Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac


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muß, um auf der Schau­büh­ne der Welt, des Ho­fes, des Sa­lons oder des Thea­ters auf­zu­tre­ten, daß es aber noch schwe­rer ist, zur rech­ten Zeit ab­zu­tre­ten. Da­her ver­dop­pel­te er in dem Win­ter, der dem Re­gie­rungs­an­trit­te Karls X. folg­te, im Ve­rein mit sei­nen drei Söh­nen und sei­nen Schwie­ger­söh­nen sei­ne An­stren­gun­gen, um in den Sa­lons sei­nes Hau­ses die bes­ten Par­ti­en, die sich in Pa­ris und un­ter den Be­su­chern aus den De­par­te­ments bo­ten, zu ver­sam­meln. Der Glanz sei­ner Fes­te, der Lu­xus sei­nes Spei­se­saals und sei­ne mit Trüf­feln ge­würz­ten Di­ners ri­va­li­sier­ten mit den be­rühm­tes­ten Fest­ta­feln, durch die sich die da­ma­li­gen Mi­nis­ter die Stim­men ih­rer par­la­men­ta­ri­schen An­hän­ger si­cher­ten.

      Der eh­ren­wer­te De­pu­tier­te wur­de da­her als ei­ner der ein­fluß­reichs­ten Ver­der­ber der par­la­men­ta­ri­schen Ehr­lich­keit der be­rühm­ten Kam­mer be­zeich­net, die an ei­ner Ma­gen­ver­stim­mung zu Ende zu ge­hen schi­en. Ein merk­wür­di­ger Um­stand! Die Ver­su­che, sei­ne Toch­ter zu ver­hei­ra­ten, er­hiel­ten ihn auf­fal­lend in Gunst. Vi­el­leicht be­saß er ins­ge­heim ein Mit­tel, um sei­ne Trüf­feln zwei­mal zu ver­kau­fen. Aber die­se An­schul­di­gung von Sei­ten ge­wis­ser li­be­ra­ler Spöt­ter, die mit ih­rem Wort­schwall über ih­ren ge­rin­gen An­hang in der Kam­mer hin­weg­täu­schen woll­ten, fand kei­ner­lei An­klang. Das Ver­hal­ten des poi­tou­er Edel­manns war ein so durch­aus vor­neh­mes und eh­ren­haf­tes, daß kein ein­zi­ger der An­grif­fe, mit de­nen die bos­haf­ten Zei­tun­gen in die­ser Epo­che die drei­hun­dert Stim­men des Zen­trums, die Mi­nis­ter, die Kö­che, die Ge­ne­ral­di­rek­to­ren, die Eß­fürs­ten und die of­fi­zi­el­len Ver­tei­di­ger des Mi­nis­te­ri­ums Villèle zu über­häu­fen pfleg­ten, ge­gen ihn laut wur­de.

      Am Ende die­ser Kam­pa­gne, wäh­rend der Herr von Fon­taine mehr­mals alle sei­ne Trup­pen auf­ge­bo­ten hat­te, glaub­te er, daß dies­mal die Ver­samm­lung von Be­wer­bern von sei­ner Toch­ter nicht mehr wie ein Blend­werk an­ge­se­hen wer­den wür­de. In­ner­lich emp­fand er eine ge­wis­se Ge­nug­tu­ung dar­über, daß er sei­ne Va­ter­pflicht ge­treu er­füllt hat­te. Nach­dem er sol­che Mühe auf­ge­wendet hat­te, hoff­te er, daß sich un­ter so viel Her­zen, wie dies­mal der lau­nen­haf­ten Emi­lie dar­ge­bo­ten wür­den, we­nigs­tens ei­nes fän­de, das sie aus­zeich­nen wür­de. Nicht im­stan­de, die­se An­stren­gun­gen noch ein zwei­tes­mal zu ma­chen, und im üb­ri­gen durch das Be­neh­men sei­ner Toch­ter er­schöpft, be­schloß er ge­gen Ende der Fas­ten­zeit ei­nes Mor­gens, als die Kam­mer­sit­zung sei­ne An­we­sen­heit nicht all­zu dring­lich er­for­der­te, mit ihr zu re­den. Wäh­rend ein Kam­mer­die­ner kunst­voll auf sei­nem gel­ben Schä­del das Del­ta aus Pu­der ab­grenz­te, das zu­sam­men mit den her­ab­hän­gen­den Tau­ben­flü­geln die ehr­wür­di­ge Fri­sur ver­voll­komm­ne­te, be­fahl Emi­li­ens Va­ter, nicht ohne eine ge­wis­se Auf­re­gung, sei­nem al­ten Kam­mer­die­ner, dem stol­zen Fräu­lein zu mel­den, daß es so­fort vor dem Fa­mi­li­en­haup­te er­schei­nen möch­te.

      »Jo­seph,« sag­te er, als sei­ne Fri­sur be­en­det war, »neh­men Sie die Ser­vi­et­te fort, zie­hen Sie die Vor­hän­ge vor, stel­len Sie die Ses­sel an ih­ren Platz, schüt­teln Sie den Ka­min­tep­pich aus und le­gen Sie ihn recht or­dent­lich wie­der hin und ma­chen Sie al­les sau­ber. Vor­wärts! Und dann ma­chen Sie das Fens­ter auf und las­sen Sie et­was fri­sche Luft her­ein.«

      Der Graf traf noch ver­schie­de­ne An­ord­nun­gen, die Jo­seph au­ßer Atem brach­ten, der, die Ab­sicht sei­nes Herrn ver­ste­hend, die­sem im gan­zen Hau­se na­tur­ge­mäß am meis­ten un­or­dent­li­chen Zim­mer ei­ni­ge Fri­sche ver­lieh, und dem es schließ­lich ge­lang, et­was Har­mo­nie in die Hau­fen von Rech­nun­gen, Map­pen, Bü­cher und Mö­bel in die­sem Hei­lig­tum zu brin­gen, wo die Ge­schäf­te der kö­nig­li­chen Do­mä­ne ab­ge­wi­ckelt wur­den. Als Jo­seph end­lich ei­ni­ge Ord­nung in die­ses Cha­os ge­bracht und, wie in ei­nem Ma­ga­zin von Neu­hei­ten, die Din­ge, die am er­freu­lichs­ten an­zu­se­hen wa­ren oder durch ihre Far­be dem bu­reau­mä­ßi­gen An­strich einen poe­ti­schen Hauch ver­lei­hen konn­ten, in den Vor­der­grund ge­rückt hat­te, blieb er mit­ten in dem La­by­rinth von Pa­pier­mas­sen, die stel­len­wei­se bis auf den Tep­pich her­un­ter her­um­la­gen, ste­hen, be­wun­der­te sein Werk, schüt­tel­te den Kopf und ver­schwand.

      Der arme Si­ne­ku­ren­in­ha­ber teil­te die gute Mei­nung sei­nes Die­ners nicht. Be­vor er sich in sei­nem rie­si­gen Lehn­ses­sel nie­der­ließ, warf er einen miß­traui­schen Blick um sich, prüf­te mit un­zu­frie­de­ner Mie­ne sei­nen Haus­rock, ent­fern­te ei­ni­ge Ta­bakss­pu­ren von ihm, putz­te sich sorg­sam die Nase, leg­te die Schau­feln und Feu­er­zan­gen zu­recht, schür­te das Feu­er, zog sei­ne Pan­tof­feln her­auf, nahm sei­nen klei­nen Zopf, der sich quer zwi­schen die Kra­gen der Wes­te und des Haus­rocks ge­scho­ben hat­te, her­aus und ließ ihn ge­ra­de her­ab­hän­gen; dar­auf feg­te er die Asche des Ka­mins zu­sam­men, die des­sen hart­nä­cki­ges Ver­sa­gen be­zeug­te. Dann nahm der alte Herr end­lich Platz, nach­dem er noch ein letz­tes­mal sich in sei­nem Zim­mer um­ge­se­hen hat­te, und hoff­te, daß nun nichts mehr An­laß zu den eben­so lus­ti­gen wie un­be­schei­de­nen Be­mer­kun­gen ge­ben könn­te, mit de­nen sei­ne Toch­ter sei­ne wei­sen Ratschlä­ge zu be­ant­wor­ten pfleg­te. Dies­mal woll­te er sei­ne vä­ter­li­che Wür­de nicht be­ein­träch­ti­gen las­sen. Zier­lich nahm er eine Pri­se Ta­bak und hus­te­te mehr­mals, als ob er sich zum Spre­chen an­schick­te, denn er ver­nahm den leich­ten Schritt sei­ner Toch­ter, die jetzt, eine Me­lo­die aus dem ›Bar­bier‹ träl­lernd, her­ein­trat.

      »Gu­ten Mor­gen, lie­ber Va­ter; was wün­schen Sie denn so früh von mir?«

      Nach die­sen Wor­ten, die wie ein Re­frain zu ih­rem Lie­de klan­gen, um­arm­te sie den Gra­fen, nicht mit der zärt­li­chen Ver­trau­lich­keit, die ein so sü­ßer Aus­druck kind­li­chen Emp­fin­dens ist, son­dern mit der ober­fläch­li­chen Gleich­gül­tig­keit ei­ner Mätres­se, die über­zeugt ist, daß al­les, was sie tut, Freu­de macht.

      »Mein lie­bes Kind,« sag­te Herr von Fon­taine wür­dig, »ich habe dich ru­fen las­sen, um sehr ernst­haft mit dir über dich und dei­ne Zu­kunft zu re­den. Es ist jetzt eine Not­wen­dig­keit ge­wor­den, daß du einen Gat­ten wählst, der dir ein dau­er­haf­tes Glück ver­hei­ßen kann …«

      »Lie­ber Va­ter,« un­ter­brach ihn Emi­lie und gab ih­rer Stim­me den schmei­chelnds­ten Klang, »mir scheint, daß der Waf­fen­still­stand, den wir be­züg­lich mei­ner Be­wer­ber ge­schlos­sen ha­ben, noch nicht ab­ge­lau­fen ist.«

      »Emi­lie, wir wol­len heu­te über eine so wich­ti­ge An­ge­le­gen­heit nicht scher­zen. Schon seit ei­ner ge­wis­sen Zeit ver­ei­ni­gen alle, die dich wirk­lich lieb­ha­ben, ihre An­stren­gun­gen, um dich an­ge­mes­sen zu ver­hei­ra­ten, und es wäre un­dank­bar von dir, über die­se Be­wei­se von In­ter­es­se, die nicht nur ich an dich ver­schwen­de, so leicht hin­weg­zu­ge­hen.«

      Nach die­sen Wor­ten und nach­dem sie ih­ren spöt­tisch prü­fen­den Blick über das Mo­bi­li­ar des vä­ter­li­chen Zim­mers hat­te hin­lau­fen las­sen, nahm das jun­ge Mäd­chen sich einen Ses­sel, der noch am we­nigs­ten von Bitt­stel­lern ab­ge­nutzt er­schi­en, schob ihn an die an­de­re Sei­te des Ka­mins, so daß sie


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