Kärntner Totenmesse. Roland Zingerle
Moritsch Landesrätin war?“
„Ja, die hat das eingefädelt.“ Waltraud Mühlwirth nickte. „Sie hat ein ausgezeichnetes Verhältnis zum damaligen Chef Herrn Sorger gehabt. Er war auch der Gründer von Immosorg. Die jetzige Geschäftsführerin ist seine Nichte.“
Auch wenn er nicht sagen konnte warum, spürte Heinz, dass dies von großer Bedeutung für seine Ermittlungen war. Er hoffte inständig, dass er sich das alles merken würde, zumindest in den Grundzügen. „Sagen Sie, war da nicht auch die Rede von einem Kirchengrund und einem Altersheim?“
„Ja“, die Büroleiterin wurde schlagartig betont sachlich, „ja, ich weiß schon, was Sie irritiert, das ist auch den Medien so gegangen. Sie fragen sich, warum der Herr Landesrat zwischen der Immosorg und der Kirche vermittelt hat. Da waren die wildesten Spekulationen dabei, dass Rudi Schmiergelder kassiert hätte und so weiter, aber keiner hat das große Ganze gesehen, die Vision.“ Ihre Arme unterstrichen ihre Worte mit einer ausladenden Bewegung.
Heinz fühlte sich ertappt, denn auch er hatte angenommen, Landesrat Moritsch hätte eine Vermittlungsprovision kassiert – doch im nächsten Moment wurde ihm klar, dass diese Aussage von Frau Mühlwirth nichts weiter war, als ein rhetorischer Trick. Indem sie selbst den naheliegenden Verdacht aussprach, nahm sie ihm die Glaubwürdigkeit. Heinz war gespannt, welche Begründung sie nun vorbringen würde.
„Wenn man nämlich die Vision betrachtet“, fuhr die Büroleiterin fort, „erkennt man, wie sehr dieses Geschäft mit der Kirche das Gesamtprojekt abrundet. Denn worum geht es bei diesem Projekt? Es geht um eine Gesamtlösung zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger Kärntens. Grundstücke, die dem Land Kärnten gehören, und damit den Bürgerinnen und Bürgern, werden verkauft und das Geld in Arbeitsplätze investiert. Im ersten Schritt profitieren nur wenige davon, das ist klar, aber insgesamt gesehen steigt mit dieser Maßnahme, wenn man sie konsequent durchführt, die Kaufkraft und damit, über den Wirtschaftskreislauf, der Wohlstand für alle. Das ist die Vision, und deshalb brauchen wir den Schulterschluss möglichst vieler Institutionen im Land. Wenn jeder einen Beitrag leistet, profitieren alle davon und das war es, wovon der Herr Landesrat den Herrn Magister Weißhaupt von der katholischen Kirche überzeugt hat, das war seine Vermittlungsleistung.“
„Aber was hat die Kirche davon?“, fragte Heinz.
Waltraud Mühlwirths Miene war wie versteinert. „Da haben wir es schon wieder, Sie verstehen mich nicht. Genauso wie die Medienvertreter. Noch einmal: Es geht hier nicht um Profit, es geht hier um das Wohl für alle Kärntnerinnen und Kärntner. Der Herr Landesrat hat den Herrn Magister Weißhaupt davon überzeugt, dass dieses Geschäft einem guten Zweck dient. Junge Menschen bekommen Arbeit und können ihre Familien ernähren, alte Menschen werden versorgt – das deckt sich mit den Kircheninteressen. Der günstige Verkaufspreis ist folglich eine Art Investment in die eigene, in die gute Sache. Und nebenbei bemerkt“, sie senkte ihre Stimme verschwörerisch, „haben wir etwas Glück gehabt. Die katholische Kirche hat das fragliche Grundstück erst vor Kurzem geerbt. Es ist viele Jahre lang brach gelegen und hätte erst für eine Menge Geld erschlossen werden müssen. Diese Kosten hat sich die Kirche mit dem Verkauf erspart, das relativiert das finanzielle Opfer nicht unwesentlich.“
Heinz war nicht hier, um über politische Vorgänge zu streiten, deshalb nickte er und lächelte, als würde er verstehen.
In Wahrheit glaubte er der Büroleiterin kein Wort. Die Erschließungskosten als Argument für einen Preisnachlass in Höhe von fünfhunderttausend Euro vorzubringen, das war, als würde man seinen Diskussionspartner für dumm verkaufen. In dieselbe Kategorie fiel die Mär von der Menschlichkeit in der Politik. Wann immer Heinz hörte, dass etwas „zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger“ geschah, wusste er, dass die damit gerechtfertigte Aktion in Wahrheit zum Wohle des jeweiligen Politikers oder dessen Partei in die Wege geleitet wurde. Und wenn es um Geld ging, dann war Menschlichkeit das Letzte, was eine Rolle spielte, egal, bei welcher Institution.
Dieses Wissen verdankte Heinz seinem Vater, der Zeit seines Lebens politisch tätig gewesen war, seit Jahrzehnten hauptberuflich. Allerdings hatte ihm sein Vater diese Dinge nicht beigebracht, sondern selbst immer wieder so argumentiert – Heinz hatte das im Laufe der Zeit durchschaut.
Aus diesem Grund klangen die Worte der Büroleiterin in Heinz’ Ohren hohl. Sie hatte sich wohl eine Argumentationskette zurechtgelegt, um Handlungsweisen zu begründen, die logisch nicht begründbar waren. Denn der einzige offensichtliche Nutznießer dieser Aktion war die Firma Immosorg, die von dem günstigen Kaufpreis profitierte.
Heinz fragte sich einmal mehr, welchen Vorteil das Land Kärnten und die katholische Kirche aus der Aktion zogen.
„Eigentlich bin ich ja gekommen, um mit Ihnen über das persönliche Umfeld von Landesrat Moritsch zu sprechen“, wechselte Heinz nun das Thema.
„Ja, ich weiß“, Waltraud Mühlwirth seufzte, „für uns alle ist der Mord unfassbar – und für seine Mutter unvorstellbar schrecklich. Sie will den Täter schnellstmöglich der Justiz übergeben.“ Es klang, als wäre dies die Aufgabe von Liese Moritsch. „Leider werde ich Ihnen nicht viel dabei helfen können.“
„Mir ist schon geholfen, wenn ich weiß, in welchen Kreisen sich der Herr Landesrat bewegt hat, welche Freunde und welche Feinde er ...“
„Sie haben mich falsch verstanden“, fiel die Büroleiterin Heinz ins Wort, „genau deswegen werde ich Ihnen nicht helfen können. Schauen Sie, Rudi war im Umgang mit Menschen nicht zimperlich. Oberflächlich war er lässig und mit allen gut Freund, aber sobald es nicht so gelaufen ist, wie er es wollte, war er der einzige Hecht im Teich. Mit anderen Worten, er hat gewusst, wie man sich Feinde, aber nicht, wie man sich Freunde macht. Soweit ich weiß, hat es in seinem Leben überhaupt nur einen Menschen gegeben, auf den die Bezeichnung Freund zutrifft.“
Sie stockte, so dass Heinz schließlich nachfragte: „Wen?“
Zum ersten Mal im Gespräch wirkte Waltraud Mühlwirth verunsichert. „Sie müssen mir versprechen, dass das, was ich Ihnen jetzt sage, unter uns bleibt. Ich meine natürlich, abseits Ihrer Ermittlungen.“
„Versprochen.“
„Kennen Sie das Lokal Der Ständer?“
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