Dr. Norden Bestseller Staffel 18 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Fiebertraum gab und daß diese für den Patienten äußerst bedrohlich werden konnten. Er entschloß sich, die Injektion nun doch zu verabreichen.
»Was wollt ihr denn?« murmelte der Kranke. »Was ist mit Juanita?« Und dann kam der Aufschrei: »Chérie, lauf, lauf!«
Und das hatte den Anlaß gegeben, daß sogleich der Kommissar verständigt worden war.
Zumindest Dr. Behnisch und seine Frau Jenny waren sicher, daß es sich bei ihrem Patienten um Marian von Eickstedt handelte. Aber zugleich mußten sie fürchten, daß er diese Krise nicht überstehen würde.
Eine Erinnerung war ihm gekommen, die ihn quälte. Ob Juanitas Nähe ihm die Ängste nehmen konnte? Aber würde sie dem gewachsen sein? Die Ärzte waren in einen Zwiespalt geraten, aus dem sie nicht so rasch einen Ausweg wußten. Und was wirklich geschehen war, lag noch im Dunkel. Vermuten konnten sie viel, die Wahrheit wußte niemand.
Als der Kommissar mit dem Baron kam, hatten Dieter und Jenny Behnisch noch immer keinen Entschluß gefaßt.
»Wir werden Sie zu unserem Patienten führen, Herr Baron«, sagte Dr. Behnisch. »Erschrecken Sie bitte nicht, daß auch seine Augen verbunden sind. Er war lange im Freien, und es war kalt. Er sagte einige Worte, die darauf schließen lassen, daß er Ihr Sohn sein könnte.«
»Wenn er nur lebt«, flüsterte der Baron. »Mehr wünsche ich momentan nicht.«
Nun konnte allerdings auch ein Vater nicht in einem solchen Bündel Elend gleich den vorher so kraftvollen, gesunden Sohn erkennen. Heiß stieg es Joachim von Eickstedt in die Augen, als er dann die Hände betrachtete.
»Er trug an der linken Hand unseren Siegelring«, sagte er tonlos, »und eine goldene Armbanduhr, die er von seiner Mutter zum achtzehnten Geburtstag geschenkt bekam.«
»Das könnte mit unseren Feststellungen übereinstimmen«, erklärte Dr. Behnisch.
»Können Sie Ring und Uhr genau beschreiben?« fragte der Kommissar. Der Baron nickte stumm.
Er beugte sich zu dem Kranken. »Marian«, sagte er erschüttert, »ich bin da, dein Vater. Hörst du mich? Erkennst du meine Stimme? Juanita wird zu uns kommen. Es wird alles gut werden, es muß!«
Aber es schien allein der Name Juanita wieder gewesen zu sein, der in Marians Bewußtsein drang. »Nita«, kam es wie ein Hauch über seine trockenen Lippen.
Der Baron konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie rannen über sein blasses, hageres Gesicht und fielen auf die Bettdecke. »Mein Gott, was haben sie ihm angetan«, murmelte er.
»Jetzt haben wir eine Spur. Wir wissen, wo er gefunden wurde«, sagte der Kommissar. »Suchhunde werden uns helfen.«
»Wastl«, sagte der Baron.
*
»Wir werden Juanita vorbereiten«, sagte Dr. Behnisch, als sie das Krankenzimmer verlassen hatten.
»Ich kann es nicht«, murmelte der Baron. »Bitte, tun Sie alles für meinen Sohn. Alles, was ich noch besitze, gebe ich dafür.«
»Ich bitte Sie, Sie sind doch sicher in einer Krankenversicherung.« Dr. Behnisch legte dem Baron die Hand auf die Schulter. »Verlieren Sie jetzt die Hoffnung nicht.«
»Wir werden die Täter finden«, brummte der Kommissar.
»Sie meinen, daß es mehrere sind?«
»Es deutet alles darauf hin. Wir werden jetzt an die Arbeit gehen.«
»Ich werde mitkommen«, sagte Baron Joachim. »Ich werde Wastl holen. Mich kennt er schon.«
»Und ich werde mit Juanita sprechen«, sagte Jenny leise. »Vergessen Sie den Detektiv Kring nicht, Herr Kommissar.«
»Wir werden nichts vergessen«, erwiderte der mit einem erzwungenen Lächeln. An ihm lief das auch nicht einfach so ab. Nur hatte er eben oft mit ähnlich grausamen Geschehnissen zu tun. Bei ihm gehörte das zur täglichen Arbeit, wie in der Klinik die Betreuung von Schwerkranken.
Jenny ging nun zu Juanita. Sie war aufgestanden und blickte zum Fenster hinaus.
»Wie fühlen Sie sich, Juanita?« fragte Jenny vorsichtig.
»Es geht schon besser. Ich muß doch einiges tun.«
»Sie werden die Klinik noch nicht verlassen und sich erneut in Gefahr begeben«, erklärte Jenny energisch. »Hier werden Sie jetzt sehr nötig gebraucht.«
»Haben Sie eine Beschäftigung für mich? Ich möchte nicht immer daliegen und grübeln.«
»Jetzt setzen Sie sich erst mal. Ich möchte Ihnen etwas erklären.«
Juanita blickte sie erwartungsvoll an. »Sie sollen uns bei der Betreuung eines Kranken helfen, Juanita«, sagte Jenny stockend. Juanitas Augen wurden ganz weit, dann lief ein Zucken über ihr Gesicht. »Marian?« fragte sie bebend.
»Sie dürfen sich nicht aufregen. Er hatte einen Unfall!« Die ganze Wahrheit wollte ihr Jenny nicht gleich sagen. »Es wird ihm eine Beruhigung sein, wenn er Ihre Nähe fühlt«, fuhr sie dann rasch fort. »Haben Sie die Kraft?«
»Ist es sehr schlimm?« fragte Juanita zitternd.
»Ja, es ist schlimm, aber wir haben Hoffnung«, erwiderte Jenny. »Er denkt an Sie, Ihr Name ist alles, was in sein Bewußtsein dringt.«
Juanita schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. »Ich kleide mich an. Ich will zu ihm«, sagte sie ganz tapfer.
»Wir sind immer zur Stelle«, sagte Jenny liebevoll. »Allzuviel dürfen Sie sich nicht zumuten, Juanita.«
Schon wenige Minuten später trat Juanita angekleidet auf den Flur. Jenny sprach mit Schwester Martha, trat aber schnell auf das Mädchen zu und legte ihren Arm um die schmale, zerbrechlich wirkende Gestalt. Auch ihr sagte sie, daß sie wegen des Kopfverbandes nicht erschrecken solle.
»Wir werden die Augen freilegen, sobald er bei Bewußtsein ist«, sagte sie.
Juanita lehnte am Türrahmen. »Wie ist das geschehen?« fragte sie bebend.
»Wir wissen es noch nicht. Jetzt ist es nur wichtig, daß er weiß, daß Ihnen nichts geschehen ist, Juanita. Es wird ihn beruhigen und ihm Kraft geben.«
Sie schob einen bequemen Sessel dicht an Marians Bett. Juanitas Hand tastete sich auf seine Rechte, die auf der Bettdecke lag. Sie sah jetzt durch einen Tränenschleier die zerschundenden Knöchel. Sie beugte sich nieder und streichelte die Hand mit ihren Lippen.
»Liebster Marian«, sagte sie und küßte dann auch den blassen Mund. Und da hob ein tiefer Seufzer seine Brust. »Nita«, hauchte er wieder.
»Ich bin bei dir, ich bleibe bei dir«, sagte sie. »Du mußt gesund werden.«
»Ich will«, sagte er nun deutlicher, und Jenny atmete auf. Der erste Schritt war getan und gelungen.
*
»Was denkst du denn, Mami?« fragte Danny, als Fee, den Kopf in die Hand gestützt, auf die Zeitung starr-
te.
Sie konnte ihm nicht sagen, was sie dachte. Der Junge konnte das ja doch nicht verstehen. Die Meldung, die sie gelesen hatte, war kurz. Marian von Eickstedt wird dringend gebeten, sich mit Vater in Verbindung zu setzen.
Hoffentlich lesen sie das, diese Verbrecher, dachte Fee, dann wissen sie nicht, daß ihr Opfer bereits identifiziert ist. Dann wiegen sie sich in Sicherheit.
»Ich muß jetzt mal telefonieren, Danny«, sagte Fee. »Geh doch wieder in den Garten, und spiel mit deinen Geschwistern.«
»Fährst du heute wieder weg, Mami? Bei uns ist alles durcheinander. Es sind doch Schulferien. Wir könnten mal Ski fahren.«
»Das tun wir auch, Danny, aber wenn es schneit, werdet ihr naß und erkältet euch.«
»Wir sind doch nicht aus Zucker«, sagte er.
Ja,