Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Friedrich Schiller

Geschichte des dreißigjährigen Krieges - Friedrich Schiller


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ihm übrig zu sein, als schnelle Flucht oder Nachgiebigkeit; zu jener riethen Männer – zu dieser katholische Priester. Verließ er die Stadt, so fiel sie in Feindes Hände; mit Wien war Oesterreich, mit Oesterreich der Kaiserthron verloren. Ferdinand verließ seine Hauptstadt nicht und wollte eben so wenig von Bedingungen hören.

      Der Erzherzog war noch im Wortwechsel mit den deputierten Baronen, als auf einmal Trompetenschall den Burgplatz erfüllte. Unter den Anwesenden wechseln Furcht und Erstaunen – ein erschreckendes Gerücht durchläuft die Burg – ein Deputierter nach dem andern verschwindet. Viele von Adel und der Bürgerschaft hörte man eilfertig in das Thurnische Lager fliehen. Diese schnelle Veränderung wirkte ein Regiment Dampierrischer Kürassiere, welches in diesem wichtigen Augenblick in die Stadt einrückte, den Erzherzog zu verteidigen. Bald folgte auch Fußvolk nach; viele katholische Bürger, durch diese Erscheinung mit neuem Muth belebt, und die Studierenden selbst ergriffen die Waffen. Eine Nachricht, die so eben aus Böhmen einlief, vollendete seine Errettung. Der niederländische General Boucquoi hatte den Grafen Mannsfeld bei Budweiß aufs Haupt geschlagen und war im Anzuge gegen Prag. Eilfertig brachen die Böhmen ihre Gezelte ab, um ihre Hauptstadt zu entsetzen.

      Und jetzt waren auch die Pässe wieder frei, die der Feind besetzt gehalten, um Ferdinanden den Weg nach Frankfurt zur Kaiserwahl zu verlegen. Wenn es dem Könige von Ungarn für seinen ganzen Plan wichtig war, den deutschen Thron zu besteigen, so war es jetzt um so wichtiger, da seine Ernennung zum Kaiser das unverdächtigste und entscheidendste Zeugniß für die Würdigkeit seiner Person und die Gerechtigkeit seiner Sache ablegte und ihm zugleich zu einem Beistande des Reichs Hoffnung machte. Aber dieselbe Kabale, welche ihn in seinen Erbstaaten verfolgte, arbeitete ihm auch bei seiner Bewerbung um die Kaiserwürde entgegen. Kein österreichischer Prinz sollte den deutschen Thron mehr besteigen, am wenigsten aber Ferdinand, der entschlossene Verfolger ihrer Religion, der Sklave Spaniens und der Jesuiten. Dieses zu verhindern, hatte man noch bei Lebzeiten des Matthias dem Herzog von Bayern. und nach der Weigerung desselben dem Herzog von Savoyen die deutsche Krone angetragen. Da man mit dem Letztern über die Bedingungen nicht so leicht einig werden konnte, so suchte man wenigstens die Wahl aufzuhalten, bis ein entscheidender Streich in Böhmen oder Oesterreich alle Hoffnungen Ferdinands zu Grunde gerichtet und ihn zu dieser Würde unfähig gemacht hätte. Die Unierten ließen nichts unversucht, Kursachsen, welches an das österreichische Interesse gefesselt war, gegen Ferdinand einzunehmen und diesem Hofe die Gefahr vorzustellen, womit die Grundsätze dieses Fürsten und seine spanischen Verbindungen die protestantische Religion und die Reichsverfassung bedrohten. Durch Erhebung Ferdinands auf den Kaiserthron, stellten sie weiter vor, würde sich Deutschland in die Privatangelegenheiten dieses Prinzen verflochten sehen und die Waffen der Böhmen gegen sich reizen. Aber aller Gegenbemühungen ungeachtet wurde der Wahltag ausgeschrieben, Ferdinand als rechtmäßiger König von Böhmen dazu berufen und seine Kurstimme, mit vergeblichem Widerspruch der böhmischen Stände, für gültig erkannt. Die drei geistlichen Kurstimmen waren sein, auch die sächsische war ihm günstig, die brandenburgische nicht entgegen, und die entschiedenste Mehrheit erklärte ihn 1619 zum Kaiser. So sah er die zweifelhafteste von allen seinen Kronen zuerst auf seinem Haupte, um wenige Tage nachher diejenige zu verlieren, welche er schon unter seine gewissen Besitzungen zählte. Während daß man ihn in Frankfurt zum Kaiser machte, stürzte man ihn in Prag von dem böhmischen Throne.

      Fast alle seine deutschen Erbländer hatten sich unterdessen in einer allgemeinen furchtbaren Conföderation mit den Böhmen vereinigt, deren Trotz jetzt alle Schranken durchbrach. Am 17. August 1619 erklärten sie den Kaiser auf einer Reichsversammlung für einen Feind der böhmischen Religion und Freiheit, der durch seine verderblichen Rathschläge den verstorbenen König gegen sie aufgewiegelt, zu ihrer Unterdrückung Truppen geliehen, Ausländern das Königreich zum Raube gegeben und es zuletzt gar, mit Verspottung ihrer Volksmajestät, in einem heimlichen Vertrag an die Spanier verschrieben hatte, aller Ansprüche auf ihre Krone verlustig und schritten ohne Aufschub zu einer neuen Wahl. Da Protestanten diesen Ausspruch thaten, so konnte die Wahl nicht wohl auf einen katholischen Prinzen fallen, obgleich zum Scheine für Bayern und Savoyen einige Stimmen gehört wurden. Aber der bittere Religionshaß, welcher die Evangelischen und Reformierten unter einander selbst entzweite, machte eine Zeit lang auch die Wahl eines protestantischen Königs schwer, bis endlich die Feinheit und Thätigkeit der Calvinisten über die überlegene Anzahl der Lutheraner den Sieg davon trug.

      Unter allen Prinzen, welche zu dieser Würde in Vorschlag kamen, hatte sich Kurfürst Friedrich der Fünfte von der Pfalz die gegründetsten Ansprüche auf das Vertrauen und die Dankbarkeit der Böhmen erworben, und unter allen war keiner, bei welchem das Privatinteresse einzelner Stände und die Zuneigung des Volks durch so viele Staatsvortheile gerechtfertigt zu werden schienen. Friedrich der Fünfte war von einem freien und aufgeweckten Geist, vieler Herzensgüte, einer königlichen Freigebigkeit. Er war das Haupt der Reformierten in Deutschland, der Anführer der Union, deren Kräfte ihm zu Gebote standen, ein naher Anverwandter des Herzogs von Bayern, ein Eidam des Königs von Großbritannien, der ihn mächtig unterstützen konnte. Alle diese Vorzüge wurden von der calvinistischen Partei mit dem besten Erfolge geltend gemacht, und die Reichsversammlung zu Prag erwählte Friedrich den Fünften unter Gebet und Freudenthränen zum König.

      Alles, was auf dem Prager Reichstag geschah, war ein zu vorbereitetes Werk, und Friedrich selbst war bei der ganzen Verhandlung zu thätig gewesen, als daß er von dem Antrage der Böhmen hätte überrascht werden sollen. Dennoch erschreckte ihn der gegenwärtige Glanz dieser Krone, und die zweifache Größe des Verbrechens und des Glücks brachte seinen Kleinmuth zum Zittern. Nach der gewöhnlichen Art schwacher Seelen wollte er sich erst durch fremdes Urtheil zu seinem Vorhaben stärken; aber es hatte keine Gewalt über ihn, wenn es gegen seine Leidenschaft ausfiel. Sachsen und Bayern, wo er Rath verlangt hatte, alle seine Mitkurfürsten, alle, welche diese Unternehmung mit seinen Fähigkeiten und Kräften abwogen, warnten ihn vor dem Abgrund, in den er sich stürze. Selbst König Jakob von England wollte seinem Eidam lieber eine Krone entrissen sehen, als die geheiligte Majestät der Könige durch ein so schlimmes Beispiel verletzen helfen. Aber was vermochte die Stimme der Klugheit gegen den verführerischen Glanz einer Königskrone? Im Augenblick ihrer höchsten Kraftäußerung. wo sie den geheiligten Zweig eines zweihundertjährigen Regentengeschlechts von sich stößt, wirft sich ihm eine freie Nation in die Arme; auf seinen Muth vertrauend, wählt sie ihn zu ihrem Führer auf der gefährlichen Bahn des Ruhms und der Freiheit; von ihm, ihrem gebornen Beschützer, erwartet eine unterdrückte Religion Schutz und Schirm gegen ihren Verfolger – soll er kleinmüthig seine Furcht bekennen, soll er feigherzig Religion und Freiheit verrathen? Eben diese Nation zeigt ihm die Ueberlegenheit ihrer Kräfte und die Ohnmacht ihres Feindes – zwei Drittheile der österreichischen Macht gegen Oesterreich bewaffnet und einen streitbaren Bundesgenossen von Siebenbürgen aus bereit, den schwachen Ueberrest dieser Macht noch durch einen feindlichen Angriff zu theilen. Jene Anforderungen sollten seinen Ehrgeiz nicht wecken? diese Hoffnungen seinen Muth nicht entzünden?

      Wenige Augenblicke gelassenen Nachdenkens würden hingereicht haben, ihm die Größe des Wagestücks und den geringen Werth des Preises zu zeigen – aber die Aufmunterung sprach zu seinen Sinnen, und die Warnung nur zu seiner Vernunft. Es war sein Unglück, daß die zunächst ihn umgebenden und hörbarsten Stimmen die Partei seiner Leidenschaft nahmen. Diese Machtvergrößerung ihres Herrn öffnete dem Ehrgeiz und der Gewinnsucht aller seiner pfälzischen Diener ein unermeßliches Feld der Befriedigung. Dieser Triumph seiner Kirche mußte jeden calvinischen Schwärmer erhitzen. Konnte ein so schwacher Kopf den Vorspiegelungen seiner Räthe widerstehen, die seine Hilfsmittel und Kräfte eben so unmäßig übertrieben, als sie die Macht des Feindes heruntersetzten? den Aufforderungen seiner Hofprediger, die ihm die Eingebungen ihres fanatischen Eifers als den Willen des Himmels verkündigten? Astrologische Träumereien erfüllten seinen Kopf mit chimärischen Hoffnungen; selbst durch den unwiderstehlichen Mund der Liebe bestürmte ihn die Verführung. »Konntest du dich vermessen,« sagte die Kurfürstin zu ihm, »die Hand einer Königstochter anzunehmen, und dir bangt vor einer Krone, die man freiwillig dir entgegenbringt? Ich will lieber Brod essen an deiner königlichen Tafel, als an deinem kurfürstlichen Tische schwelgen.«

      Friedrich nahm die


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