Das Gute leben. Clemens Sedmak
Hier trat ein Wesen in ihr Leben, das nicht in allem, wie sie es gewohnt war, mit intellektuellen Werkzeugen kontrolliert werden konnte, ein Kind, dem Kategorien wie „Leistung“ oder „Erfolg“ nicht das bedeuteten, was die Gesellschaft zu vermitteln trachtete. Durch Henry eröffneten sich Wachstumschancen im Leben von Frau Professor Adams, Wachstumschancen, die man weniger in den Klassenzimmern und Hörsälen vorfindet.
Diese Wachstumschancen sind nicht nur willkommene Gäste. Auch das Gute, das Issa in die Welt brachte, ist bedroht. Dies hatten Martha und John Beck erfahren: Sie schrieben beide ihre Doktorarbeit an der Eliteuniversität Harvard. Als Martha mit ihrem Sohn Adam schwanger wurde und ihm Trisomie 21 diagnostiziert wurde, war die einhellige Reaktion des Universitätsumfeldes: „Wo ist das Problem?“ Der Doktorvater kündigte sogar seine Zusammenarbeit für den Fall auf, dass Adam geboren werden sollte, weil die Geburt eines Kindes mit Trisomie 21 ein klares Votum gegen Wissenschaft und Karriere darstellen würde und er nicht seine Zeit mit derlei halbherzigen Studierenden verschwenden wolle … Er sagte: „Ich will ganz offen sein: Sie müssen mit Ihrer Dissertation weitermachen; das sollte Ihr einziger Fokus sein – und nicht die Sorge um ein defektes Kind, das nicht einmal geboren werden muss.“
Wenn Menschen mit großer Bewunderung von Harvard sprechen, das in der Regel die Universitätsranglisten der Welt anführt, muss ich meistens an Adam Beck denken und daran, dass Kategorien wie „Karriere“ oder „Fairness“ in eine Richtung weisen, die von Adam (und auch Henry und auch Issa) wegführen. Martha Beck beschreibt eine Erfahrung mit ihrem drei Jahre alten Sohn Adam, die auch nicht mit diesen Kategorien vermessen werden kann: Sie hatte einen anstrengenden und frustrierenden Tag mit einer wieder einmal erfolglosen Sprachtherapie mit Adam hinter sich; sie brachte ihre aufgeweckten Kinder müde und deprimiert in ein Geschäft, damit sie sich etwas aussuchen konnten, nur damit sie still sind. Ihre Tochter nahm Süßigkeiten, Adam wählte aus einem Korb mit Rosen eine Rose. „Bist du sicher, dass du das willst?“, fragte sie ihn, „es ist nichts Süßes, nichts zum Essen.“ Adam nickte und beharrte auf der Rose. Am nächsten Morgen erwachte Martha und hörte die kleinen Füße Adams den Gang zu ihrem Schlafzimmer entlang gehen. Er hatte eine Vase in der Hand, in die er die Rose gegeben hatte. Martha war erstaunt, sie hatte nicht gedacht, dass Adam einen Begriff von Vasen hatte, wozu sie eigentlich dienten. Adam kam zu ihrem Bett und reichte ihr die Rose in der Vase. „Hier“, sagte er laut und deutlich.
Ich möchte in diesem schmalen Buch über das Gute nachdenken, darüber, worum es im Leben eigentlich geht. Issa Grace wird uns dabei begleiten.
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