Das kommt nicht wieder. Georg Markus
die Kaiserin ihr Gesicht in der Öffentlichkeit hinter Schirmen, Schleiern und Fächern. Sie war 61 Jahre alt, als sie am Ufer des Genfer Sees ermordet wurde.
Auf der Flucht
»Sisis« Schloß auf Korfu
Kaum etwas haßte sie mehr, als auf ihrer Trauminsel Korfu Besucher empfangen zu müssen. Selbst Griechenlands König Georg I. wurde zurückgewiesen, als er sich im Herbst 1888 bei der Frau des österreichischen Kaisers auf Korfu ansagte. Zuerst ließ ihm »Sisi« ausrichten, daß sie just »in den nächsten Tagen abwesend« sei. Da der Monarch nicht lockerließ und der Kaiserin erklärte, er würde in einigen Wochen noch einmal nach Korfu kommen, log sie ihm vor, daß sie auch dann »in der Ferne weilen« werde. Daraufhin hörte man nichts mehr von dem königlichen Besuch.
»Sisi« hatte Korfu unter anderem zu ihrem Domizil erwählt, weil sie die Einsamkeit suchte, auf gut deutsch: ihre Ruh’ haben wollte. Sie war erstmals 1861, im Alter von 23 Jahren, hierher gereist und hatte sich auf Anhieb in die ionische Insel verliebt. Korfu, schwärmte sie, sei »ein idealer Aufenthalt; Klima, Spaziergänge im endlosen Olivenschatten, herrliche Meeresluft, prachtvoller Mondenschein«. Kaum wieder in Wien, kehrte sie – angeblich aus gesundheitlichen Gründen – sofort nach Korfu, dem »schönsten Punkt der Welt«, zurück. In ihrer ständigen Begleitung: 33 Diener und anderes Personal sowie eine aus Österreich mitgebrachte Ziege, die die Kaiserin mit frischer Milch zu versorgen hatte. »Sisi« blieb gleich ein halbes Jahr auf der Insel.
Und kam überhaupt nur deshalb wieder nach Wien, weil der Kaiser sie immer wieder dazu drängte. Elisabeth wurde Griechenland-Fan, studierte Alt- und Neugriechisch, las Homer, vertiefte sich in die griechische Mythologie.
Vorerst hatte sie sich in der Villa Brailla eingemietet, doch in ihren letzten Lebensjahren erfüllte sich ihr Wunschtraum: ein eigenes Schloß auf der Insel zu besitzen.
1885 beauftragte sie Alexander von Warsberg, den österreichischen Konsul in Korfu, mit der Planung eines Königspalastes nach antikem Vorbild. Er baute eine pompejanisch-klassizistische Villa mit Terrassen und Säulengängen aus weißem Marmor, viel Stuck und – damals sensationeller – elektrischer Beleuchtung. In dem märchenhaften, von Zypressen gesäumten Park wurden Statuen für die göttliche Venus, für Apoll, für ihren Lieblingsdichter Heinrich Heine und für Trojas großen Helden Achill – nach dem das Schloß auch benannt wurde – errichtet. »Ich liebe ihn«, schrieb sie und sah Achill in der Phantasie als ihren eigentlichen Gemahl. Der echte »eigentliche« Gemahl, Kaiser Franz Joseph, durfte den Palast indes aus seiner Privatschatulle bezahlen.
Die längst geplanten Bauarbeiten begannen knapp nach dem tragischen Tod des Kronprinzen Rudolf – der dann auch eine Statue erhielt – im Jahre 1889. Als Elisabeth einmal durch den Park – der einen herrlichen Blick zum Meer freigibt – schlenderte, sagte sie zu ihrer Tochter Marie Valerie, daß sie »an dieser Stelle begraben sein möchte«.
Ein Wunsch, der nicht in Erfüllung gehen sollte.
Doch kaum war das so sehnsüchtig herbeigesehnte, etwas kitschig ausgefallene Achilleion fertig, ließ sie, typisch für ihre Sprunghaftigkeit, ihren Griechischlehrer Christomanos wissen: »Eigentlich bereue ich es jetzt. Unsere Träume sind immer schöner, wenn wir sie nicht verwirklichen.« Plötzlich empfand sie den Gedanken, einen Palast nur für sich zu besitzen, als Fessel, die sie zu sehr an einen Ort band. So schrieb sie an Franz Joseph, sie wollte den Besitz verkaufen und das Geld ihrer Tochter schenken. Der Kaiser riet ab, zumal Marie Valerie »auch ohne Erlös für Dein Haus nicht verhungern und die Sache überdies zu viel Staub aufwirbeln würde«. Elisabeth behielt das Schloß, doch die Aufenthalte wurden seltener, die Rastlose war mehr denn je, fast pausenlos, unterwegs.
1907, neun Jahre nach ihrer Ermordung in Genf, kaufte der deutsche Kaiser Wilhelm II. das Achilleion, in dem er bis 1914 seine Urlaube verbrachte, wobei er die meisten der von Elisabeth errichteten Statuen wieder entfernen ließ. Im Ersten Weltkrieg diente der Palast den französischen und den serbischen Truppen als Hauptquartier und als Lazarett. Dem Vertrag von Versailles folgend, ging das Schloß nach 1919 in den Besitz des griechischen Staates über, im Zweiten Weltkrieg diente es dann wieder als Lazarett – diesmal für Deutsche und Italiener. Heute beherbergt das einstige Achilleion der Kaiserin Elisabeth ein Museum und ein Spielcasino.
Der Erzherzog und das Ballettmädel
Die Tragödie des Johann Orth
So ergreifend die Geschehnisse einer Fernsehserie namens Schloßhotel Orth auch sein mögen, die Wahrheit um den echten – früheren – Besitzer des Schlosses ist um einiges aufregender. War doch Erzherzog Johann Salvator, der sich Johann Orth nannte, eine der außergewöhnlichsten Gestalten der österreichischen Geschichte. Der Erzherzog hatte als Neunzehnjähriger bei einem Besuch der Hofoper die Ballettänzerin Ludmilla »Milli« Stubel kennengelernt und aus Liebe zu ihr auf Titel und Vermögen verzichtet. Die Liaison führte zu einem Skandal von gigantischem Ausmaß: der aus der toskanischen Linie der Habsburger stammende Prinz wurde von seinem Onkel, Kaiser Franz Joseph, in entlegenste Garnisonen strafversetzt, nahm aber seine »Ballettratte«, wie Milli bei Hof verächtlich genannt wurde, selbst nach Lemberg, Temesvar und Krakau mit. Alle Anordnungen des Kaisers, sich von dem ganz und gar nicht »hoffähigen« Mädchen zu trennen, blieben erfolglos, der Erzherzog wollte von der Geliebten nicht lassen.
Abgesehen davon galt der überaus intelligente, belesene und schöngeistige Sohn des einstigen Großherzogs von Toskana auch als »politisch unzuverlässig«: Johann Salvator rebellierte – obwohl er es selbst bis zum Feldmarschalleutnant gebracht hatte – ständig gegen die Armee, forderte Reformen und veröffentlichte unter diversen Pseudonymen (die aber alle enttarnt wurden) kritische Kommentare, die vor allem gegen den »sinnlosen Drill« beim Heer gerichtet waren.
Im Dezember 1889, wenige Monate nach der Tragödie von Mayerling, eskalierten die ständigen Auseinandersetzungen mit dem Kaiser: Nachdem er sich eigenmächtig als künftiger Regent Bulgariens ins Spiel gebracht und damit einen neuerlichen Skandal hervorgerufen hatte, setzte Johann Salvator einen Schritt, den in der jahrhundertelangen Geschichte der kaiserlichen Familie noch kein Angehöriger getan hatte. Der Erzherzog teilte dem Monarchen mit, daß er »darauf verzichte, weiterhin Mitglied des Hauses Habsburg zu sein, und fortan den bürgerlichen Namen Johann Orth tragen« wollte – abgeleitet von jenem Schloß in Gmunden, das er zwölf Jahre lang besessen und bewohnt hatte.
Die Entstehungsgeschichte der alten Wasserburg Orth ist übrigens sagenumwoben: Eine adelige Frau sei vor bald tausend Jahren im Traunsee in einen Sturm geraten und habe in höchster Lebensgefahr das Gelübde getan, als Dank für ihre Rettung an dieser Stelle eine Seeinsel samt Schloß zu bauen. Dieses, im Jahre 1100 erstmals erwähnt, stand lange im Besitz des Rittergeschlechts von Orth. 1634 fast völlig abgebrannt und danach wieder aufgebaut, diente die Festung im Lauf ihrer wechselvollen Geschichte als Adelspalast, Kerker und Forstschule (niemals jedoch als Hotel).
Zurück zu Johann Orth, dem prominentesten Schloßherrn. Geradezu erleichtert akzeptierte Franz Joseph dessen Wunsch, auf Titel und Ehren verzichten zu wollen, doch mußte sich dieser verpflichten, nie wieder österreichischen Boden zu betreten.
»Herr Orth«, wie er sich nun nannte, verließ die Monarchie und heiratete in London seine Milli. Sein bisher so romantisches Leben fand jetzt aber einen tragischen Ausklang. Der Erzherzog, der auch auf seine jährliche Apanage in Höhe von 100 000 Gulden verzichtet hatte, mußte einen Beruf ergreifen, um sein Leben finanzieren zu können. Zweifellos hatte er sich alles einfacher vorgestellt, als es sein sollte, wurden doch dem »verstoßenen« Habsburger überall Prügel vor die Füße gelegt. Während er nun die österreichische Staatsbürgerschaft ablegen mußte, wurde die Erteilung der von ihm angestrebten schweizerischen abgelehnt. »Ich verfluche die Stunde, in der ich als Erzherzog geboren wurde«, sagte er, »und beneide jeden, der bürgerlicher Abstammung ist.«
Johann Orth wurde Spediteur und kaufte den Frachtdampfer St. Margaretha, mit dem er bei seiner ersten Ausfahrt Zement von Hamburg nach Chile