Vom Schaumburgergrund ins Lichtental. Gerhard Tötschinger

Vom Schaumburgergrund ins Lichtental - Gerhard Tötschinger


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wohnte gerne hier, vom Herrn von Faninal im Rosenkavalier heißt es: »Dem Mann gehören zwölf Häuser auf der Wied’n, nebst dem Palais Am Hof, und seine Gesundheit soll nicht die beste sein.«

      1841 erwarben die Fürsten Schönburg-Hartenstein das Palais mit dem immer noch ansehnlichen Park.

      Einige Parzellen hatte Josef Karl Rosenbaum ersteigert. Er war Beamter der Familie Esterházy, lebte ab 1800 in Wien und schuf rund um sein neues Haus einen bald berühmten Garten. Seine Frau Therese Rosenbaum war eine Tochter des Komponisten Florian Gaßmann, Sängerin, in der Zauberflöte die erste Königin der Nacht.

      Josef Rosenbaum hatte den Ruf, ein merkwürdiger Kauz zu sein, um einen Ausdruck seiner Zeit zu verwenden. 1816 kaufte er weitere Grundstücke und schritt an die Gestaltung seines Parks, die er in seinen Tagebüchern bis ins Detail schildert, alle Gespräche mit Baumeistern, Gärtnern, Arbeitern. Er ließ künstliche Grotten errichten, einen Turm im Stil der Hochgotik, ein Landhaus. Attraktion war die Camera obscura – eine Holzhütte mit optischen Effekten, die trotz der einfachen Gestaltung zu großem Staunen führte. Ein Sprachrohr stand zur Unterhaltung über weite Distanzen zur Verfügung, eine Sonnenuhr, Schaukeln, ein Karussell, eine Kettenbrücke über einen künstlichen Teich erfreuten die Gäste. Deren Liste konnte sich sehen lassen – Grillparzer, Castelli, Carl Maria von Weber, Peter von Nobile, Joseph Kornhäusel, Diabelli, Salieri …

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      Palais Schönburg heute

      Von alldem ist nur die Erinnerung geblieben, unterstützt durch das penibel geführte Tagebuch. Wer heute den Namen Rosenbaum nennt, wird wahrscheinlich nicht sofort an den Garten auf der Wieden denken, sondern an Joseph Haydn.

      Die Herren hatten einander gekannt, schon durch den gemeinsamen Dienst bei Fürst Esterházy, und geschätzt. Drei Tage nach Haydns Begräbnis 1809 am Hundsturmer Friedhof (heute der Haydnpark, Wien 12) wurde der Schädel des Meisters aus dem Grab geraubt. Die Täter muss man näher betrachten: Rosenbaum selbst, der verhindern wollte, dass bei einer späteren Grabauflösung »Halbmenschen, Afterphilosophen oder lose Buben« mit dem Cranium Gespött trieben. Ihm zur Seite standen die Magistratsbeamten Jungmann und Ullmann und der Totengräber Jakob Demut. Hauptbeteiligter war, das wird der Berufstitel wegen jetzt lang, Johann Nepomuk Peter, Verwalter des k. k. niederösterreichischen Provinzialstrafhauses in der Leopoldstadt und Leiter der fiskalen Unschlittschmelze. Alle Herren waren Verehrer der Gall’schen Schädellehre und am Haupt eines Genies, an seiner Form, seinen Maßen sehr interessiert. 1820 wurde der Raub entdeckt, nach einigem Weigern fand die merkwürdige Beute noch immer nicht zurück ins Grab, sondern erst nach 134 Jahren auf verschlungenen Wegen in die Eisenstädter Haydn-Kirche, zum Rumpf.

      Der Garten Rosenbaums wechselte nach dem Tod des Schöpfers mehrfach den Besitzer – einer von ihnen war von einer Idee besessen wie Rosenbaum. Hatte dieser die Gartenkunst und den Pavillonbau Tag und Nacht im Kopf, so war jener erfüllt von der Welt von Technik und Chemie. Der Ungar Stefan Ladislaus Rómer (1788–1842) hatte eine Apothekerlehre absolviert, als er 1808 nach Wien übersiedelte. Nun übte er den erlernten Beruf aus und studierte nebenbei Pharmazie.

      Er erkannte, wie wichtig es war, Feuer zu erzeugen – nicht nur für die Köchin, auch für den Raucher oder das Wäschermädl. Rómer experimentierte, nahm Rückschläge in Kauf, ließ sich nicht entmutigen und setzte sich gegen die wachsende Konkurrenz durch. Sie alle hatten dasselbe Problem – die Zündmasse der sogenannten Tunkhölzchen war nicht perfekt. Man musste solch ein Hölzchen in Schwefelsäure tauchen, dann entzündete es sich, aber auch nicht immer.

      Schließlich erreichte Rómer den gewünschten Effekt durch Reibung an einer rauen Fläche – wenn man Glück hatte. Manchmal gab es nur einen Knall, aber kein Feuer, immer gab es argen Gestank. Als Rómer aber auf den Gedanken kam, der Masse Phosphor beizumengen, hatte er es geschafft.

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      Stillleben – Pfeife mit alten Streichhölzern

      1832 reichte Rómer um ein »Privileg zur Zündholzerzeugung« ein, dieses entsprach unserem Begriff Patent, es ließ auf sich warten. Rómers Konkurrenten, selbst frühere Mitarbeiter, plagiierten inzwischen seine Erfindung und vermarkteten sie. Nach eineinhalb Jahren erreichte Rómer endlich sein Ziel. Schon 1829 hatte er einen Teil des Rosenbaum’schen Gartens gekauft, dort etablierte er nun die erste Zündholzfabrik Österreichs.

      Die allumettes viennoises änderten mit ihrem eminenten Erfolg im In- und Ausland den Lebensstil des Erfinders. Franz Grillparzer wurde ein enger Freund, ebenso Ignaz Franz Castelli. Aus dem einstigen Starhemberg’schen Belvedere beim Linienwall wurde ein Landhaus, aus dem reich gewordenen Chemiker ein Wohltäter. Auf seinem großen Grundstück erbaute er das St.-Josef-Kinderspital, das seine Patienten ohne Entgelt behandelte, 1842 eröffnet. Als Stefan Rómer am 30. Juli 1842 seine Baustellen am Schaumburgergrund besuchte, um den Fortgang der Arbeiten zu kontrollieren, stürzte er, verletzte sich und starb.

      Die Wiener Zeitung würdigte in ihrem Nachruf die Lebensleistung des verstorbenen Fabrikanten – und brachte in eben diesen Tagen auch den folgenden Bericht. Am 3. August 1842 liest man in den »Vermischten Nachrichten«: »Brand durch chemische Zündhölzchen.

      Schon im verflossenen Jahr ergab sich der Fall, daß durch unvorsichtiges Hinwegwerfen eines nicht völlig verlöschten Phosphor-Zündhölzchens in einer Wohnung der inneren Stadt Feuer entstand, und hiebey mehrere Zimmer mit sehr wertvoller Austattung völlig ausgebrannt wurden.«

      In der Folge wird von weiteren Unglücksfällen mit derselben Ursache berichtet – dennoch ging der Siegeszug der jungen Erfindung weiter.

      Einer von Rómers Konkurrenten war Aaron Pollak, Besitzer einer Siegellackfabrik. Zu ihm gesellte sich Johann Preshel, der für Rómer gearbeitet und dabei viel Know-how erworben hatte. An dieser Stelle ließe sich viel zum Thema Reibzündhölzchen oder Friktionsfeuerzeuge erzählen, aber die Wieden hat noch andere Themen zu bieten. So viel muss aber noch sein: Pollak holte den Erfolg Rómers ein, übertraf ihn, expandierte in die USA, nach Südamerika, China, mit Niederlassungen in London, New York, Sydney. Der Erfolg der Zündmittel aus Österreich war nicht mehr aufzuhalten. Daran waren auch die nunmehr rotfarbigen Köpfchen der Zünder schuld, die parfümierten »Salonhölzer« sowie die Etiketten in verschiedenen Sprachen.

      Diesen immensen Erfolg spürt die Wieden noch heute: Zur Geburt des Thronfolgers Rudolf stiftete Pollak das Rudolphinum, ein Heim mit 75 Plätzen für Studenten der Chemie und Physik. Diese Stiftung besteht noch heute, in der Mayerhofgasse 3.

      Genug gezündelt – wie ging es auf den alten Schaumburger Gründen weiter? Rosenbaums Park, Rómers Spital, Gotischer Turm und Camera obscura bestehen längst nicht mehr. Das restaurierte Schlösschen der Familie Schönburg-Hartenstein jedoch ist nach wie vor in Privatbesitz und kann seit 2008 für Geburtstagsfeste oder Firmenjubiläen gemietet werden.

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      Palais Schönburg um 1900, Postkarte

      Woher kommt der Name Schaumburgergrund? Das oberösterreichische Adelshaus der Schaunberger, fälschlich Schaumburger, hatte hier im 15. Jahrhundert die Herrschaft inne.

      Die kleinste Vorstadt war Hungelbrunn mit nur elf Häusern. Ihren Namen bekam sie von einem Brunnen, der ohne Unterlass Wasser gab – auch in trockenen Jahren, die zu schlechten Ernten und Hunger führen konnten. Der Hungelbrunnen ließ die elf Häuser nicht im Stich – bis 1680. Da legte die Stadt eine Wasserleitung in das Zentrum, auf den heutigen Neuen Markt, zur Versorgung der Bevölkerung. Die elf Häuser können freilich nicht sehr klein gewesen sein, hier lebten bei der Eingemeindung 1600 Menschen. Am Haus Johann-Strauß-Gasse 19 hält ein Mosaik die Geschichte des Brunnens fest.

      Das Schloss Schönburg ist das einzige aus dem Barock auf der Wieden, sieht man von der Favorita ab, deren einstiger Charakter sich durch ihr wechselndes Schicksal und Umbauten verändert hat. Dieser Lieblingsaufenthalt dreier Kaiser, Leopolds I., Josephs I. und Karls VI., verlor seine Favoritenstellung schlagartig, als Maria


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