Der Bergpfarrer Staffel 18 – Heimatroman. Toni Waidacher
war neben sie getreten und hatte seinen Arm um sie gelegt. Adrian beobachtete die Geste lächelnd.
Als Babette neben ihm saß, da hatte er jeden Gedanken an den anderen Mann hinter sich verdrängt. Diese Frau war atemberaubend. Nur kurz hatte er an Bettina gedacht. Die beiden hatten gar nichts gemeinsam, aber jede war auf ihre Art attraktiv.
Nun, das Kapitel Bettina war abgeschlossen, jetzt war er dabei, ein neues aufzuschlagen…
Adrian betätigte die Klingel, die in der Mauer eingelassen war. Nach kurzer Zeit kam ein junger Mann die Freitreppe herunter und öffnete ihnen.
»Grüß Gott und herzlich willkommen auf Schloß ›Hubertusbrunn‹«, sagte er. »Mein Name ist Thomas Moser.«
»Sind Sie der Schloßherr?« erkundigte sich Babette, nachdem sie ihre Namen genannt hatten.
»Ich?« Der Vikar schüttelte lachend den Kopf.
»Nein, ich arbeite nur hier. Ich betreue die Jugendgruppen, die hier im Schloß ihre Freizeiten und Tagungen abhalten. Also, eigentlich arbeite ich in der Kirche, in St. Johann. Aber Pfarrer Trenker hat mich für diese Aufgabe freigestellt. Ihm gehört übrigens ›Hubertusbrunn‹.«
»Pfarrer Trenker ist der Eigentümer?« fragte Florian.
»Ja, da schauen Sie«, schmunzelte der Vikar. »Aber es stimmt. Die Tochter des letzten Eigentümers hat das Schloß Hochwürden geschenkt.«
Thomas Moser führte die Besucher durch das Schloß und erzählte ihnen dabei, wie es zu der Schenkung gekommen war. Es war eine anrührende Geschichte, die von Liebe und Hingabe erzählte, von Trauer und Glück. Der Vikar wußte nicht mehr, wie vielen Leuten er sie schon erzählt hatte, aber er tat es immer wieder.
Die junge Baroneß wuchs als angebliche Pflegetochter einer Magd auf einem Bauernhof hier im Wachnertal auf. Sie wußte nicht, wer ihre wirklichen Eltern waren, die bei einem Autounfall ums Leben kamen.
Als Thomas Moser diese tragische Stelle erwähnte, ahnte er nichts von dem Schicksal, das Babette Mertens hinter sich hatte. Nur Florian war bewußt, was diese Erzählung für eine Wirkung auf die Lehrerin haben mußte. Er war hinter sie getreten und hatte Babettes Hand genommen. Dankbar lächelte sie ihn an.
Pfarrer Trenker verhalf Michaela von Maybach zu ihrem Glück. Die Liebe der Baroneß zu dem Sohn des Anstetterbauern stand unter keinem guten Stern. Da niemand von ihrer Herkunft wußte, wurde allgemein angenommen, daß sie armer Leute Kind sei, und der Bauer wollte für seinen Sohn eine bessere Partie. Zusammen mit der früheren Kinderfrau lüftete der Bergpfarrer das Geheimnis und sorgte dafür, daß die beiden jungen Menschen miteinander glücklich werden konnten. Zum Dank schenkte Michaela ihm das alte Jagdschloß. Der gute Hirte von St. Johann erfüllte sich einen Lebenstraum und machte aus ›Hubertusbrunn‹ eine Begegnungsstätte für Jugendliche aus aller Welt.
»Das ist ja wirklich eine zauberhafte Geschichte«, sagte Babette ganz begeistert.
»Wie Sie sehen, können auch heutzutag’ Märchen wahr werden«, lächelte Thomas Moser.
Sie waren wieder in der unteren Halle angekommen und verabschiedeten sich von dem sympathischen Vikar. Adrian Heller sah Florian herausfordernd an, als sie am Auto standen.
»Nun, haben Sie es sich überlegt?« fragte er. »Besser schlecht gefahren, als gut gelaufen, oder?«
Der junge Chemiker erwiderte seinen Blick. Dann schüttelte er den Kopf.
»Vielen Dank«, sagte Florian steif. »Ich gehe zu Fuß.«
Er schaute Babette an.
»Wollen wir?«
»Überlegen Sie es sich«, sagte Adrian an die Lehrerin gewandt. »Es ist mindestens eine Stunde zu laufen.«
Einen Moment schwankte sie, dann schüttelte Babette den Kopf.
»Es ist wirklich sehr nett«, antwortete sie, »aber ich bin sicher, daß wir es schaffen.«
Enttäuschung machte sich auf dem Gesicht des Börsenmaklers breit, als er einstieg.
Er hatte es sich einfacher vorgestellt, geglaubt, mit dem Auto Eindruck schinden zu können. Aber da mußte er wohl härtere Geschütze auffahren, um diese Festung zu stürmen. Trotzdem winkte er freundlich, als er an ihnen vorüber fuhr.
»Angeber!« sagte Florian verächtlich.
Babette griff nach seinem Arm und drückte ihn.
»Ich glaube, du tust ihm Unrecht«, sagte sie. »Er wollte doch nur nett sein.«
Der? dachte Florian ärgerlich. Ich weiß ganz genau, was der will.
*
Diesmal hielten sie sich an die Karte und kamen wohlbehalten in St. Johann wieder an.
Zähneknirschend hatte Florian zugegeben, daß es seine Schuld war, daß sie sich verlaufen hatten. Babette tröstete ihn damit, daß es ihr nichts ausgemacht habe und es im Gegenteil sehr schön gewesen sei, mit ihm auf der Lichtung zu sitzen…
»Dann bist du mir nicht böse?«
»Aber natürlich nicht.« Sie schüttelte den Kopf und gab ihm einen Kuß.
»Hast du dir überlegt, ob du nachher mit ins Pfarrhaus kommst?«
»Ja«, nickte sie. »Ich bin neugierig auf den Pfarrer.«
Florian freute sich. Er war sicher, daß es ihm und Hochwürden gelingen würde, Babette doch noch zur Teilnahme an der Bergtour zu überreden.
Auf dem Rückweg hatten sie die Reste ihres Proviants verzehrt und verzichteten darauf, zum Mittagessen ins Wirtshaus zu gehen. Außerdem war es inzwischen Nachmittag geworden, und es blieb nicht mehr viel Zeit für ihren Besuch im Pfarrhaus. Die Lehrerin war gerade mit Duschen und Umziehen fertig, als Florian auch schon an ihre Tür klopfte.
»Wir können«, sagte sie.
Draußen auf der Straße hakte sie sich bei ihm unter, und Florian strahlte, als sie ihm einen Kuß gab.
»Grüß Gott, Hochwürden«, sagte er, als Sebastian geöffnet hatte. »Das ist Frau Mertens. Ich hoffe, es ist Ihnen recht, daß ich noch jemanden mitgebracht habe?«
»Freilich«, lächelte der Geistliche und reichte Babette die Hand. »Herzlich willkommen.«
Er begrüßte auch Florian mit Handschlag und führte die beiden Besucher nach draußen in den Pfarrgarten, wo seine Haushälterin den Kaffeetisch gedeckt hatte. Sophie Tappert hatte schon gehört, daß ein weiterer Gast gekommen war, und stellte rasch ein Gedeck hinzu.
Auf dem Tisch stand ein herrlich anzusehender Kuchen. Er war ganz gelb und hatte eine Puderzuckerschicht.
»Das sieht ja lecker aus«, sagte Babette. »Was ist das denn?«
»Ein Eierlikörkuchen«, antwortete Sophie Tappert. »Heut’ morgen erst gebacken.«
Sie schenkte Kaffee ein und schnitt den Kuchen an.
»Der ist wirklich gut!« sagte Florian nach dem ersten Bissen.
Sebastian schmunzelte. »Ein Kuchen, aus der Not heraus geboren«, bemerkte er.
»Aus der Not geboren?« hakte die Lehrerin nach.
Die Haushälterin nickte und erzählte von ihrer Freundin Hertha, die sich darauf spezialisiert hatte, Eierlikör selbst herzustellen und zu verschenken. Offenbar machte ihr die Produktion so viel Spaß, daß sie beinahe jede Woche mit einer hübsch verpackten Flasche ins Pfarrhaus kam.
»So viel können wir gar net trinken«, schmunzelte sie.
Da der Eierlikör nicht so lange haltbar war, hatte Sophie Tappert sich ein Rezept ausgedacht, und seither gab es öfter mal diesen saftigen Eierlikörkuchen zum Kaffee.
»Wirklich lecker!« sagte Babette noch einmal.
»Ihr habt euch also hier in