Butler Parker Staffel 12 – Kriminalroman. Günter Dönges
10.30 Uhr.«
»Donnerwetter«, wunderte sich William P. Petters.
»Es war hell, die Sonne schien«, führte die Sechzigjährige weiter aus, »demnach kann es also kein Vampir gewesen sein, nicht wahr?«
»Das möchte ich nicht sagen«, schränkte der Fachmann sofort wieder ein, wobei seine Augen vor Begeisterung glühten. »An welchem Ort fand dieser Kontakt statt?«
»Der Überfall geschah in einem langen Korridor.«
»Der bestimmt dunkel war, nicht wahr?«
»Düster«, präzisierte die ältere Dame.
»Daran arbeite ich ebenfalls noch«, verkündete William P. Petters, »es muß ein Vampir gewesen sein, der während der vorausgegangenen Nacht nicht rechtzeitig in sein Grab zurückkehren konnte. Solche Vampire überdauern den Tag dann in Kellern oder an dunklen Stellen. Es sind echte Ausnahmen, Mylady. Sie müssen mir mehr darüber erzählen, ich muß das erfassen. Sie gehören zu den Glücklichen, die nur sehr selten zu finden sind.«
»Ein schwacher Trost«, empfand Lady Simpson und schüttelte sich, »das Ungeheuer hätte mich um ein Haar umgebracht.«
»Es muß nicht ganz in Form gewesen sein«, bedauerte William P. Petters.
»Es war in Form«, sagte die resolute Dame nachdrücklich, »anschließend tötete es einen Schauspieler durch einen Biß in die Halsschlagader.«
»Ja, diese Wesen sind sehr zäh«, freute sich William P. Petters sichtlich. »Man kann sich auf sie verlassen. Aber keine Sorge, Mylady, der Vampir, der Sie angefallen hat, wird bestimmt wiederkommen. Wenn Vampire sich mal für ein Opfer entschieden haben, stecken sie nie auf. Meine Statistik beweist das! Sie sollten sich ab sofort sehr in acht nehmen. Der Vampir wird zurückkommen.«
»Und was kann man dagegen tun, Mister Petters?« wollte Parker wissen.
»Oh, das ist eine besondere Spezialität von mir«, antwortete William P. Petters und blühte noch mehr auf, als es ohnehin bereits der Fall war, »ich sage nur Knoblauch, Mylady. Das ist die Wunderwaffe gegen Vampire. Sie werden beeindruckt sein.«
»Wahrscheinlich nicht nur ich«, stellte Agatha Simpson trocken fest, »mehr wohl noch meine Mitmenschen, die mir über den Weg laufen werden!«
*
»Ich habe natürlich überhaupt nichts dagegen, daß Sie sich mit diesem Fall befassen«, sagte Superintendent Needle, ein vergrämt aussehender, großer und hagerer Polizeioffizier, der aber über flinke und schlaue Augen verfügte. »Ich nehme jede Mitarbeit herzlich an, zumal ich von meinen Kollegen weiß, daß Sie hin und wieder sogar Erfolg hatten.«
»Sie Schäker«, raunzte die ältere Dame. Sie hatte Needle in ihrer Stadtwohnung in Sheperd’s Market empfangen und wußte nicht so recht, was sie mit dem Kriminalbeamten anfangen sollte. »Es gibt keinen Fall, den ich nicht gelöst hätte, wenn Mister Parker mir auch ein wenig dabei geholfen hat.«
Parker, der die Drinks servierte, ließ sich natürlich wieder mal nichts anmerken. Das, was Lady Simpson da gerade von sich gab, war eine schamlose Untertreibung. Ohne ihren Butler hätte sie sicher keinen einzigen Fall gelöst. Sie wußte es, Parker wußte es, und auch Superintendent Needle schien es zu wissen, doch Widerspruch erhob sich von keinem der beiden Männer.
»Man hatte Sie, Mylady, in das Westwood-Atelier gebeten, um einen neuen Fall zu lösen?« erkundigte sich Needle fast beiläufig.
»Mister Penwood«, bestätigte Lady Simpson und nickte, »das heißt, er selbst war es nicht, sondern sein Manager.«
»Ein gewisser Morgan Patch«, schaltete der Butler sich gemessen ein und reichte die Drinks. »Mister Penwood wurde vor seinem bedauerlichen Tod von einem Vampir belästigt, was ihn gestört haben muß.«
»Kann man mehr darüber hören?« Superintendent Needle nippte an seinem Drink und schien sich für diesen Fall überhaupt nicht zu interessieren. Man sah ihm deutlich an, daß er am liebsten gegähnt hätte.
»Dieses Scheusal war seit einigen Wochen hinter ihm her«, berichtete die ältere Dame und kippte ihren Kreislaufbeschleuniger hinunter. »Penwood wollte schon vor lauter Angst London den Rücken kehren und die Dreharbeiten platzen lassen.«
»Mylady und meine bescheidene Wenigkeit sollten Mister Penwood vor diesem Vampir beschützen«, sagte Parker.
»Er hätte sich wohl besser an die Polizei gewendet«, meinte Needle wieder beiläufig und sanft. »Vielleicht würde er dann noch leben.«
»Wollen Sie damit etwa sagen, daß Mister Parker und ich …« Lady Simpson legte eine kleine Pause ein, um tief Luft zu holen. Butler Parker fürchtete eine solide Beleidigung und schaltete sich ein.
»Vielleicht können Sie sich jetzt einer gewissen Miß May Purgess annehmen«, sagte er schnell und schob sich vor Lady Simpson. »Besagte junge Dame wird ebenfalls von einem Vampir belästigt, wie wir heute erfuhren.«
»Miß May Purgess?« Needle schien grundsätzlich nicht ins Kino zu gehen, sonst hätte er mit diesem Namen etwas anfangen können.
»Eine überaus reizende Schauspielerin«, erläuterte der Butler.
»Ich begreife nicht, warum die Menschen sich nicht an uns wenden«, beschwerte sich Needle.
»Das wird mit der enormen Tüchtigkeit der Polizei Zusammenhängen«, stichelte die resolute Dame.
»Wenn Sie erlauben, Superintendent, so möchte ich noch hinzufügen, daß Lady Simpson von dem Geldgeber der Westwood-Ateliers um Hilfe gebeten wurde«, lenkte Parker erneut ab, bevor der Polizeioffizier beleidigt sein konnte. »Mylady ist mit diesem Herrn ein wenig bekannt.«
»Und seit wann wird Miß Purgess von einem Vampir belästigt?« fragte Needle.
»Warum begnügen Sie sich mit Informationen aus zweiter Hand?« fuhr die Detektivin den Superintendent an. »Warum fragen Sie nicht Miß Purgess?«
»Das werde ich selbstverständlich noch tun, Mylady.« Needle ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Die Westwood-Ateliers haben sich auf die Herstellung von Horrorfilmen spezialisiert, nicht wahr?«
»Damit ist im Moment das große Geld zu verdienen«, antwortete Agatha Simpson. »Die einzelnen Gesellschaften produzieren am laufenden Band und versuchen, sich gegenseitig auszustechen.«
»Welche Rolle spielen die Westwood-Ateliers in diesem Wettlauf?«
»Sie sind einsame Spitze, haben die besten Schauspieler und die besten Gruseleffekte.« Lady Simpson nickte nachdrücklich. »Nun kommen Sie nur ja nicht auf den Gedanken, Superintendent, hier habe irgendeine konkurrierende Gesellschaft die Hand im Spiel und versuche, die Westwood-Ateliers aus dem Feld zu schlagen.«
»Wäre das wirklich so ausgeschlossen?« Needle sah Agatha Simpson neugierig an.
»Schnickschnack, Superintendent«, fuhr die Gesprächspartnerin ihm prompt über den Schnabel. »Ich würde nicht wagen, das als Romanstoff zu verwenden.«
»Ich verstehe nicht recht, Mylady.«
»Natürlich nicht, das würde mich auch sehr wundern.«
Sie sah ihn verächtlich an. »Ich bin Künstlerin und habe ein Gespür für Zusammenhänge. Vor allen Dingen habe ich den Vampir gesehen, der mein Blut saugen wollte. Nein, nein, Superintendent, ob Sie es nun glauben oder nicht, hier mordet tatsächlich ein Vampir.«
»Natürlich, Mylady«, antwortete Needle bedächtig wie zu einer Irren.
»Unterlassen Sie diesen herablassenden Tonfall«, fauchte die streitbare Dame sofort. »Sie haben es nicht mit einer Schwachsinnigen zu tun.«
»Ganz sicher nicht, Mylady.«
»Ich bin auch nicht verschroben!«
»Bestimmt nicht, Lady Simpson.«
»Ich werde Ihnen diesen Vampir auf einem silbernen