Eucharistische Anbetung. Anneliese Herzig

Eucharistische Anbetung - Anneliese Herzig


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werden – eine Gegenwart, die so lange andauert, wie die Gestalten von Brot und Wein Bestand haben21, kommt von der Feier des Opfers her und bereitet auf die sakramentale und die geistliche Kommunion vor22. Es obliegt den Hirten, zur Pflege des eucharistischen Kultes zu ermutigen, auch durch ihr persönliches Zeugnis, insbesondere zur Aussetzung des Allerheiligsten sowie zum anbetenden Verweilen vor Christus, der unter den eucharistischen Gestalten gegenwärtig ist23.

      Es ist schön, bei ihm zu verweilen und wie der Lieblingsjünger, der sich an seine Brust lehnte (vgl. Joh 13,25), von der unendlichen Liebe seines Herzens berührt zu werden. Wenn sich das Christentum in unserer Zeit vor allem durch die ‚Kunst des Gebetes‘24 auszeichnen soll, wie könnte man dann nicht ein erneuertes Verlangen spüren, lange im geistlichen Zwiegespräch, in stiller Anbetung, in einer Haltung der Liebe bei Christus zu verweilen, der im Allerheiligsten gegenwärtig ist? … Von dieser Praxis, die das Lehramt wiederholt gelobt und empfohlen hat25, geben uns zahlreiche Heilige ein Beispiel. … Die Eucharistie ist ein unermesslicher Schatz: Nicht nur ihre Feier, sondern auch das Verweilen vor ihr außerhalb der Messe gestattet uns, aus der Quelle der Gnade zu schöpfen“ (Nr. 25).

      Zum Jahr der Eucharistie (Oktober 2004 bis Oktober 2005) lud Papst Johannes Paul II. im Schreiben Mane nobiscum Domine zu einer wahrhaft „eucharistischen Spiritualität“ (Nr. 10) ein und hält fest:

      „Wenn die Frucht dieses Jahres auch nur in der Verlebendigung der Feier der Sonntagsmesse und in der Förderung der eucharistischen Anbetung außerhalb der heiligen Messe in allen christlichen Gemeinschaften bestünde, hätte dieses Gnadenjahr ein bedeutsames Ergebnis erreicht“ (Nr. 29).

      Auch im nachsynodalen Schreiben Sacramentum Caritatis von Papst Benedikt XVI. aus dem Jahr 2007 findet sich ein Abschnitt über die Verehrung der Eucharistie außerhalb der Messe. Er hebt die Einheit zwischen liturgischer Feier und Anbetung hervor. Gleichzeitig werden die sozialen Implikationen der eucharistischen Verehrung für ein „eucharistisch“ geprägtes Leben angesprochen:

      „Der Akt der Anbetung außerhalb der heiligen Messe verlängert und intensiviert, was in der liturgischen Feier selbst getan wurde: ‚Nur im Anbeten kann tiefes und wahres Empfangen reifen. Und gerade in diesem persönlichsten Akt der Begegnung mit dem Herrn reift dann auch die soziale Sendung, die in der Eucharistie enthalten ist und nicht nur die Grenze zwischen dem Herrn und uns, sondern vor allem auch die Grenzen aufreißen will, die uns voneinander trennen‘“26 (Nr. 66).

      Bei seinem Besuch in Altötting 2006 wandte sich Papst Benedikt XVI. an Ordensangehörige und Priester mit folgenden Worten, in denen mehr der Aspekt persönlichen vertrauensvollen Gebetes angesprochen wird:

      „Ich darf […] ein schönes Wort von Edith Stein, der heiligen Mitpatronin Europas, zitieren, die in einem Brief geschrieben hat: ‚Der Herr ist im Tabernakel gegenwärtig mit Gottheit und Menschheit. Er ist da, nicht seinetwegen, sondern unseretwegen: weil es seine Freude ist, bei den Menschen zu sein. Und weil er weiß, dass wir, wie wir nun einmal sind, seine persönliche Nähe brauchen. Die Konsequenz ist für jeden natürlich Denkenden und Fühlenden, dass er sich hingezogen fühlt und dort ist, sooft und solange er darf‘ (Gesammelte Werke VII, 136f). Lieben wir es, beim Herrn zu sein. Da können wir alles mit ihm bereden. Unsere Fragen, unsere Sorgen, unsere Ängste, unsere Freuden, unsere Dankbarkeit, unsere Enttäuschungen, unsere Bitten und Hoffnungen. Da können wir es ihm auch immer wieder sagen: Herr, sende Arbeiter in deine Ernte. Hilf mir, ein guter Arbeiter in deinem Weinberg zu sein.“27

      Auch für Papst Franziskus zählt die (eucharistische) Anbetung zu den großen Schätzen der römisch-katholischen Kirche. Er sieht in ihr unter anderem eine wichtige Motivationsquelle für das christliche Engagement und warnt – mit Berufung auf Papst Johannes Paul II. – vor einer privatistischen Spiritualität. In Evangelii gaudium(2013)28 schreibt er:

      „Vom Gesichtspunkt der Evangelisierung aus nützen weder mystische Angebote ohne ein starkes soziales und missionarisches Engagement noch soziales oder pastorales Reden und Handeln ohne eine Spiritualität, die das Herz verwandelt. Diese aufspaltenden Teilangebote erreichen nur kleine Gruppen und haben keine weitreichende Durchschlagskraft, da sie das Evangelium verstümmeln. Immer ist es notwendig, einen inneren Raum zu pflegen, der dem Engagement und der Tätigkeit einen christlichen Sinn verleiht (vgl. Propositio, 36). Ohne längere Zeiten der Anbetung, der betenden Begegnung mit dem Wort Gottes, des aufrichtigen Gesprächs mit dem Herrn verlieren die Aufgaben leicht ihren Sinn, werden wir vor Müdigkeit und Schwierigkeiten schwächer und erlischt der Eifer. Die Kirche braucht dringend die Lunge des Gebets, und ich freue mich sehr, dass in allen kirchlichen Einrichtungen die Gebetsgruppen, die Gruppen des Fürbittgebets und der betenden Schriftlesung sowie die ewige eucharistische Anbetung mehr werden. Zugleich ‚gilt [es], die Versuchung einer intimistischen und individualistischen Spiritualität zurückzuweisen, die sich nicht nur mit den Forderungen der Liebe, sondern auch mit der Logik der Inkarnation […] schwer in Einklang bringe ließe‘ (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo Millennio ineunte, Nr. 52). Es besteht die Gefahr, dass einige Zeiten des Gebets zur Ausrede werden, sein Leben nicht der Mission zu widmen, denn die Privatisierung des Lebensstils kann die Christen dazu führen, zu einer falschen Spiritualität Zuflucht zu nehmen“ (EG 262).

      So bleibt am Ende ein zwiespältiger Eindruck zurück: Zum einen sind da die Empfehlungen des kirchlichen Lehramts und die neue Blütezeit in geistlichen Bewegungen und Gemeinschaften, zum anderen sind da vielerorts „Leerstellen“ im pfarrlichen Alltag. Auch ökumenische Rücksichten mögen hie und da zur Zurückhaltung mahnen. Die theologische Reflexion wird manchmal rasch übersprungen, um gleich zur schon gewohnten Praxis überzugehen.

      WAS DIESES BUCH (NICHT) WILL

      Dieses Buch will keine Modelle für die Gestaltung eucharistischer Anbetungsstunden anbieten. Hierzu gibt es eine Reihe von Werkbüchern, und auch einige Diözesen haben Handreichungen herausgegeben. In ihnen finden sich auch hinreichend die liturgischen Vorschriften wiedergegeben. Meine Überlegungen fußen zwar auf theologischen Einsichten, wollen und können aber keine – notwendig verkürzt bleibende – umfassende Theologie der Eucharistie und der mit ihr verbundenen Verehrung außerhalb der Messe sein. Ich strebe auch keine erschöpfende Darstellung der Weisen der Verehrung der Eucharistie an. Deshalb wird das Fest Fronleichnam kein eigenes Thema sein und es wird nicht um Sakramentsprozessionen oder eucharistische Kongresse gehen. Was aber dann?

      •Es ist mir ein Anliegen, die theologischen Grundlagen in Erinnerung zu rufen, auf denen alleine so etwas wie eucharistische Anbetung möglich ist. Meine Überzeugung ist, dass diese so auch neu an Profil gewinnen kann. Dabei möchte ich versuchen, die komplexen theologischen Zusammenhänge für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen.

      •Der Fokus ist das verweilende Gebet des Einzelnen vor der Eucharistie. Dabei spielt die so genannte „Aussetzung“, also die „Ausstellung“ der konsekrierten Hostie in der Monstranz oder einem anderen Schaugefäß, dann eine Rolle, wenn es um die Anschaulichkeit geht. Was die innere Qualität angeht, sehe ich das Gebet vor dem geschlossenen Tabernakel ihm gleich.

      •Eucharistie ist Sakrament der Kirche und darauf ausgerichtet, Kirche aufzubauen. Diese Offenheit auf Gemeinschaft hin soll auch das Gebet des Einzelnen vor Jesus in der Eucharistie prägen.

      •Wie schon damals in meiner theologischen Diplomarbeit mit Karl Rahner angemerkt, kann es beim Gebet vor den eucharistischen Gestalten nicht (nur) um eine „unverbindliche Unterhaltung mit dem audienzgewährenden Herrn“ gehen.29 Vielmehr hat dieses Gebet, wie ich zeigen möchte, seine eigene, spezifische Dynamik. Freilich möchte ich damit niemanden gering achten, der oder die einfach gerne vor dem Tabernakel sitzt und das Herz ausschüttet. Aber, so habe ich damals geschrieben: Es wird „die Grundintention des Beters sein müssen, sich auf das Mysterium der Eucharistie einzulassen; ist er dazu nicht bereit, wird eucharistische Anbetung zur Farce. … Zumindest punktuell sollte er sich … wieder bewusst werden, dass er vor dem eucharistischen Herrn betet und dass es Ziel seines Gebetes ist, tiefer in das Mysterium der Eucharistie einzudringen und auch sein Leben davon durchwirken zu lassen.“30


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