"...von dem müden Haupte nehm' die Krone ich herab". Gabriele Praschl-Bichler


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äußert: »Frau v. Feifalik ist bei der Abreise von Corfu wieder krank geworden und wurde hier vom Bahnhofe ins Schloß in einem Wagen der Rettungsgesellschaft transportirt, es geht ihr aber schon so weit besser, daß sie Morgen die Frisur der Kaiserin mit dem Diadem wird machen können. Es ist ein Elend, wenn man so vom Befinden, manchmal auch von den Launen einer Person abhängt!« (Ofen, 2. Mai 1896)

      In einem leicht spöttelnden Ton nahm Kaiser Franz Joseph schon zwei Jahre früher auf die labile Gesundheit der Friseuse Bezug, die mit ihrem Kränkeln sicherlich Elisabeth nachahmte: »Sehr glücklich war ich, durch ein Telegramm Berzeviczys Deine (der Kaiserin) Ankunft in Corfu zu erfahren, nach ruhiger Seereise, daher wird auch die schöne Franzi (Feifalik) noch keine Seekrankheit gelitten haben.« (Brief Kaiser Franz Josephs an seine Gemahlin aus Landskron vom 6. September 1894)

      Nach dem Durchkämmen der Haare flocht Franziska Feifalik unter den kritischen Blicken der Herrscherin die kunstvollen Kronenfrisuren, die bei festlichen Anlässen und Hofbällen mit Diamantsternen, einer Kamelienblüte oder Agraffen geschmückt wurden und die zu ihrer Zeit von den Damen der Gesellschaft – vor allem aber von den Schwestern Elisabeths, die in Italien, Frankreich und Deutschland lebten – kopiert wurden. Wenn sich die Kaiserin nach vollendetem Werk von ihrem Stuhl erhob, sank die Friseuse unter einem feierlich gehauchten »Zu Füßen Eurer Majestät ich mich lege!« in einen tiefen Kniefall, um in dem ewigen Ränkespiel zwischen ihr und Kaiserin Elisabeth die untergebene Rolle zumindest anzudeuten.

      Während des Frisierens trug Franziska Feifalik weiße Handschuhe, die Nägel mußten kurz geschnitten und die Finger unberingt sein. Diese Idee hatte Kaiserin Elisabeth vom Hoffriseur der französischen Kaiserin Eugénie, der Gemahlin Napoleons III., übernommen. Der französische Haarkünstler hieß Leroi und zählte zu den Meistern seines Fachs. Seine Kundinnen entstammten der Aristokratie und dem gehobenen Bürgertum, von denen eine einmal im Vorraum seines Ladens ihrer Zofe klagte, daß sie es als sehr unangenehm empfände, wenn der Friseur mit seinen Händen nacheinander in die Haare der verschiedensten Kundinnen griff, um danach auch an ihr Haar zu fassen.

      Leroi, der zufällig Ohrenzeuge des Gesprächs geworden war, nahm sich den Vorwurf zu Herzen und erstand einige Dutzend Paar Glacéhandschuhe für sich und die Angestellten seines Frisiersalons, ließ jedes Paar mit dem Namen einer Kundin versehen und seine Klientel fortan nur noch behandschuht betreuen. Kaiserin Eugénie, die von den Künsten Lerois gehört hatte und die auch die neue Idee, mit den Handschuhen frisiert zu werden, begeistert aufnahm, ernannte Leroi zu ihrem Leibfriseur, der sie in Hinkunft überallhin begleitete.

      Kaiserin Elisabeth, die mit Kaiserin Eugénie ausschließlich in modischen Belangen Kontakt hielt, übernahm sofort die neue Methode mit den Handschuhen, die künftighin jeder, der an ihr Haar faßte, zu tragen hatte. Auch die drei Kammerfrauen, die allabendlich die kaiserliche Zopfkrone entflochten, kämmten Elisabeth behandschuht. Das offene Haar wurde der zu Bett gehenden Kaiserin einer Schleppe gleich nachgetragen und anschließend am oberen Ende des Bettes vorsichtig ausgebreitet. Mit einer Kopfrolle im Nacken verbrachte die Kaiserin – einer Statue gleich unbeweglich liegend – die Nacht. Das sollte verhindern, daß die Haarsträhnen sich verwirrten oder daß sich ein Haar aus der Fülle löste und »starb«.

      Ein- oder zweimal im Monat – gemäß den Aufzeichnungen der Nichte der Kaiserin, Marie Larisch-Wallersee, einmal, gemäß den Tagebucheintragungen des Griechischlehrers, Constantin Christomanos, zweimal – jeweils an einem Freitag, fand die Haarwäsche statt. An diesem Tag hatte das gesamte Kammerpersonal zur Verfügung zu stehen, und niemand, selbst Franz Joseph nicht, durfte die Kaiserin sprechen. Elisabeth, die die Haarwaschrituale kokett mit der Bemerkung »Ich bin die Sklavin meiner Haare!« einzuleiten pflegte, trug während der Zeremonie einen eigens dafür gefertigten, wasserdichten, bodenlangen Mantel. Franziska Feifalik bereitete eine Waschmischung aus etwa dreißig rohen Eidottern und Franzbranntwein. Dieses Shampoon wurde mit einem Pinsel auf die über einen Tisch ausgebreiteten Haarsträhnen aufgetragen und mußte eine Stunde lang einwirken. Danach wurde das Haar mit warmem Wasser gewaschen und mit dem Sud von ausgekochten Walnußschalen nachgespült. Eine letzte Spülung mit Rosenwasser beendete das Waschprogramm. Etliche Stubenmädchen nahmen die Kaiserin mit vorgewärmten Mousseline-Tüchern in Empfang, um das Haar zu frottieren oder warme Luft zuzufächern.

      Bemerkungen über die Haarwaschtage ziehen sich durch die »Familienliteratur« (Tagebücher und Korrespondenzen) wie ein roter Faden: »Einmal im Monat wurden Elisabeths schwere kastanienbraune Zöpfe mit rohem Ei und Branntwein gewaschen und nachher mit einem ›Desinfektionsmittel‹, wie sie es nannte, abgespült. Nach der Waschung ging die Kaiserin in einem langen, wasserdichten Seidenmantel auf und nieder, bis ihr Haar getrocknet war. Die Frau, die das Amt der Friseurin übte, sah man nie ohne Handschuhe … Die Ärmel ihres weißen Kleides trug sie ganz kurz. Es ist durchaus keine Sage, daß die Haare auf Tante Sissis Kopf numeriert waren.« (Wallersee, S. 53 f.) Auch im Briefwechsel zwischen Kaiser Franz Joseph und seiner Gemahlin finden sich Bemerkungen über die Haarwaschtage, mitunter durchkreuzten sie sogar die Pläne des Kaisers, wie aus einem Brief an Katharina Schratt hervorgeht, der man wegen eines unaufschiebbaren Haarpflegetermins ein nur an einem bestimmten Tag mögliches, gemeinsames Essen zu dritt absagen mußte.

      Auch bei Christomanos finden sich diesbezügliche Eintragungen: »Heute hat mich die Kaiserin erst um 4 Uhr nachmittags zu sich rufen lassen, anstatt um 11 Uhr mit mir nach Schönbrunn auszufahren. Der ganze Vormittag war der Waschung des Haares gewidmet worden. Dies geschieht alle 14 Tage. Deswegen trug sie das Haar jetzt offen über den Rücken, damit es trocken würde. Ihr Anblick in solcher Gestalt, wenn sie die Krone aufgelöst hat und nicht mehr die Stirn unter ihrem Gewicht neigen muß, ist womöglich noch anmutiger und dabei majestätischer, ihrem wahren Wesen angemessener.« (ders., S. 53)

      Das Waschprogramm mußte mit dem seelischen Zustand der Kaiserin harmonieren. Abweichungen wurden wie viele dieser kleinen Rituale des Alltags vom Kaiser sorgfältig festgehalten: »Der deutlichste Beweis, wie krank Du warst, ist für mich, daß Du dir erst jetzt zum ersten Male seit Wien den Kopf waschen ließest, aber daß Du es bereits thun konntest, ein erfreuliches Zeichen, daß es Dir wirklich besser geht.« (aus einem Brief des Kaisers an seine Gemahlin – Wien, 11. Februar 1898)

      Im Mai 1898 weilte Kaiserin Elisabeth für die Dauer einer Kur in Bad Brückenau, weshalb an die Kurverwaltung der Auftrag erging, bei den Bauern der Umgebung einhundert frische Eier zu ordern, die die Kaiserin damals für den angesetzten Haarwaschtag benötigte. Außerdem mußte ein Eimer reinsten Wassers, das der Apotheker von Bad Brückenau in einem mehrstündigen Vorgang zu destillieren hatte, um die gewünschte Qualität anbieten zu können, bereitgestellt werden. Der letzte große Haarwaschtag fand am 7. September 1898 (drei Tage vor dem Tod der Kaiserin) im Hotel Caux bei Montreux statt.

      Als Kaiserin Elisabeth sich anläßlich der Trauung (in Stellvertretung) ihrer Schwester Marie Sophie, der späteren Königin von Neapel und nachmaligen Heldin von Gaeta, im Jahr 1858 in Triest aufhielt, bezog sie im alten Regierungsgebäude einige für sie vorbereitete Räume. Der damalige Statthalter Baron Mertens und seine Gemahlin überboten sich im Diensteifer für die Kaiserin. Als eines Tages die mitgeführte Friseuse Franziska Feifalik unwohl war, so daß sie ihre künstlerische Tätigkeit nicht ausüben konnte, ereiferte sich das Ehepaar Mertens in der Suche nach einer würdigen Ersatzfriseuse. Ein einheimisches, geschicktes Mädchen wurde gefunden, das das Haar der Kaiserin mit angstvoller Sorgfalt kämmte, da sie gehört hatte, daß jedem ausgegangenen Haar viel Bedeutung beigemessen wurde. Mit zitternden Händen strich sie mit dem Kamm durch das dichte Haar der Kaiserin und hegte plötzlich den innigen Wunsch, ein, zwei Haare zur Erinnerung an den Tag behalten zu wollen. Nach Beendigung der Arbeit wollte sie sich von keinem der am Kamm haftenden Haare trennen, die sie auf der Silbertasse des Toilettetischs ablegen sollte, sondern steckte sie alle mit einem kühnen Griff in den Mund. Die Kaiserin, die das Manöver in einem Spiegel mitverfolgt hatte, verwunderte sich darüber und fragte das Mädchen nach dem Zweck dieser Tat. Die ertappte Friseuse warf sich daraufhin, um Verzeihung bittend, auf die Kniee und gestand ihr unwiderstehliches Verlangen, zur Erinnerung an den Tag kaiserliches Haar behalten zu wollen. Elisabeth, die darüber gerührt war, antwortete mit einer für sie einzigartigen Geste: sie nahm die Silberschere vom Toilettetisch, schnitt aus der Haarfülle eine Locke heraus und überreichte sie dem in Tränen aufgelösten Mädchen


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