Chefarzt Dr. Norden Box 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg
sich sagen, noch ehe sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte.
*
»Skalpell!« Ohne den Blick vom Operationsfeld zu wenden, hielt Dr. Norden die Hand auf. Das kühle Metall fühlte sich gut an. Er wog das Instrument kurz in der Hand. Ein letzter Blick zu Dr. Klaiber. Der Anästhesist nickte. Es konnte losgehen. Daniel setzte den Schnitt. Zügig arbeitete er sich vor. Der Zustand seines Patienten war kritisch, jede Minute konnte über Leben und Tod entscheiden. »Muskelschichten eröffnet. Da haben wir ja den Übeltäter.« Er wandte den Kopf. »Schweiß.«
Die Schwester tupfte ihm die glänzenden Perlen von der Stirn. Dr. Norden arbeitete weiter.
»Ich entferne jetzt den Appendix.« Das Piepen und Pfeifen der Überwachungsgeräte lieferten die Musik zu seiner Arbeit. Je nachdem, welcher Arzt die Operation leitete, herrschte mehr oder weniger Schweigen im Operationssaal. Daniel Norden unterhielt sich mit den Kollegen, wenn die Lage unkritisch war. An diesem Abend schwieg er beharrlich. Den Scherz eines Pflegers ahndete er mit einem strengen Blick. Schlinge mitsamt Wurmfortsatz landeten leise klirrend in der Chromschale. Der größte Teil der Operation war geschafft. »Ich ligiere den Stumpf und versenke ihn im Blinddarm.« Das war normalerweise die Stelle, an der der Operateur an den Assistenten übergab. Nicht dieses Mal. Dr. Daniel Norden leitete den Eingriff bis zum Schluss. Erst, als der Bauchschnitt verschlossen war und Dr. Klaiber versicherte, dass der Patient stabil sei, atmete er auf.
»Gute Arbeit, Kollege Norden«, lobte Matthias Weigand, als er im Vorraum des Operationssaals neben Daniel am Waschbecken stand. Zur Feier des Tages spritzte er seinem Freund und Chef Wasser ins Gesicht.
»Hey! Was soll das?« Im ersten Moment wollte Daniel wütend werden. Doch dann besann er sich eines Besseren. Hatte er nicht allen Grund, froh und glücklich zu sein? Die Bilanz am Ende dieses aufregenden Tages las sich doch gar nicht so schlecht. Seine Frau hatte ihre Erinnerungen wiedergefunden. Ein Aneurysma war zur rechten Zeit geplatzt. Ein Blinddarm hatte im richtigen Augenblick rebelliert. Tobias Lichte würde wieder gesund werden. Das gemeinsame Essen mit Frau und Kindern bei ihrem Lieblingsitaliener Enzo? Gut, es konnte nicht alles perfekt sein. Blieb nur die Frage nach seiner Frau. Wo steckte Fee? Daniel trocknete die Hände ab und zog das Mobiltelefon aus der Tasche. Schaltete es ein, um seiner Fee eine Nachricht zu schicken. Ob sie wohl in der Klinik auf ihn gewartet hatte? Ein Piepen überraschte ihn. Eine neue Nachricht!
»Wer schreibt dir denn?«, erkundigte sich Matthias Weigand und warf einen Blick über seine Schulter. »Oh làlà! Der schüchterne Benjamin. Traut er sich nicht, mit dir zu sprechen?«
»Blödmann!« Daniel versetzte seinem Freund einen Ellbogenstoß in die Rippen. Er öffnete die Nachricht.
»Habe Ihre Frau nach Hause begleitet. Netter Versuch. Ihre Familie erwartet Sie bei Enzo. Bis morgen. Grüße, Benjamin Gruber.«
Lächelnd steckte Daniel Norden das Telefon ein. Genau so und nicht anders sah es aus: Das Ende eines perfekten Tages!
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