Seewölfe - Piraten der Weltmeere 659. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 659 - Fred McMason


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sagte Ferris Tucker. „Aber einen Ausweg haben wir nicht gefunden. In den Gängen lauern mindestens fünfzig Kerle. Wenn wir die schaffen, dann haben wir noch mal so viele weiter oben vor uns. Ganz zu schweigen von den anderen Wächtern, die sich im Palast und dem Hof aufhalten.“

      Hasard nickte bedächtig.

      „Das weiß ich. Aber wir gehen lieber kämpfend unter, als uns von Elefanten zu Tode trampeln zu lassen oder geköpft zu werden. Ich nehme an, daß ihr alle so denkt. Oder hat jemand noch eine Idee?“

      „Don Juan und Blacky sind noch in Freiheit“, sagte Ben Brighton. „Das ist zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer.“

      Big Old Shane lachte stoßartig auf.

      „Und die stürmen den Palast zu zweit, was? Metzeln alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt und befreien uns. Diesen kleinen Hoffnungsschimmer kannst du getrost abschreiben, Ben. Außerdem werden die beiden von einer ganzen Meute gehetzt. Offenbar haben sie die beiden noch nicht geschnappt, sonst säßen sie längst hier. Juan und Blacky werden sich kaum aus ihrem Versteck wagen.“

      „Jedenfalls werden sie alles unternehmen, was nur möglich ist.“

      Ben verbreitete eine fast stoische Ruhe, die sich auch auf viele andere übertrug. Noch ist es nicht soweit, war seine Devise, und die Zeit konnte nur für sie arbeiten.

      Hasard dachte noch mal an die Wächter zurück. Sie hatten sich in Viererreihen gruppiert und trugen lanzenähnliche Waffen, die sie mit ausgestreckten Armen von sich hielten. Manchmal waren es auch fünf Reihen hintereinander. Es war unmöglich, gegen diese Mauer aus Spitzen anzurennen. Sie hätten sich in ihre Leiber gebohrt, sie wären aufgespießt worden.

      Sie selbst hatten keinerlei Waffen. Man hatte ihnen alles abgenommen, bis auf die Gürtel, die sie um die Hosen trugen. In den Geheimfächern dieser Gürtel, die Will Thorne einstmals genäht hatte, befanden sich Gold- und Silberstücke sowie einige Perlen. Zum Glück hatten die Inder sie nicht entdeckt. Aber Gold und Silber nutzten ihnen in ihrer augenblicklichen Situation herzlich wenig.

      Auch an Bestechung war nicht zu denken. Es waren zu viele Kerle, und man hätte ihnen restlos alles abgenommen.

      Hasard schrak aus seinen Gedanken, als sich knarrend die schwere Tür öffnete. Die anderen sahen ebenfalls gespannt hin.

      Vor der Bohlentür standen die Inder dicht an dicht wie ein uneinnehmbares Bollwerk. In den Händen trugen sie lange, sichelartige Waffen, scharfen Sensen gleich, gekrümmte Bauchaufschlitzer oder scharfe Lanzen.

      Zwischen den grimmig dreinblickenden Wächtern bildete sich eine schmale Gasse. Zwei turbanbewehrte Kerle schleppten einen großen Holzkübel durch die Gasse und stellten ihn auf den Boden. Zwei weitere Inder brachten eine Balje mit Wasser, die sie neben dem Kübel absetzten. In dem Holzkübel befand sich Reis, der noch etwas dampfte.

      Einer der Wasserträger sah Carberry, stutzte und blickte ihn nochmals an. Offenbar hielt er ihn im ersten Augenblick für einen Inder und sagte ein paar Worte zu ihm.

      „Jaja“, sagte der Profos freundlich. „Dich Dummbart soll ebenfalls der Satan holen.“

      Der Kerl blickte in sein Gesicht und zuckte zusammen. Er hatte es ziemlich eilig, zu verschwinden.

      Hasard sah, daß seine Söhne aufmerksam die Inder musterten, als heckten sie etwas aus.

      Sehr lange fiel die Musterung jedoch nicht aus, denn gleich darauf wurde die Tür zugeschlagen, und die Gesichter verschwanden. Das alles hatte etwa zwei Minuten gedauert.

      Carberry blickte in den Kübel mit der klebrigen Masse. Der Reis sah pappig und unappetitlich aus.

      „Wie soll man das Zeug essen? Die Rübenschweine haben die Löffel vergessen.“

      „Dafür wird sich der Padischah gleich bei dir entschuldigen“, meinte der Kutscher. „Sicher läßt er dir sofort aus seinem persönlichen Service einen Goldlöffel bringen. Ich schlage vor, wir essen den Reis einfach mit den Fingern. Der große Kapitän hat ja jedem von uns genügend Werkzeug mitgegeben.“

      „Ich kann Reis nicht ausstehen“, motzte der Profos.

      „Du solltest trotzdem etwas essen“, ermunterte ihn der Kutscher. „Wer weiß, wann wir wieder was kriegen.“

      Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als mit den Fingern zu essen. Aber wenigstens hing an der Balje ein kleiner Holztopf, mit dem Sie das Wasser trinken konnten.

      „Ihr habt vorhin so aufmerksam die Wachen gemustert“, sagte Hasard zu seinen Söhnen. „Was habt ihr dabei überlegt?“

      Hasard junior griff in den Reistopf und aß den Reis so, wie sie es auch bei der Gauklertruppe des Kaliban getan hatten. Der Reis wurde zu einem kugelförmigen Gebilde zusammengepappt und in den Mund gesteckt. Im Orient war das so üblich.

      „Stimmt, wir haben uns etwas überlegt“, erwiderte Jung Hasard kauend. „Und zwar für den Fall, daß wir doch einen Ausbruch wagen.“

      „Da bin ich aber gespannt.“

      „Die Kerle müssen überrascht werden“, erklärte Hasard sachlich. „Phil und ich haben bei Kaliban das Saltoschlagen gelernt.“

      „Stimmt. Ihr könnt wie Kobolde durch die Luft wirbeln. Das kann nicht mal unser Schimpanse Arwenack. Aber was wollt ihr damit bezwecken?“

      „Das ist eben die Überraschung, Sir. Wenn sich wieder die Tür öffnet, nehmen wir einen kleinen Anlauf, einen Überschlag auf dem Boden und anschließend einen Salto. Der katapultiert uns genau berechenbar in die Menge der Wächter. Wir werden etwa in der zweiten oder dritten Reihe mit viel Schwung landen.“

      „Das dürfte etliche Kerle gehörig durcheinanderwirbeln“, erklärte Philip. „Wir gehen mit großer Wucht zwischen sie, werfen etliche von ihnen um und greifen sofort von hinten an. Das ist das einzige, was sie überraschen wird, denn mit einem derartigen Angriff rechnet ganz sicher niemand. Der Rest liegt dann bei euch. Die anderen Kerle werden sich umdrehen, und dann ist die Gelegenheit da.“

      Der Seewolf nickte bedächtig.

      „Das hört sich gut an. Aber selbst wenn wir die Wachen abräumen, haben wir immer noch eine Menge andere gegen uns.“

      „War nur ein Vorschlag. Du hast selbst gesagt, daß wir lieber kämpfend untergehen wollen, als uns Zertrampeln oder köpfen zu lassen.“

      „Ich halte die Idee für gut, sozusagen für umwerfend“, erklärte O’Flynn mit einem verwegenen Grinsen. „Zumindest verspricht das einigen Erfolg.“

      Die anderen waren aufmerksam geworden und hörten gespannt zu. Sie saßen in einem weiten Kreis um den Reiskübel und bedienten sich. Paddy Rogers knetete den Reis zu faustgroßen Bällen und stopfte sich den Hals voll. Es schien ihn nicht zu stören, daß der Reis nicht gewürzt und nicht gesalzen war.

      Der Profos war von der Idee begeistert. Er liebte Überraschungen von besonderer Art und war ganz wild darauf, es den Kerlen zu zeigen. Schließlich saßen sie unschuldig im Verlies und hatten keinem etwas getan. Die Anschuldigung gegen sie war direkt lächerlich, und sie wußten auch nicht, wem sie ihr Dilemma zu verdanken hatten.

      Der Seewolf überlegte nicht lange. Sie wollten und mußten hier raus. Sie hatten nicht die Absicht, ihre Köpfe für eine Sache hinzuhalten, von der sie absolut nichts wußten. Da der Padischah aber ein uneinsichtiger Mann und offenbar allen Argumenten gegenüber verstockt und verschlossen war, mußten sie es mit Gewalt versuchen. Jeder der Arwenacks betrachtete das als sein gutes Recht.

      „Einverstanden“, sagte Hasard. „Das verspricht wirklich, eine Überraschung zu werden. Aber vielleicht solltet ihr das vorher mal probieren. Möglicherweise seid ihr aus der Übung. Ist der Raum überhaupt hoch genug für einen Salto?“

      „Ja, das reicht aus. Und aus der Übung sind wir ganz sicher nicht.“

      Jung Hasard nahm ein paar Reiskörner aus dem Kübel und markierte damit zwei Stellen auf dem Boden. Dort, wo die Reiskörner


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