Mami Bestseller Staffel 3 – Familienroman. Jutta von Kampen
– du?« fragte Katja und schien verwirrt zu sein. »Warum hast du nicht angerufen, daß du kommst?«
»Störe ich?« fragte er heiser.
»Nein – das heißt, ich muß nachher noch mal weg – ich – ich bin eingeladen – ich werde abgeholt.« Sie hielt ratlos inne.
»Also störe ich doch!« brachte er mühsam hervor.
»Mach bitte nicht so ein finsteres Gesicht«, sagte Katja nervös, während sie die Tür zum Wohnzimmer öffnete.
Rainhart ging mit harten Schritten an ihr vorüber. In der Mitte des Zimmers blieb er stehen und wandte sich zu ihr um.
Kathinka hatte ihre Sicherheit wiedergefunden. Mit einem verführerischen Lächeln ging sie auf Arundsen zu und wollte ihm die Arme um den Hals legen.
Er wehrte ihre Bewegung schroff ab.
»Nanu?« sagte sie. »Bekomme ich keinen Kuß?«
»Ich muß mit dir reden!«
»Bitte, setz dich!« sagte sie irritiert.
»Nein«, antwortete Rainhart Arundsen, »wir wollen es kurz machen. Ich glaube, wir haben uns ohnehin nicht mehr sehr viel zu sagen!«
Kathinka wechselte die Farbe. »Was – was meinst du damit?«
Er stand breitbeinig vor ihr. Die Brauen waren finster gerunzelt. »Wer ist Peter Greve?« fragte er knapp.
Kathinka taumelte, es sah aus, als wollte sie umsinken. Sie rang nach Luft und streckte hilfeflehend die Hände aus.
Doch Rainhart rührte sich nicht, um sie zu stützen. »Sprich – wer ist das?«
»Ich weiß nicht, was du von mir willst, Rainer«, stammelte sie. »Weshalb erschreckst du mich so? Ich kenne diesen Peter – Peter Greve nicht!«
Arundsen trat auf sie zu und faßte sie hart bei den Schultern. »Warum lügst du?« herrschte er sie an. »Seit Wochen und Monaten belügst du mich! Bringst du es fertig, mir ins Gesicht zu lügen?«
»Oh, ich wußte, daß du zornig und unberechenbar bist!« rief sie erregt. »Nicht umsonst habe ich immer Angst vor dir gehabt!«
»Die Angst kommt von deinem schlechten Gewissen!« erwiderte Rainhart finster und ließ sie los.
»Ich habe kein schlechtes Gewissen!« antwortete sie flammend. »Was wirfst du mir vor?«
»Ich werfe dir vor, daß du einen beispiellosen Betrug an mir und an unserer Liebe begangen hast! Seit langem spielst du ein doppeltes Spiel! Während du mir nach wie vor deine Liebe versichert hast, warst du längst mit einem anderen Mann befreundet! Und dieser Mann heißt Peter Greve!«
Katja stieß einen gurgelnden Laut aus, dann schnellte sie plötzlich auf Rainhart zu. »Das ist nicht wahr!« rief sie aufgebracht. »Wer hat dir diese Lügen erzählt? Es ist nicht wahr! Nicht wahr! Nicht wahr! Hast du denn kein Vertrauen zu mir?« Sie stand dicht vor ihm. Ihre Stimme wurde leiser und schmeichelnder. Schließlich hob sie zögernd die Hände und legte sie Rainhart auf die Schultern.
Er stieß ihre Hände beiseite.
»Es ist aus, Kathinka«, erwiderte er hart. »Ich habe dich geliebt, aber nun kann ich dich nur noch verachten!«
Sekundenlang stand Kathinka wie erstarrt, dann verzerrte sich ihr Gesicht zu einer bösartigen Grimasse. »Was maßt du dir eigentlich an? Willst du mich verdammen, weil irgend jemand mich verleumdet hat?«
»Niemand hat dich verleumdet. Ich weiß nur endlich die Wahrheit die ganze, furchtbare Wahrheit!« Er schloß einen Augenblick die Augen, weil er glaubte, das alles nicht mehr ertragen zu können.
Vor ihm stand die Frau, die er geliebt hatte und immer noch mit einer schmerzhaften Sehnsucht liebte, doch gleichzeitig mischten sich in das Gefühl brennenden Verlangens Schmerz, Empörung und abgrundtiefe Verachtung.
Kathinka war totenblaß geworden. »Was – weißt – du?«
»Alles! Daß du den anderen liebst, daß du von ihm ein Kind erwartest, das meinen Namen tragen sollte, weil der andere dich nicht heiraten will!« Unbarmherzig schleuderte er ihr seine Anklage ins Gesicht.
»Nein!« schrie Kathinka auf. »Nein, das ist nicht wahr! Er – er war bei dir, nicht wahr? Hat er dir diese Geschichte erzählt? Er lügt! Du darfst ihm kein Wort glauben, Rainer – kein einziges Wort! Er lügt, denn er ist feige und schwach!«
Voll Verachtung sah er auf sie hinab. »Ich dachte, ihn würdest du wenigstens wirklich und ehrlich lieben!«
»Nein, ich liebe ihn nicht! Dich liebe ich – dich allein!«
»Vor einer Stunde hast du ihm das gleiche versichert«, sagte er. »Du hast beteuert, daß der Mann, den du heiraten willst, dir nichts bedeutet, sondern daß deine Liebe Peter Greve gehört!«
Sie wich vor ihm zurück. »Woher weißt du das?« flüsterte sie atemlos.
»Ich saß auf der Terrasse im Hause Theodor Greves. Ich habe alles mit angehört!«
Sie schlug die Hände vor das Gesicht und wandte sich aufschluchzend ab. »Du hast alles falsch verstanden«, murmelte sie leise.
»Erkläre es mir, bitte!«
»Ich – ich kann nicht!« stammelte Kathinka schluchzend. Dann hob sie ihr Gesicht zu ihm empor. »Hast du kein Mitleid mit mir? Du liebst mich doch! Wie kannst du mich so quälen!«
»Ich habe kein Mitleid, und ich liebe dich auch nicht mehr«, antwortete er mit äußerster Beherrschung. »Was du getan hast, ist weder zu verstehen noch zu entschuldigen!« Die Empörung übermannte ihn wieder. »Für uns gibt es keinen gemeinsamen Weg mehr«, sagte er bitter. »Meine Liebe ist tot. Ich selbst bin tot. Du hast alles zerstört, was mir im Leben wichtig war.« Mit einem Blick unsagbaren Schmerzes sah er sie an. »Adieu, Kathinka.« Er wandte sich um und ging hinaus.
Und erst jetzt, als er die Treppe Stufe für Stufe hinunterging, wurde Rainhart Arundsen bewußt, was er verloren hatte. Die Liebe und das Glück waren aus seinem Leben verschwunden. Er war allein und wußte nicht, für wen er weiterleben sollte.
*
Die folgenden Tage waren furchtbar. Mechanisch tat Rainhart Arundsen seine Arbeit, während ihn die schmerzhaftesten Gedanken quälten.
Immer wieder sah er Katja vor sich – Katja, die er geliebt hatte, mit strahlenden Augen und einem verführerischen Lächeln, und dann jene Katja, die ihm mit verzerrter Miene und einem haßerfüllten Blick gegenübergestanden hatte.
Nachts konnte er nicht schlafen. Ruhelos wälzte er sich von einer Seite auf die andere, und der Schmerz um seine verlorene Liebe ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.
Er mußte seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um mit unbewegter Miene die Leute auf dem Gut darüber aufzuklären, daß keine Hochzeit stattfinden würde.
Er begegnete manchem ungläubigen und neugierig forschenden Blick, doch niemand wagte, eine Frage zu stellen.
Nur Johanna, die alte Wirtschafterin, die Rainhart schon als kleinen Jungen gekannt hatte, sagte zögernd, als sie mit dem Majoratsherrn einen Augenblick allein war: »Vielleicht ist es besser für Sie, Herr Arundsen. Sie war nicht wie die Arundsens; sie wäre ewig eine Fremde geblieben.«
Viel schwieriger war es, die geladenen Hochzeitsgäste von der neuen Wendung der Dinge zu unterrichten. Stundenlang saß Rainer an seinem Schreibtisch und dachte über die Formulierungen nach, mit denen er seine Niederlage erklären mußte.
Dann ging er in den Ort zum Pfarrer.
»Nanu, Herr Arundsen – eine knappe Woche vor der Hochzeit, und dann so eine finstere Miene?«
»Es gibt keine Hochzeit!« stieß Rainhart kurz hervor. »Ich bin gekommen, um es Ihnen zu sagen, Herr Pastor!« Er vermied den Blick des Pfarrers.
Pastor