C'est la vie. Peter Turrini

C'est la vie - Peter Turrini


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ein Geräusch.

      Es klang wie Jammern und Reiben.

      Wie Weinen und Stoßen.

      Wie Keuchen und Drücken.

      Es wurde immer heftiger

      und erfüllte den dunklen Raum.

      Es klang als würde mein Vater schlagen.

      Es klang als würde meine Mutter erschlagen.

      Dieser Kampf endete mit einer plötzlichen Stille.

      Ich hielt den Atem an

      und drückte die Hand auf meine Brust.

      Das laute Pochen meines Herzens

      durfte mich nicht verraten.

      9.

      Beim Durchsehen der alten Fotos

      fällt mir auf

      daß alle Abgebildeten

      lächeln.

      Die ganze Familie

      steht vor der Baracke

      in der es kein Wasser

      und kein Klo gab

      und lächelt.

      Das liegt am Vogerl.

      Im Augenblick des Fotografiertwerdens

      springt ein Vogerl aus der Linse

      und sagt: Nicht bewegen.

      Lächeln.

      10.

      Was ich mir wünsche:

      Daß er mich an der Hand nimmt.

      Daß er mit mir zum Bauern Milch holen geht.

      Daß er in der Kirche neben mir sitzt.

      Daß er sich mitten unter die Bauern setzt

      und auf den Tisch haut.

      Daß er zum Elternsprechtag geht.

      Daß er mir antwortet

      wenn ich ihn etwas frage.

      Daß ich einen Vater habe

      den ich herzeigen kann.

      Mein Vater war ein Italiener.

      Er sprach wenig.

      Ging nie fort.

      Sperrte sich in seine Werkstätte ein

      und schnitzte Barockstühle und Madonnen.

      Selbst in der Heiligen Nacht

      wenn alle Bauernkinder an der Hand ihrer Väter

      zur Christmette gingen

      blieb er in der verschlossenen Werkstatt

      und arbeitete.

      Was ich mir noch immer wünsche:

      Daß ich ihn endlich treffe.

      11.

      Die Kindheit

      ist ein schreckliches Reich.

      Die Hände

      die dich streicheln

      schlagen dich.

      Der Mund

      der dich tröstet

      brüllt dich an.

      Die Arme

      die dich hochheben

      erdrücken dich.

      Die Ohren

      die dir zuhören

      verstehen alles falsch.

      Die Decke

      die dich wärmt

      gehört deinem älteren Bruder.

      Die Wand

      der du ein farbiges Zeichen von dir gibst

      wird einmal im Jahr übermalt.

      Der Satz

      den du endlich sagst

      ist kindisch.

      Wenn du mit deinen Sätzen und Zeichen

      woanders hingehen willst

      dann heißt es

      das geht die fremden Leute nichts an.

      Wohin soll ich gehen

      wenn die eigenen Leute

      so fremd zu mir sind?

      Ich gehe nirgendwohin.

      12.

      Mein erster Versuch, die Zuneigung der Dorfbuben durch das Erzählen von Geschichten zu erlangen, schlug fehl. Die Geschichte vom mutigen Knaben, der eine Katze aus dem brennenden Haus rettete, hatte wenig Sinn in einer Welt, in der es darum ging, einer Katze einen benzindurchtränkten Fetzen an den Schwanz zu binden und ihn anzuzünden. Mut gab es, aber man konnte nicht von ihm erzählen, man mußte ihn beweisen. Der Heuwagen stand vor der Tenne, ich stand oben am Giebel, die Kinder schauten erwartungsvoll zu mir hinauf. Die Geschichten meiner Mutter hatten mich verlassen, ich mußte springen.

      13.

      Nach dem Kriege

      roch es in unserer Baracke

      nach Omo und Urin.

      Der Klokübel stand in der Küche

      aber nur der Vater

      durfte ihn benutzen.

      Die Kinder

      können ja hinaus in den Hof gehen.

      Sie müssen sogar in den Hof gehen

      wenn der Vater auf den Kübel gehen muß.

      14.

      In der Volksschule änderte sich die Situation. Der Umgang mit der Sprache, die Bildung, bekam einen Wert, weil sie vom Lehrer gefordert wurde. Ich half meinen Mitschülern, variierte das Aufsatzthema »Mein schönstes Ferienerlebnis« immer wieder, sagte ein, wenn ein Mitschüler auf die Frage des Lehrers keine Antwort wußte. Ich tat dies mit der Bösartigkeit des Vorzugsschülers, der so laut einsagt, daß der Lehrer wohl merkt, wer hier eigentlich der Wissende ist. Es war eine hilflose Rache, die mir wenig einbrachte. Die Klassenkollegen brauchten mich, aber sie verachteten mich, den Besserwisser.

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      15.

      Unser Nachbar

      Herr Hudelitz

      erschoß sich

      mit einem

      Schlachtschußapparat.

      Der Gemeindesekretär

      Herr Fischer

      erhängte sich

      neben einem

      Hitlerbild.

      Auf meine Fragen

      antwortete meine Mutter


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