Alexis. Karl Immermann
bis zur Flucht getrieben, um den Arm
Des Kaisers zu gewinnen für die Sache
Notschreinder Fürstensöhne! – Ha, es war
Nicht Recht! – Wer aber wagt, mir's vorzuwerfen?
Ich kam zurück, hab's eingestanden!
EUPHROSYNE.
Nahmst
Großmütig alles auf dein Haupt. Wart Ihr
Der einz'ge Schuldige?
ALEXIS nach einer Pause.
Ich war es nicht.
Es sannen andre mit mir. Heimlich lief,
Gleich einem stillen Feu'r, mein Name durch
Des Reiches Adern. Was da litt und grollte,
War mein Vasall. Genug davon. Du weißt's.
Geh hin. Gib's an.
EUPHROSYNE.
Mitunter denk' ich, hier
Könn' ich auch dazu kommen. Laßt, ich bitt' Euch,
Die Briefe mich verbrennen.
ALEXIS.
Von der Mutter?
Tu's; wenn es dich beruhigt.
EUPHROSYNE.
Gleich geschieht's.
Sie will fort.
ALEXIS hält sie zurück.
Es soll nicht sein. In ihren Zügen lacht
Durch allen wilden Schmerz, und durch den Frevel
Verwegner Plane, wie ein Götterantlitz
Die ganze Zärtlichkeit der Mutter. Mich
Erkiest sie drin zum Ritter ihres Unglücks;
So hat die Mutter ihren Sohn geehrt!
Zwei Menschen lieb ich auf der Welt,
Dich und die Mutter! Jeder Strohhalm ist,
Den Eure Finger rührten, heilig mir.
O wenn ein teures Haupt geschieden ist,
Dann möchten wir das Stäubchen selbst besitzen,
Auf das der Fuß des lieben Toten trat. –
Sie stirbt doch einst! Die Briefe meiner Mutter
Solln nicht verbrannt sein. Still von dieser Not,
Wenn du mich liebhast. Von 'ner andren: Hör,
Ich hab dir lang was sagen wollen. Heut
Ist's neu emporgeregt.
EUPHROSYNE.
Was meint Ihr, Prinz?
Alexis sieht starr vor sich hin.
Nein, sprecht denn auch. Ihr starrt hinaus, Ihr macht
Mir durch das Schweigen bang.
ALEXIS.
Die Welt ist ja
Nur eine Hölle! – – Ha, wozu das Tröpfchen
Von Freude in dem Ozean der Qual? –
Ich bitt' dich, liebe Euphrosyne, sei
Nicht bös, tu' ich dir weh.
Er tritt zu ihr und berührt ihr Haupt.
Senk deine Augen!
Seh' ich in die, vermag ich's nicht. – – Es ist
Durchaus bei mir entschieden. – Einz'ge Liebe:
Du mußt mich heute noch verlassen!
EUPHROSYNE.
Prinz?
ALEXIS.
Du mußt mich heute noch verlassen, Mädchen!
Sei still, und blick nicht auf. – Als ich dich fand
In deiner Fischerhütt', ein köstlich Perlchen
Am Meer, da dacht' ich: willst die Perle fassen
Ins Diadem, daß sie der Neid des Stolzen,
Die Lust der Guten sei, des Herrschers Wonne.
Und nahm die Perle auf vom Strand des Meers,
Und wahrte sie am Busen ...
EUPHROSYNE.
Alexis!
ALEXIS.
Anders
Ist es gekommen! – Meine Perle liegt
In eines Bettlers Hütte!
Fluch dem, der seine Lieb' zu sich erniedrigt!
Ich wollte dich erhöhn, das konnt' ich nicht,
Erniedrigt dich zu sehn, das duld' ich nicht:
Du mußt mich heute noch verlassen, Kind!
EUPHROSYNE.
Seid Ihr zu End'?
ALEXIS.
Er hat gewagt, vor deinem,
Vor der Geliebten Auge, Hand an mich
Zu legen! Er, der Knecht, der in dem Staub
Sich vor Alexis winden müßte, gäb's
Noch Väter, welche ihre Söhne höh'r,
Als ihre Grillen hielten – –
Vor deinen Augen, die vom Glanz der Majestät
Geblendet, schwimmend zucken müßten, staunend:
Ob dieser Glänzende Alexis sei?
Vor deinen Augen schändet mich der Knecht!
Das darf nicht wiederkehren! Geh hinaus,
Verlaß den Kreml. O glaube, niemand hält dich,
Sprichst du: »Auch ich lass' jetzt den Zarewitsch«.
Zeuch einsam, stumm die Straße bis zum Meer,
Wo deine Hütte steht! Dort birg dich, Liebe,
Und harr' ein Weilchen! Bald, bald kommen Träume,
Trosthelle Träume dir. Vom großen Prinzen
Alexis, der in Macht und Herrlichkeit
Saß auf der Väter Stuhl; und – der dich lieber
Gehabt, als all' die Macht und Herrlichkeit! –
Er umfaßt sie.
Willst du wohl wandern gehn, daß bald so schöne,
So sanfte Träume kommen?
EUPHROSYNE.
Ich verlange
Nach Träumen nicht, mein Wachen ist mir süß.
Verbannte Fürsten suchen Einsamkeit,
Und leben dort in Frieden. Frischer grünt
Das Blatt des Baums, die Blume duftet würz'ger,
Kann Blatt und Blume einen König trösten.
Alexis! Deines Mädchens Brust ist nur
Ein Gärtlein, wird dir Rußland nicht ersetzen!
Doch