Dr. Norden Bestseller Staffel 18 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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kommt ja von dir.«

      Isabel fuhr zuerst zu den Hansons. Alice war schon startbereit, und sie drängte zur Eile, indem sie schon selbst ihre Koffer ergriff.

      André nahm ihr diese aus der Hand. Isabel konnte wenigstens ein paar Worte mit Irene Hanson wechseln.

      »Würden Sie uns Bericht erstatten, Frau Schoeller?« fragte Irene.

      »Gern. Sie hat sich sehr verändert. Wovor hat sie Angst?«

      »Wenn wir das wüßten! Aber Sie haben es sofort erfaßt«, erwiderte Irene.

      »Sie wird die Ruhe finden, die sie braucht«, sagte Isabel.

      »Das hoffen wir«, erwiderte Irene.

      Isabel bewies diplomatisches Geschick, als sie dann Hedi Röcken abholte. Es kam zu keiner Begegnung zwischen Simone und Alice, die ja auch Simone vermeiden wollte. Das bekam Hedi alles gar nicht richtig mit. Sie war aufgeregt und ganz auf Simone konzentriert. Ihre mütterlichen Ermahnungen mußte sie ja noch anbringen.

      Mit Alice tauschte sie einen kurzen Händedruck. Auch sie sagte nichts, erschrocken über die Verzweiflung, die Alices Mienenspiel ausdrückte. So verlief die Fahrt schweigend. ­Isabel machte nur ab und zu eine zornige Bemerkung, wenn ein Kolonnenspringer vorbeiraste. Aber sie gelangten schnell zur Insel und wurden dort mit gewohnter Herzlichkeit empfangen.

      Isabel wurde von ihren Kindern wortreich überfallen. Sie waren von Anne Cornelius zwar bestens versorgt worden, aber ihre Mami hatten sie doch vermißt.

      Alice mühte sich, ein paar Worte herauszuquälen, aber es gelang ihr nicht, und es rollten dann nur Tränen über ihre Wangen.

      »Nicht verzweifeln, Frau Valborg«, sagte Anne tröstend, »es wird schon wieder gut.«

      Hedi war schon ganz eingefangen von der zauberhaften Atmosphäre der Insel, und nun kam auch Dr. Cornelius, um die neuen Gäste zu begrüßen. Alice machte jedoch einen so völlig erschöpften Eindruck, daß er sie gleich zu ihrem Appartement führte.

      »Sie tut mir so leid«, sagte Hedi leise zu Anne. »Es muß schrecklich für sie sein.«

      »Hoffen wir, daß ihr zu helfen ist«, sagte Anne.

      Dr. Cornelius kam bald zurück. »Sie ist ganz schnell eingeschlafen«, erklärte er. »Wären Sie einverstanden, Frau Röcken, mit Frau Valborg die Wohnung zu teilen?«

      »Das ist doch nicht meine Entscheidung«, stammelte Hedi. »Es kommt auf Frau Valborg an.«

      »Sie wünscht es«, sagte er.

      »Sie wünscht es?« fragten Anne und Hedi gleichzeitig.

      »Bitte, meine Damen, ihr habt es schriftlich, reden kann sie ja nicht«, erwiderte er und reichte ihnen einen Zettel. Darauf stand zu lesen: »Frau Röcken soll bei mir bleiben.«

      »Na, wenn das kein Kompliment für Sie ist«, sagte Anne. »Aber Sie sollen sich auch erholen, und wenn Sie nein sagen, werden Sie anderswo untergebracht.«

      »Warum sollte ich nein sagen. So krank bin ich ja nicht. Kann ich vielleicht auch ein bißchen mithelfen?«

      »Sie helfen schon sehr, wenn Sie dieser armen Frau beistehen«, sagte Dr. Cornelius. »Sie haben ja gesehen, wie schlecht es ihr geht.«

      »Auf der Höhe des Ruhms«, murmelte Hedi. »Und sie ist doch noch nicht alt.«

      »Genauso jung oder alt wie Sie, Frau Röcken. Genau der gleiche Jahrgang. Sie sind sogar drei Tage jünger als sie. Ihre Daten sind bei uns schon vorgemerkt«, fügte er lächelnd hinzu.

      »Wenn man da aber Parallelen ziehen will, so erwischt hat es mich doch nicht«, sagte Hedi, »und wenn ich auch nicht berühmt bin, vielleicht bin ich doch ein glücklicherer Mensch, weil ich ja meine Simone habe. Hat sie keine Angehörigen.«

      »Das ist uns nicht bekannt«, erklärte Anne. »Aber es ist oft so, daß ge-rade berühmte Leute sehr einsam sind.«

      »Ich hätte mir nicht träumen lassen, einmal mit Alice Valborg unter einem Dach zu leben«, sagte Hedi leise. »Ich habe jeden Film mit ihr gesehen, seit zwanzig Jahren.«

      Anne und Johannes Cornelius tauschten einen kurzen aber verständnisinnigen Blick. Sie machten sich auch über Hedi Röcken Gedanken.

      »Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit«, sagte Hedi mehr zu sich selbst, »und sie sind doch so schnell vorbei. Sagen Sie mir bitte, was ich für Frau Valborg tun kann.«

      »Sie sollen zuerst mal abschalten«, sagte Dr. Cornelius.

      *

      Als Simone ihre Kollegin Anja abgelöst hatte, sagte diese: »Laß dich bloß nicht von diesem Irren tyrannisieren, der dauernd Frau Valborg sprechen will. Bei dem tickt es ja nicht richtig. Er behauptet, sie würde sich verleugnen lassen, aber gestern nachmittag hätte er mit ihr gesprochen. Da hattest du Dienst, Simmi.«

      »Ich kann mich erinnern. Ich habe ihm gesagt, daß sie abgereist ist. Er redete mich dann an, als wäre ich Frau Valborg. Er wird betrunken gewesen sein.«

      »Was man so alles mitmacht«, meinte Anja. »Gut, daß wir anonym bleiben. Dann wünsche ich dir ein gutes Schaffen.«

      Es war ziemlich viel zu tun, da wieder einmal eine Messe eröffnet wurde. Endlich kam Simone dazu, auf der Insel anzurufen und sich zu erkundigen, ob ihre Mutter gut angekommen sei.

      »Alles bestens, Fräulein Röcken«, sagte Anne Cornelius. »Die Damen sind gerade beim Tee.«

      »Bitte, sagen Sie liebe Grüße. Ich rufe morgen wieder an. Und wenn ich darum bitten dürfte, verhindern Sie bitte, daß meine Mutter im Hotel anruft. Ich habe triftige Gründe dafür.«

      Über diese war Anne bereits von ­Isabel genau informiert worden. Sie mußte wieder an die Bemerkung

      nachdenken, die Hedi über Alice Valborg gemacht hatte, über die zwanzig Jahre, die doch so schnell vergangen waren.

      Ob die beiden über diese zwanzig Jahre sprechen würden? Ob wenigstens Hedi von sich erzählen würde, denn Alice konnte sich ja nicht verständlich machen, es sei denn, sie schrieb auf, was sie dachte.

      Das hatte Alice allerdings auch bereits getan, wenn auch nur mit wenigen Worten.

      »Ich freue mich, daß Sie bei mir sind. Ist es Ihnen recht, wenn wir uns beim Vornamen nennen, Hedi?«

      »Ja, sehr gern«, erwiderte Hedi, als sie diese Worte gelesen hatte.

      »Es wäre schön, wenn wir uns richtig unterhalten könnten, aber vielleicht wird das bald möglich sein«, schrieb Alice.

      »Ich bin davon überzeugt«, sagte Hedi zuversichtlich und nahm behutsam Alices Hand. Sie spürte, wie diese zitterte. »Ihre Nerven sind überreizt, Alice. Sie brauchen sehr viel Ruhe.«

      Alice schenkte ihr einen dankbaren Blick. Dann schloß sie die Augen und lehnte sich zurück. Sie saßen auf der Sonnenterrasse, und die Stille wurde nur von Vogelgezwitscher belebt.

      Hedi betrachtete Alice, die jetzt schon etwas gelöster wirkte. Wollte man sie als schön bezeichnen, so kam diese Schönheit mehr aus dem Innern und durch die Ausdrucksstärke, die dieses Gesicht zeigte. Es war ein herbes Gesicht, gezeichnet von Schmerz und Resignation.

      Hedi hatte viel über Alice gelesen. Man bezeichnete sie als eine eigensinnige Darstellerin. Man ließ durchblicken, daß man nicht viel über ihr Leben berichten könne, das ohne Skandale verlaufen war. Man konnte nur sagen, daß sie Rollen, die ihr nicht zusagten, strikt ablehnte, auch wenn diese ihr noch so schmackhaft gemacht wurden.

      Beleidigte Kritiker schrieben auch, daß sie der Garbo nacheifere, um sich ein besonderes Image zu verschaffen. Doch niemand wagte zu bestreiten, daß sie eine großartige Schauspielerin war.

      Und das empfand Simone auch ganz intensiv, als Rolf Hanson ihr den Film vorführen ließ. Er hatte sie zur verabredeten Zeit abgeholt. Sie war rasch zu ihm in den Wagen gestiegen, und sie waren zum Studio gefahren.


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