Star Trek - Titan: Kriegsglück. David Mack
»Dann sehen Sie genauer hin.«
Die Herzlosigkeit und der Zynismus von Batanides’ Befehl verärgerten Sarai, doch es stand ihr nicht zu, sich zu beschweren. Zwei Jahre zuvor hatte sie während der Bashir-Andor-Krise Übergangspräsident Ishan Anjar hinter dem Rücken des Admirals wichtige Informationen zugespielt – ein riskanter politischer Zug, der nach hinten losgegangen war, als Anjars kriminelle Vergangenheit ans Tageslicht kam. Er war in Ungnade gefallen, genau wie jeder, der mit seiner Kandidatur für die Präsidentschaft der Föderation zu tun gehabt hatte, einschließlich Sarai. Ihr war klar, dass sie wahrscheinlich in irgendeinem Sackgassenjob in einem Munitionsdepot auf Luna feststecken würde, wenn Batanides sie nicht als Maulwurf auf der Titan rekrutiert hätte.
Doch das bedeutete nicht, dass sie bereit war, Verfehlungen zu erfinden, um die obsessive Vendetta ihrer Vorgesetzten gegen Admiral Riker und die Führungsoffiziere der Titan zu befriedigen.
»Sollte mir in Ausübung meiner Pflicht etwas Verdächtiges auffallen, werde ich es wie befohlen melden.« Insgeheim freute sie sich zu sehen, wie Batanides vor Zorn über ihren passiv-aggressiven Trotz schäumte. Um dem unangenehmen Gespräch zu entkommen, fügte Sarai hinzu: »In zehn Minuten beginnt meine Schicht auf der Brücke. Gibt es sonst noch etwas?«
»Ich erwarte Ihren nächsten Bericht in fünf Tagen.« Admiral Batanides schloss den sicheren Kanal.
Sarai gab die Deaktivierungssequenz in ihr sicheres Komm-Gerät ein, dann deponierte sie es zusammen mit dem Scanstab wieder in seinem Versteck und setzte die Wartungsplatte wieder ein. Sie überprüfte ihr Spiegelbild: Ihre dunklen Haare waren zu einem den Vorschriften entsprechenden Pferdeschwanz gebunden und ihre nach oben geschwungenen Augenbrauen sahen noch immer elegant und wohlgeformt aus. Schließlich holte sie tief Luft, atmete die Anspannung von ihrem Gespräch mit Batanides aus und verbannte damit jegliche Spur von Emotion aus ihren kantigen Gesichtszügen.
Nachdem ihre Maske der Distanziertheit wieder saß, verließ sie ihr Quartier, um einen neuen Tag als Spion im Dienst des Sternenflottengeheimdiensts an Bord des Raumschiffs Titan zu beginnen.
Ranul Kerus Meinung nach gab es kein größeres Geschenk, als an einem neuen Tag zu erwachen.
Sein Weckalarm – sanftes Vogelgezwitscher – erklang um 0615. Erfrischt nach einem perfekten Schlaf öffnete Keru die Augen und sah, dass ihn sein Liebhaber Bowan Radowski von der anderen Seite des Betts anschaute.
»Morgen!«, sagte Keru.
Bowan lächelte. »Hey!«
Es gab um diese frühe Uhrzeit nichts zu besprechen. Es fühlte sich für Keru einfach gut an zu wissen, dass Bowan da war und in diesem Moment den gleichen Raum mit ihm teilte.
Keru rollte sich aus dem Bett und betrat den Wohnbereich ihres gemeinsamen Quartiers – eine kürzliche Veränderung ihrer Lebensverhältnisse, die vom Captain genehmigt und mit freudiger Effizienz vom Quartiermeister umgesetzt worden war. Nachdem sich Keru ein paar Minuten lang gestreckt hatte, um wach zu werden, begann er mit seinem üblichen morgendlichen Training. Laut Chronometer war Donnerstag, also war heute Yoga dran. Jeder Wochentag hatte seinen eigenen Trainingsplan. Am Tag zuvor war es ein flotter Lauf in einer Holodecksimulation der verlorenen Strände von Risa gewesen, am nächsten Tag würden es Aikido-Übungen sein.
Irgendwo zwischen dem Sonnengruß und der Kriegerpose spürte Keru, wie sich seine Sehnen entspannten. Schweißtropfen rollten ihm von der Brust, kitzelten seine Kehle und verschwanden in seinem Bart, während er eine einhändige Baumpose machte. Dieser Handstand war ihm erst nach jahrelanger Übung gelungen und es fiel ihm immer noch schwer, die Pose zu halten. Es war fast eine Erleichterung, als es an der Zeit war, in die Sayanasana-Skorpionpose zu gehen, in der er seinen in die Höhe gestreckten Körper auf den Ellbogen balancierte, die Beine eingeschlagen, während seine Füße auf seinen Kopf zeigten.
Dann fühlte er sich mutig genug, um den Verletzten Pfau zu versuchen – und umzufallen. Eines Tages werde ich das hinbekommen. Er rollte sich in die Ruhehaltung, um sein Training abzuschließen und seine Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Es sah einfach aus – ruhig auf dem Rücken liegen, sich nicht bewegen und still sein. Doch die wahre Herausforderung war der eigene unruhige Geist. Heute zumindest lösten sich Kerus Gedanken im Strom seines Atems auf. Er war hier und jetzt mit sich im Reinen.
Leise Schritte auf dem Teppichboden holten ihn aus seiner Meditation. Bowan schritt über ihn hinweg und fragte ihn auf dem Weg zum Replikator: »Bereit fürs Frühstück?«
»Absolut. Aber es muss schnell gehen. Ich muss vor meiner Schicht noch duschen.«
»Schnell ist gut. Gesund ist besser.« Er aktivierte den Replikator. »Eiweißomelette mit Schweizer Käse, Frühlingszwiebeln und Brokkoli. Pumpernickelbagel, getoastet und gebuttert. Irish Breakfast Tea, heiß.« Als seine Mahlzeit mit einem Aufblitzen von Farbe und einem melodischen Klang Gestalt annahm, fragte er Keru: »Und für dich?«
»Zwei ktarianische Eier, pochiert, auf gedämpftem vulkanischem Seegras. Eine halbe terranische Pink Grapefruit. Raktajino, ungesüßt. Und, weil ich nicht immer perfekt sein kann, ein zibalianisches Blätterteigteilchen.«
Bowan nahm das Tablett mit seinem Frühstück aus dem Ausgabefach, dann wiederholte er Kerus Bestellung. Während er sein Essen zum Tisch brachte, tupfte sich Keru mit einem Handtuch den Schweiß von Gesicht und Armen. Sie aßen ihr Frühstück und plauderten, während Bowan die morgendlichen Nachrichten auf seinem Padd überflog. Als sie fertig waren, warf Keru einen Blick auf das Chronometer und sprang auf. »Ich bin spät dran!«
Er stürmte durch ihr Schlafzimmer und unter die Schalldusche. Auch wenn er es hasste, sich beim Duschen hetzen zu müssen, hasste er es doch mehr, auch nur eine Minute zu spät für eine Schicht auf der Brücke zu sein. In unter neunzig Sekunden war er sauber, zog sich panisch an und erstarrte, als ihm klar wurde, dass etwas fehlte.
»Mein Kommunikator!« Er drehte sich erst in die eine, dann in die andere Richtung. »Hast du meinen …?«
Bowan stand in der Tür des Schlafzimmers und hielt Kerus Kommunikator zwischen zwei Fingern. »Den hast du im Wohnzimmer liegen lassen. Mal wieder.«
Keru schnappte sich den Kommunikator aus der Hand seines Lebensgefährten und gab ihm auf dem Weg zur Tür einen Kuss. »Was würde ich ohne dich machen, Bo?« Über seine Schulter rief er noch: »Bis heute Abend!« Dann war er im Korridor und lief zum nächsten Turbolift.
Jeder, der auf seinem Weg zum Lift an ihm vorbeikam, lächelte ihn an. Er fragte sich, ob sie etwas wussten, das ihm entgangen war. Dann sah er im Vorbeigehen sein Spiegelbild in einer Komm-Konsole und ihm wurde klar, dass ihn alle anlächelten, weil er selbst wie ein Idiot von einem Ohr zum anderen grinste.
Das Glück war an diesem Morgen auf seiner Seite. Die Turbolifttüren standen offen, als er ankam, und er konnte hineinschlüpfen, kurz bevor sie sich schlossen. Er nickte Lieutenant Karen McCreedy von der Technik zu. »Guten Morgen!« Dann sagte er an den Computer gewandt: »Brücke.« Die Bewegung war kaum spürbar, als der Lift aufwärts beschleunigte.
Als Führungsoffizier auf dem Weg zur Brücke hatte sein Ziel Priorität vor dem von McCreedy. So war es auf allen Schiffen der Sternenflotte üblich, doch diesmal fühlte er sich verpflichtet, den Lieutenant verlegen anzusehen und »Entschuldigung« zu murmeln.
Sie schüttelte den Kopf. »Kein Problem, Sir.«
Die Türen öffneten sich mit einem Zischen und Keru betrat die Brücke der Titan. Er erreichte die Sicherheits- und die taktische Konsole, die während der Nachtschicht von Commander Tuvok bemannt worden war. Der Vulkanier nahm Kerus Ankunft mit einem höflichen Nicken zur Kenntnis. »Alle Decks vermelden Sicherheit. Schiffsstatus normal. Keine feindlichen Kontakte innerhalb der Sensorreichweite.«
»Verstanden. Ich löse Sie ab, Commander.«
»Sie haben die Station.« Tuvok trat einen Schritt zurück und übergab Keru die Konsole genau eine Minute vor dem offiziellen Beginn der Alpha-Schicht. Wie üblich hielt er sich danach nicht mehr lange auf der Brücke auf. Er ging geradewegs