Der Bergpfarrer Staffel 18 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Staffel 18 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Aber in den Bergen wußte man ja auch nicht unbedingt, wie das Wetter würde. Wenn es plötzlich umschlug, konnte es in den leichten Sommersachen schnell zu kühl werden. Babette hatte deshalb vorsorglich eine warme Jacke, zwei dicke Pullover und eine etwas festere Hose eingepackt.

      Aber für eine Bergtour war das alles nicht geeignet. Allerdings hatte sie auch nicht vor, so etwas zu unternehmen.

      Nachdem sie sich eingerichtet hatte, betrat sie das kleine Bad, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und bürstete das dunkle Haar durch. Draußen war es jedenfalls nicht zu kühl für das, was sie anhatte: ein schickes Top mit einem leichten Blazer kombiniert, dazu eine modische Jeans. Zufrieden mit ihrem Äußeren verließ Babette die Pension und unternahm einen ersten Spaziergang durch ihren Ferienort.

      Während sie auspackte und sich zum Ausgehen fertig machte, hatte sie die ganze Zeit an den jungen Mann denken müssen, der wohl ebenfalls in der Pension wohnte.

      Herr Unger, hatte die Wirtin ihn angesprochen. Babette erinnerte sich an den Blick, mit dem er sie angesehen hatte, und ihr war bewußt geworden, daß sie ihn genauso angestarrt hatte.

      Ein ziemlich gut aussehender Mann!

      Ob er alleine war, so wie sie? Oder gab es da jemanden?

      Wenn er das Zimmer neben ihr bewohnte, dann schied die Möglichkeit aus, daß er in Begleitung war, denn im ersten Stock befanden sich ausschließlich Einzelzimmer, wie die Frau Stubler erklärt hatte, als sie die Treppe hinaufgegangen waren.

      Allerdings mußte das ja noch lange nicht heißen, daß er tatsächlich hier alleine im Urlaub war…

      Babette merkte plötzlich, wie intensiv sie sich mit dieser Frage auseinandersetzte. Sie war regelrecht erschrocken, als sie sich fragte, wie er wohl mit Vornamen heißen mochte.

      »Also, jetzt denk’ mal an was anderes«, murmelte sie vor sich hin, während sie die Straße überquerte, nachdem sie auf der anderen Seite den Eingang zum Biergarten des Hotels entdeckt hatte.

      Aber es gelang ihr nur schlecht, den Gedanken an den Zimmernachbarn zur Seite zu schieben. Immer wieder sah sie dieses markante Gesicht mit den ausdrucksvollen Augen darin.

      Auch nachdem der Kaffee und ein Stück Käsekuchen serviert waren, konnte sie ihn nicht aus ihren Gedanken verbannen, und in beängstigender Weise nahm dieser Herr Unger immer mehr Ruhe in ihrem Denken ein.

      Auf ihrem Spaziergang durch das Dorf hatte Babette – bewußt oder unbewußt – immer wieder Ausschau nach ihm gehalten. Selbst als sie in dem kleinen Geschäft stand, in dem es neben Zeitschriften und Tabakwaren auch Ansichtskarten zu kaufen gab, sah sie ständig aus dem Schaufenster, ob er vielleicht gerade vorüberging.

      Endlich rief sie sich energisch zur Ordnung. Der Kuchen war gegessen, die zweite Tasse aus dem Kaffeekännchen eingeschenkt, und sie wollte sich daranmachen, die Karten zu schreiben. Doch schon bei der ersten fiel ihr nichts rechtes ein, und sie steckte Karten und Stift in ihre Handtasche zurück.

      Die Kaffeetasse in der Hand saß sie auf ihrem Stuhl, schaute zu den andern Tischen und erstarrte plötzlich, als sie ihn sah.

      Ganz hinten in der anderen Ecke saß Herr Unger und blickte sie an.

      *

      »Es tut mir wirklich leid«, hatte die freundliche Dame in der Touristeninformation bedauert, »aber da hätten S’ sich schon viel eher anmelden müssen. Unsere Bergführer sind seit Wochen ausgebucht. Die meisten Urlauber melden sich gleich an, wenn sie ihre Reise buchen.«

      »Ich habe mir schon beinahe so was gedacht.« Florian nickte. »Aber es war halt ein Versuch. Trotzdem vielen Dank für die Auskunft.«

      Er hatte den Raum verlassen und war wieder auf die Straße getreten. So wie es aussah, würde er nun wohl auf eine große Bergtour verzichten und statt dessen eine kleine Route wählen müssen, die er auch alleine gehen konnte. Davon gab es auch zahlreiche, aber dann würde er natürlich nicht bis zu den Almen aufsteigen können, die oft in über tausend Metern Höhe lagen und sogar noch weiter oben.

      Florian Unger beschloß, sich über diesen Mißerfolg nicht weiter zu ärgern, und erst einmal die Kirche zu besichtigen, wie Ria Stubler ihm geraten hatte.

      Bei dem Gedanken an die Wirtin fiel ihm auch die junge Frau wieder ein, die vor wenigen Minuten ihr Zimmer bezogen hatte. Florian war von ihrem Anblick hin und weg gewesen, und auch jetzt pochte sein Herz schneller, als er an die unbekannte Schöne dachte. Er erinnerte sich an ihre dunklen Augen, die ihn sofort fasziniert hatten.

      Himmel, was für eine Frau!

      Für kurze Zeit war jeder Gedanke an Evelyn Kramer tatsächlich verschwunden…

      Beschwingt ging er den Kiesweg hinauf und öffnete die Kirchentür. Im Vorraum blieb er einen Moment stehen und ließ den Anblick auf sich wirken.

      Er war überwältigend!

      Leider war er nicht alleine, vor dem Altar stand eine Gruppe von Urlaubern, die sich von einem Fremdenführer die Geschichte des Gotteshauses erklären ließen. Fotoapparate klickten, und Blitzlichter zuckten über die teilweise vergoldeten Heiligenfiguren und bunten Kirchenfenster. Ein paar vereinzelte Touristen gingen herum, andere saßen in den Bänken und suchten wohl einen Augenblick der Besinnung.

      Florian wartete, bis die meisten Besucher gegangen waren, bevor er das Kirchenschiff betrat. Langsam ging er umher und schaute sich aufmerksam um. Es war wirklich ein grandioser Anblick, der sich ihm bot. Oft ging er in Kirchen, wenn er irgendwo im Urlaub war, und besichtigte sie. Er konnte sagen, daß das Gotteshaus von St. Johann eines der schönsten war, das er je gesehen hatte.

      Ganz besonders interessierte ihn ein großes Bild, das unter der Galerie hing. Es war das Porträt des Heilands und hieß ›Gethsemane‹, wie ein kleines Schild daneben erklärte. Florian wußte um dieses Kapitel aus der Bibel, in dem Jesus am Abend vor der Kreuzigung im Garten Gethsemane allein wandelte und betete. Dem unbekannten Künstler war es meisterhaft gelungen, das Wissen um die Unabänderlichkeit seines Schicksals im Gesichtsausdruck des Erlösers wiederzugeben.

      Lange stand der junge Bursche vor dem Bild und betrachtete es. Inzwischen war es ganz still geworden, und Florian bemerkte erst jetzt, als er den Kopf wendete, daß er ganz allein in der Kirche war.

      Aber so ganz allein wohl doch nicht, denn aus dem Raum neben dem Bildnis drangen Geräusche. Es war die Sakristei, wie er feststellte, als die Tür geöffnet wurde, und ein Mann heraustrat und ihn mit einem freundlichen Kopfnicken begrüßte.

      Florian staunte. Der Mann war groß und schlank. Er hatte eine durchtrainierte Figur und ein markantes Gesicht, dessen leichte Bräunung darauf schließen ließ, daß der Mann sich häufig im Freien aufhielt. Im ersten Moment hätte Florian ihn beinahe mit einem Schauspieler verwechselt, wären da nicht der Priesterkragen und das kleine Kreuz gewesen, das der Priester am Revers trug.

      »Grüß Gott«, sprach der Mann ihn an. »Ich bin Pfarrer Trenker. Schön, daß Sie sich die Zeit nehmen, sich ein bissel umzuschauen.«

      »Florian Unger«, stellte er sich vor. »Sie haben wirklich eine wunderschöne Kirche. Ich habe schon einige besichtigt und weiß, wovon ich spreche.«

      Der Bergpfarrer schmunzelte.

      »Das glaub’ ich Ihnen gern«, erwiderte er und deutete auf eine Madonnenfigur, die auf einem Holzsockel stand. »Haben S’ denn auch schon unser Prachtstück bewundert?«

      »Aufgefallen ist sie mir schon.« Florian nickte, während sie nähertraten. »Ein herrliches Stück!«

      »Ja, wir sind sehr froh, diese Madonna zu haben. Viele Leute kommen nur ihretwegen her, um sie zu bewundern und zu fotografieren.«

      »In ihrer Schönheit ist sie irgendwie – einmalig.«

      »Das seh ich genauso. Leider wissen wir net, wer sie geschnitzt hat, nur, daß sie schon einige hundert Jahre alt ist.«

      »Dann ist sie doch bestimmt auch sehr wertvoll. Haben Sie keine Angst, daß sie gestohlen werden könnte?«

      Sebastian


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