Hallo Änne, hier is Lisbeth .... Usch Hollmann

Hallo Änne, hier is Lisbeth ... - Usch Hollmann


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Wenn ich der heute wat ins Album schreiben müßte, auf die fiele mir wohl wat ein. Zum Beispiel:

      „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“

      Bestimmt auch von Goethe. Oder:

      „Wenn über eine dumme Sache mal endlich Gras gewachsen ist, kommt sicher ein Kamel gelaufen, das alles wieder runterfrißt.“

      Aber die würde so ne feine Anspielung vleicht noch nichmal verstehn.

      Hier steht noch ’n frommes Sprüchsken von unser Tante Paula, de olle Gaffeltange. Wat war die ewig am Käbbeln! Ein Satansbraten auf zwei Beinen, aber jeden Sonntag mit ’n dikken Gebetbuch unterm Arm inne Kirche, mit schräggelegten Kopp, fromm und gottesfürchtig inne erste Reihe, dat jeder sie sehen mußte. Und mir hat se ins Album geschrieben:

      „Wenn dich die Menschen kränken durch Verrat und Trug, sollst Du stets gedenken, was dein Herr ertrug.“

      Also, so schöne Poesiealben gibt dat heute nich mehr. Heute sind da vorgedruckte Fragen drin, die man ankreuzen muß oder ausfüllen: mein Lieblingstier oder mein Lieblingssänger oder meine Lieblingspopgruppe. Wen interessiert dat denn in dreißig Jahren? Aber so wat will man doch nich missen:

      „Hinter einem Eisengitter, liegt ein Herz, das weint so bitter. Heb es auf, zertritt es nicht, denn es heißt Vergißmeinnicht. Deine Cousine Margret.“

      Änne, ich freu mich richtig auf unser Klassentreffen!

      Mountain-Bike im flachen Münsterland

      Hallo Anne, hier is Lisbeth. Na, wie war’s mit ne österliche Fahrradtour? Ich hab mein Rad so fein geputzt und geölt …, sieht ja aus wie ein Teil aussem Museum, aber läuft wie ’n Dittken.

      Dabei hätt ich mir diese Woche bald ein neues gekauft. Ich war schon im Laden drin, weil ich dachte „Tu dir mal wat Gutes, man gönnt sich ja sonst nix.“ Aber da war ich so ein’m jungen dynamischen Verkäufer inne Finger gefallen, und der wollte mich partu zu ein’m „Bike“ überreden. Normal heißen die Dinger „Mountain-Bike“, also ein Fahrrad für inne Berge, aber dat trauen se sich hier im tellerflachen Münsterland doch nich zu sagen. Aber Flachland hin oder her, ein „Bike“ sollte ich mir zulegen, dat wär ein ganz anner Fahrgefühl wie so’n Hollandrad. Und dann hat der mich mit ein’m Fachjargong zugequasselt, dat mir Hören und Sehen verging: Dat Wichtigste wär, dat ich auf ein Hyperglide-Zahnkranz achte und ne Uni-Crown-Gabel, und dat Shamani, oder wie dat heißt, müßte mit ein’m Multicondition-System sein, Rapid-fire plus wär dat Zauberwort, und hat er mir auch zu ne Zwölf-Gang-Rasterschaltung geraten, dat ich leichter den Waldhügel raufkomme und ne vulkangepufferte Lackierung und rostfreie Felgen wären ne Selbstverständlichkeit, da braucht er ja wohl kein Wort drüber zu verlieren. Aber auf de neue Sattelgeneration müßte er mich aufmerksam machen, da hätten sich die Hersteller echt wat einfallen lassen: spezialgefedert und anatomisch völlig neu angepaßt und mit eine Gel-Füllung anne Hauptbelastungsstellen und nich irgendein Gel, sondern Gel-Royal mit Vitamin A angereichert, damit dat nich mitte Zeit klumpt. Und wenn ich mir so ein Rad leiste, dann würd ich bald mitsingen mitte begeisterten Fans: „Ja, wir sind mit’m Bikel da …“

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      Änne, da ritt mich auf mal der Teufel, ich konnte dat Gelaber nich mehr haben, und sag ich zu dem Schmalzlocken-Jüngling: Gelsättel? Die wären ja mega-out! Dat wüßten se ja sogar inne Kaffeegeschäfte, wo auch manchmal Fahrräder angeboten werden. Dat Neueste für ein’n guten Sattel wär Hühnerschwanzwolle, jawohl, japanische Hühnerschwanzwolle, unter Wasser geknispelt, mit Transpirationshemmer im doppelten Ledercover. Er wär offensichtlich nicht auffem aktuellen Stand, da würd ich erst doch mal lieber bei seine Mitbewerber kucken … Der sagte keinen Piep mehr.

      Wie ich rausgeh, da flitzt er schon und blättert in seinen schlauen Katalog und sucht de neue Sattelgeneration mit Füllung aus japanische Hühnerschwanzwolle, natürlich unter Wasser geknispelt.

      Zu Hause hab ich mir aus Wollreste ne neue Satteldecke gehäkelt, und nun gefällt mir meine alte Fietze so gut, dat ich erst mal von ein „Bike“ Abstand genommen hab.

      Und nun hoff ich auf gutes Osterwetter, und dat wir beide ne schöne Pättkestour durchs Münsterland machen können …, ich hol dich denn ab.

      Brave Mädchen, böse Mädchen

      … um ehrlich zu sein: Du hast gestern abend nix verpaßt. Wir waren zwar bei diese Veranstaltung inne Bücherei, wo diese Bestsellerautorin aus ihr Buch vorgetragen hat – irgendwat mit dat nur brave Mädchen innen Himmel kommen oder so. Dat war nun tatsächlich wat für brave Mädchen, die aber nich mehr brav sein sollen, selbst auf die Gefahr hin, dat se dann inne Hölle kommen. Wenn se nämlich die Ratschläge von diese Frau beherzigen, dann ham se den Himmel schon zu Lebzeiten auf Erden.

      Also, die hat erzählt, warum se dat Buch überhaupt geschrieben hat. Sie is nämlich Psychologin und ihre Patientinnen machen mit ihre Chefs und auch mit ihre Männer zu Hause unheimlich einen mit, ham se ’n Wahnsinnsleidensdruck und gehn bald am Stock. Und dat hängt unter anderem damit zusammen, dat jeder Mensch vier Ohren hat. Wat? Nein, doch nich in echt, wie säh dat denn aus und denn womöglich noch voll Ohrstecher. Nein, mehr so psychologisch, aber die Ohren von Frauen funktionieren anders als die vonne Männer. Und deswegen machen Frauen immer alles verkehrt, weil die zu viel hören: die sind zu lieb und zu hilfsbereit und ham kein Selbstvertrauen und kein’n Mut und lächeln noch, wenn se schon lange weinen möchten.

      Kathrina flüstert: „Also ich kenn auch ’n paar andere …“, aber dann kam die Rednerin auffe Körpersprache zu sprechen, da müßten Frauen entschieden mehr drauf achten. Sie sollten nich vorn auffe Stuhlkante sitzen und de Hände ringen, wenn sie ihren Chef um 500 Euro mehr Gehalt anhauen wollten. Kathrina sagt: „In wat für Kreise die sich wohl bewegt? Ich wär froh, wenn ich irgendwo 500 Euro Grundgehalt krichte.“ Und dann wurde noch gesagt, Frauen sollten nich immer alles schlucken und insgesamt aufmüpfiger werden und auch mal mutig reagieren, wenn ihnen wat nich zusagt …

      Ich mein, da hatte se recht, und dat fiel bei uns auch auf fruchtbaren Boden … Wir sind einfach aufgestanden und rausgegangen. Und wenn se dat mitgekricht hat, dann muß se echt stolz gewesen sein auf sich, dat wir schon nach dreiviertel Stunden Massentherapie so selbstbewußt geworden sind, dat wir mit unsere vier Ohren nach innen gehört ham und nach Hause gegangen sind.

      Anton saß vor de Glotze und fragte: „Na, wat habter gelernt?“ Kathrina sagt, dat er morgen den Wäschetrockner abstellen muß, wenn dem sein Piepen an eines von seine vier Ohren dringt. Anton sagt: „Wir ham doch gar kein’n Wäschetrockner.“ „Genau,“ sagt Kathrina, „und deswegen war diese Veranstaltung auch nur wat für junge brave Mädchen mit Wäschetrockner und ne falsche Körpersprache und ein’m Job, wo ne Gehaltserhöhung von 500 Euro drinsitzt, aber nich für so böse Mädchen wie Kathrina und ich …“.

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