Funkelsee – Flucht auf die Pferdeinsel (Band 1). Ina Krabbe

Funkelsee – Flucht auf die Pferdeinsel (Band 1) - Ina Krabbe


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dass dies vermutlich Arno von Funkelfeld war. Bevor sie etwas sagen konnte, redete der Mann gleich weiter. »Du musst Malu sein. Tante Gesine hat erzählt, dass du dich um das Pferd meiner Mut­ter kümmerst. Meine Tochter Lenka reitet auch. Ihr werdet euch bestimmt prima verstehen.« Mit diesen Worten schob der Mann sie in die Stallgasse und eilte über den Schlosshof davon. So hatte Malu sich das Gespräch mit Arno von Funkelfeld aber nicht vorgestellt, ganz und gar nicht. Auch eine Tochter war in ihrem Plan nicht vorgekommen und erst recht keine Tochter, die ritt!

      Ein Blick auf Lenka genügte und Malu war klar, dass sie sich auf keinen Fall verstehen würden! Papilopulus stand im Sattelraum, in dem die Pferde früher geputzt und ge­zäumt worden waren. Er drehte den Kopf ein wenig, jedenfalls so weit es der kurze Strick zuließ, mit dem er angebunden war, und schnaubte freudig, als er Malu erkannte.

      Ein großes, schlankes Mädchen stand mit verschränkten Armen neben ihm und musterte Malu abschätzend. Sie hatte die gleichen langen blonden Haare wie Lea, eine spitze Nase und steckte in nagelneuen weißen Reithosen. Auf ihren glänzenden Reitstiefeln war nicht ein einziges Staub­körnchen zu sehen. (Rein physikalisch eigentlich unmöglich!)

      Auch Lenka schien sich jetzt ein Bild von ihrem Gegen­über gemacht zu haben. Sie zog leicht die Augen­brauen hoch. »Du reitest auch?«, fragte sie, wobei sie das Du so ko­misch betonte, als wäre das die abwegigste Vorstellung überhaupt.

      »Ja, klar«, sagte Malu. Obwohl das ein bisschen hoch gegriffen war, denn genau genommen bestand ihr Reiten darin, auf Papilopulus ein paar Runden über die Wiese oder den Schlossplatz zu drehen, ganz ohne Sattel und Trense und das auch noch im Schritt.

      »Ich reite schon seit Jahren«, erwiderte Lenka. »Aller­dings auf richtigen Pferden.« Sie bedachte Papilopulus mit einem abfälligen Blick. Malu wünschte sich, dass der Wallach mal kurz und kräftig mit den Hinterbeinen ausschlug – aber dafür war er natürlich viel zu lieb.

      »Hier gibt es ja nicht mal einen richtigen Sattel«, stellte Lenka pikiert fest und deutete auf die niedrige Tür am Ende des Raums, durch die es in die Sattelkammer ging. »Hast du da mal reingeguckt?« Sie verzog angewidert das Gesicht. »Der da drin ist völlig verdreckt!«

      Malu ging jetzt schnell zu Papilopulus hinüber und strich ihm über die weichen Nüstern. »Na, mein Kleiner«, flüsterte sie, sodass Lenka es nicht hören konnte. Der große Pferdekopf beugte sich zu ihr herunter und schnüffelte an ihrer Hosentasche. Unauffällig kramte Malu ein Lecker­chen raus und hielt es dem Wallach hin.

      »Den Sattel benutzt auch seit Jahren keiner mehr und die Trense auch nicht. Ist wahrscheinlich alles ziemlich eingestaubt.« Zum Glück, dachte Malu. So ein Sattel war viel zu schwer für Papilopulus’ alten Rücken. Der Wallach wurde langsam nervös und scharrte mit den Hufen. Er war es nicht gewohnt, so lange angebunden zu sein. Malu streichelte dem Pferd beruhigend über den Hals.

      »Tja«, machte Lenka schnippisch und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Und das ist leider nicht das einzige, was hier eingestaubt ist.« Sie seufzte. »So kann ich jeden­falls nicht reiten.«

      Malu fiel ein ganzer Felsbrocken vom Herzen. »Soll ich Papilopulus dann wieder auf die Weide bringen?«, fragte sie so beiläufig wie möglich.

      »Was für ein bescheuerter Name. Plapimonuwas? Wer hat sich den denn ausgedacht?«

      Malu hatte schon den Knoten gelöst und nahm den Strick in die Hand.

      »Lass das«, fuhr das blonde Mädchen sie an. »Das ist nicht dein Pferd. Ich bestimme, wann er wieder auf die Weide darf! Und wenn ich will, dass der hier stehen bleibt, dann bleibt er hier stehen!« Damit drehte sie sich um und stapfte die Stallgasse entlang. »Irgendwo in dieser Ruine wird es ja wohl noch einen benutzbaren Sattel geben. Ich werde nicht sechs Wochen in dieser Einöde ohne Reiten zubringen!«

      »Du darfst ihm sowieso keinen Sattel auflegen. Papi­lopulus ist doch schon alt«, zischte Malu durch zusammengebissene Zähne. Was für eine eingebildete Ziege! Hof­fent­lich sprach Gesine mit ihrem Neffen, bevor diese Lenka dazwischenfunken konnte.

      »Das werden wir ja sehen.« Lenka gab einer der alten Holztüren, die von der Stallgasse abgingen, einen Schubs. Quietschend schwang sie auf und eine Staubwolke rieselte auf das Mädchen herab. Das machte Lenka nur noch wütender und sie stieß eine Tür nach der anderen auf. Aber Malu wusste, was sie finden würde. Nichts außer Dreck, Staub und alten Kisten. Vielleicht noch ein paar Mäuseköttel – und wenn Malu ganz viel Glück hatte sogar ein paar lebende Mäuse, die über ihre geleckten Reitstiefel liefen.

      Lenka war fast am Ende der Stallgasse angekommen und stand jetzt gefährlich nahe an der morschen Bodenplatte, unter der sich die alte Jauchegrube befand. Malu hätte sie vielleicht sogar gewarnt, wenn sie sich nicht in diesem Moment umgedreht und gerufen hätte: »Hier gibt es ja sicher eine Putzfrau, dann wird die eben den Sattel saubermachen.« Malu schnaubte, so weit kam das noch, dass ihre Mutter dieser blöden ... KRACH! Die Holzbretter unter Lenka hatten nachgegeben, das Mädchen ruderte wild mit den Armen und rutschte dann rücklings in die Grube. »Iiiiihhh!!! Papaaaaaaa!« Die Schreie hallten durch die Stallgasse.

      Malu konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ge­schieht ihr ganz recht, was Papi?«, flüsterte sie dem Pferd zu. Dann ließ sie ihre Hand langsam über den Pferderücken wandern und schlenderte die Stallgasse hinunter.

      »Hol mich hier raus!! Sofort!«, kreischte Lenka, während sie den Kopf zwischen den morschen Holzbrettern herausstreckte und Malu wütend anstarrte, als hätte sie sie persönlich da runtergeschubst.

      Malu stoppte ein ganzes Stück vor den Brettern der Bo­­denluke. Sie hatte nicht vor, Lenka da unten Gesellschaft zu leisten. »Du hast Glück, dass die Grube nicht mehr be­nutzt wird. Früher haben sie die Pferdekacke darin ge­sam­melt«, sagte sie grinsend und streckte dem blonden Mäd­chen die Hand entgegen. »Komm schon, ich zieh dich raus.«

      Angeekelt sah Lenka an sich herunter. Ihre durchgestylten Reitsachen waren völlig verdreckt. Sie griff mürrisch nach Malus Hand und stützte sich mit dem anderen Arm am Grubenrand ab. Ein Ruck und das Mädchen war oben.

      »Du hast extra nichts gesagt, oder? Du wusstest doch genau, dass der Boden hier morsch ist«, zischte sie wütend. Tränen standen ihr in den Augen, als sie ihre teuren Reitsachen inspizierte. »Das zahl ich dir heim!«

      Malu beschlich der Verdacht, dass es vielleicht doch nicht so schlau gewesen war, Lenka nicht zu warnen. Jetzt hatte sie eine Feindin auf Schloss Funkelfeld und noch dazu eine, die ihr Papilopulus streitig machen konnte!

      In diesem Moment kam der vollbärtige blonde Mann in die Stallgasse gelaufen. »Was ist denn hier los? Lenka, hast du so geschrien? Wie siehst du denn aus?«

      Von einem Moment zum anderen veränderte sich Lenkas Gesichtsausdruck zu einer weinerlichen Maske. »Papa, die hat mich hier runtergeschubst«, schniefte sie.

      Malu sah sie ungläubig an. Das war ja wohl das Aller­letzte! »Das stimmt doch überhaupt nicht ...«

      Lenkas Vater drängte sich an ihr vorbei, um seine Toch­ter zu begutachten. Als er feststellte, dass die nicht ernst­haft verletzt war, sagte er beschwichtigend: »Das hat Malu bestimmt nicht extra gemacht. Ihr müsst wirklich besser aufpassen, Mädchen. Hier gibt es überall Gefahren­quel­len.« Er warf einen kritischen Blick in das Dachgebälk, aber das sah eigentlich noch ganz stabil aus.

      Dann wandte er sich Malu zu. »Ich habe eben mit Gesine gesprochen und die hat mir gesagt, dass du Sybills Pferd ... nun ja, übernehmen würdest ...«

      Malu bekam plötzlich ganz schwitzige Hände. Nachdem der Tag so mies angefangen hatte, sollte jetzt doch noch alles gut werden?

      Arno von Funkelfeld räusperte sich. »Ich meine, für Lenka ist das Pferd ja nichts.« Er hob entschuldigend die Arme. »Nicht, dass etwas mit dem Pferd nicht in Ordnung wäre, aber ich wüsste es ja schon gern in guten Händen und da wäre es ...«

      Malu hing an seinen Lippen. Gleich würde er es sagen. Gleich! Aber Lenka hatte genauso schnell geschaltet. Wie bei einem Tennismatch schnellte ihr Blick zwischen ihrem Vater und Malu hin und her und plötzlich


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