kräfte. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und lief aus dem Zimmer.

      Betroffen sah der Flugkapitän ihr nach. Um seinen Mund zuckte es. Er ließ seinen Teller gleichfalls stehen und wollte Josefa folgen. Doch an der Tür zögerte er und schüttelte den Kopf.

      Fünf Minuten später fuhr er mit seinem Wagen davon. Josefa beobachtete ihn vom Fenster ihres Zimmers aus verstohlen. Frau Gesine räumte inzwischen den Tisch ab, wobei sie missbilligend die kaum berührten Schüsseln und die nicht geleerten Teller betrachtete. An den Nachtisch hatten die Herrschaften überhaupt nicht gedacht. Da hatte es wohl Ärger gegeben!

      Frau Gesine ging zu Lexi hinauf, deren Zimmer nun nicht mehr tabu war. Das Kind löffelte mit bestem Appetit seinen Schokoladenpudding.

      »Kommt Mutti nicht?«, fragte Lexi.

      »Ich glaube, sie hat sich niedergelegt, Alexa. Sie sah ziemlich müde aus. Du musst jetzt auch deinen Mittagsschlaf halten.«

      Alexa verzog den Mund. »Sonst kommen sie immer beide nach dem Essen zu mir«, schmollte sie.

      »Du bist nicht mehr so krank«, erklärte Frau Gesine resolut. »Schau, ich ziehe den Vorhang vor, dann kannst du wunderbar schlafen.«

      Frau Gesine verließ das Krankenzimmer. Als sie an Josefas Tür vorüberkam, war ihr, als höre sie die junge Frau weinen. Ärgerlich zog sie die Brauen zusammen, wobei sich ihr Zorn gegen Alexander Rethy richtete.

      Dann stürzte sie sich auf die Küchenarbeit wie der Teufel auf eine arme Seele.

      *

      Dr. Fred Wellner war nicht wenig überrascht, als ihm der Flugkapitän gegenüberstand.


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