Little Women. Vier Schwestern halten zusammen. Louisa May Alcott

Little Women. Vier Schwestern halten zusammen - Louisa May Alcott


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begleitete. Meg hatte die Stimme einer Nachtigall und führte den kleinen Chor zusammen mit der Mutter an. Amy zirpte wie eine Grille, und Jo ließ die Stimme wandern, wie es ihr gefiel, sodass sie immer an der falschen Stelle ein Krächzen oder Trillern von sich gab, das jedes besinnliche Lied ruinierte. Sie sangen, seit sie ’unkel, ’unkel, kleina Stern lispeln konnten, und daraus war ein schöner Familienbrauch geworden, denn ihre Mutter war eine geborene Sängerin. Ihr Gesang war das Erste, was sie morgens hörten, wenn sie singend wie eine Lerche durchs Haus ging, und am Abend war der gleiche fröhliche Klang das Letzte, was die Mädchen vernahmen, die für dieses vertraute Schlaflied niemals zu alt wurden.

      ZWEI Fröhliche Weihnachten

      Jo war die Erste, die in der grauen Dämmerung des Weihnachtsmorgens aufwachte. Vor dem Kamin hingen keine Strümpfe voller Geschenke, und einen Moment lang fühlte sie sich ebenso enttäuscht wie damals, als ihr kleiner Strumpf heruntergefallen war, weil er vor Süßigkeiten fast überquoll. Aber dann erinnerte sie sich an das Versprechen ihrer Mutter, griff unter ihr Kopfkissen und zog ein kleines Buch mit tiefrotem Einband hervor. Sie kannte es gut, denn es enthielt die altbekannte Geschichte von jenem einen, der mit seinem Leben allen Menschen ein Vorbild sein soll. Ein echter Leitfaden für jeden Wanderer, der sich auf eine lange Reise begibt, fand Jo. Sie weckte Meg mit einem »Fröhliche Weihnachten« und bat sie nachzusehen, was unter ihrem Kissen lag. Ein grün eingeschlagenes Buch kam zum Vorschein, mit der gleichen Abbildung darin und einigen von der Mutter hineingeschriebenen Worten, die ihr einziges Geschenk in den Augen der Mädchen umso wertvoller machten. Dann wachten Beth und Amy auf, suchten und fanden ihre kleinen Bücher ebenfalls – das eine tauben-, das andere königsblau. Sie saßen da und unterhielten sich über ihre Bücher, während der neue Tag den Himmel im Osten rosa färbte.

      Trotz ihrer kleinen Eitelkeiten war Margaret ein liebenswertes, frommes Mädchen, das auf seine Schwestern einen ungeahnt großen Einfluss hatte. Vor allem auf Jo, die sie zärtlich liebte und auf sie hörte, weil sie ihre Ratschläge äußerst feinfühlig erteilte.

      »Mädchen«, sagte Meg ernst, als sie von dem verstrubbelten Kopf neben sich zu den beiden kleinen Nachthauben im angrenzenden Zimmer hinübersah. »Mutter will, dass wir dieses Buch lesen, lieben und beherzigen, und damit sollten wir sofort beginnen. Wir haben es schon früher getan, aber seit Vater fortgegangen ist und der Krieg unser Leben in Unordnung gebracht hat, haben wir vieles vernachlässigt. Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber ich werde mein Buch hier auf den Nachttisch legen und jeden Morgen ein wenig darin lesen. Das wird mir guttun und mir durch den Tag helfen.«

      Damit schlug sie ihr neues Buch auf und begann zu lesen. Jo legte den Arm um sie, und Wange an Wange las auch sie mit einem stillen Ausdruck, der auf ihrem unruhigen Gesicht nur selten zu sehen war.

      »Meg ist ja so gut! Komm, Amy, wir machen es genauso. Ich helfe dir bei den schwierigen Worten, und sie erklären uns, was wir beide nicht verstehen«, flüsterte Beth, die von den schönen Büchern und dem Beispiel ihrer Schwestern sehr beeindruckt war.

      »Ich bin froh, dass meines königsblau ist«, sagte Amy. Dann wurde es still in den Zimmern, während sie leise die Seiten umblätterten und die Wintersonne hereinkroch, um den klugen Köpfen mit den ernsten Gesichtern einen Weihnachtsgruß zu schicken.

      »Wo ist Mutter?«, fragte Meg, als sie eine halbe Stunde später mit Jo die Treppe herunterrannte, um ihr für das Geschenk zu danken.

      »Das weiß der Himmel«, erwiderte Hannah, die seit Megs Geburt bei der Familie lebte und von allen mehr als Freundin denn als Bedienstete angesehen wurde. »Irgend so ein armes Ding hat sie angebettelt, da ist eure Ma gleich los, um zu sehen, wo’s brennt. Eine Frau, die so freigiebig Essen und Trinken, Kleider und Feuerholz verschenkt, hat die Welt noch nicht gesehen.«

      »Sie kommt sicher bald zurück, also backt eure Krapfen und macht alles bereit«, sagte Meg, während sie die Geschenke für die Mutter durchsah, die in einem Korb unter dem Sofa lagen, um zum richtigen Zeitpunkt überreicht zu werden. »Wo ist denn Amys Eau de Cologne?«, fragte sie, als das kleine Fläschchen nicht auftauchte.

      »Sie hat es vorhin herausgeholt und ist weggegangen, um eine Schleife darumzubinden oder so«, erwiderte Jo, die in den neuen Armeehausschuhen durchs Zimmer tanzte, damit sie ein wenig geschmeidiger wurden.

      »Die Taschentücher sehen hübsch aus, findet ihr nicht? Hannah hat sie für mich gewaschen und gebügelt, und ich habe sie ganz allein bestickt«, sagte Beth, während sie stolz die etwas schief geratenen Buchstaben betrachtete, die sie solche Mühe gekostet hatten.

      »Nein, wie herzig!«, rief Jo und nahm eines der Taschentücher in die Hand. »Sie hat ›Mutter‹ darauf gestickt statt ›M. March‹. Wie lustig!«

      »Ist das denn nicht richtig? Ich dachte, es wäre besser so, weil Megs Initialen doch auch M. M. sind und ich nicht will, dass jemand anders als Marmee sie benutzt«, sagte Beth mit bekümmerter Miene.

      »Natürlich ist das richtig, Liebes, und eine schöne Idee, außerdem sehr praktisch, weil es jetzt keine Verwechslung mehr geben kann. Marmee wird begeistert sein, das weiß ich«, sagte Meg mit einem Stirnrunzeln für Jo und einem Lächeln für Beth.

      »Sie kommt. Schnell, versteckt den Korb!«, rief Jo, als die Haustür zufiel und in der Diele Schritte laut wurden.

      Amy kam hastig ins Zimmer und machte ein verlegenes Gesicht, als sie sah, dass ihre Schwestern auf sie warteten.

      »Wo hast du gesteckt und was verbirgst du da hinter deinem Rücken?«, fragte Meg, erstaunt, dass die faule Amy so früh schon unterwegs gewesen war, wie Hut und Mantel verrieten.

      »Lach mich nicht aus, Jo! Es sollte niemand davon wissen, ehe es so weit ist. Ich wollte die kleine Flasche gegen eine große umtauschen und hab mein ganzes Geld dafür ausgegeben. Ich bemühe mich wirklich, nicht mehr selbstsüchtig zu sein.«

      Während sie erzählte, zeigte Amy den hübschen Flakon, den sie gegen den billigen eingetauscht hatte, und sie sah in ihrem Bemühen, sich hintenanzustellen, so ernst und bescheiden aus, dass Meg sie auf der Stelle umarmte, während Jo sie einen »feinen Kerl« nannte und Beth zum Fenster lief und ihre schönste Rose pflückte, um die prächtige Flasche damit zu verzieren.

      »Ich habe mich für mein Geschenk geschämt, nachdem wir heute Morgen davon gelesen und uns versprochen haben, gut sein zu wollen. Also bin ich gleich nach dem Aufstehen zum Laden um die Ecke gelaufen und habe es umgetauscht. Und ich bin wirklich froh darüber, denn jetzt ist mein Geschenk das schönste von allen.«

      Ein weiteres Schlagen der Haustür ließ den Korb unter dem Sofa verschwinden und die Mädchen, die sich auf das Frühstück freuten, zum Tisch eilen.

      »Fröhliche Weihnachten, Marmee! Vielen Dank für die Bücher. Wir haben schon ein bisschen gelesen und wollen das ab jetzt jeden Tag tun«, riefen sie im Chor.

      »Fröhliche Weihnachten, meine lieben kleinen Töchter! Ich bin froh, dass ihr gleich angefangen habt, und hoffe, ihr macht so weiter. Aber bevor wir uns setzen, muss ich euch etwas erzählen. Nicht weit von hier lebt eine arme Frau mit einem neugeborenen Baby. Ihre sechs Kinder drängen sich im Bett zusammen, um sich warm zu halten, weil sie kein Feuer haben. Es gibt nichts zu essen dort drüben bei den Hummels, deshalb ist der älteste Junge hergekommen, um mir zu erzählen, dass sie hungern und frieren. Wollt ihr ihnen nicht euer Frühstück zu Weihnachten schenken, Kinder?«

      Sie waren alle hungriger als sonst, weil sie fast eine Stunde lang gewartet hatten, deshalb sagte zunächst keine ein Wort, aber es dauerte nicht lange, bis Jo ungestüm rief: »Ich bin froh, dass du zurückgekommen bist, bevor wir angefangen haben!«

      »Kann ich mitkommen und dir helfen, den armen Kindern die Sachen zu bringen?«, fragte Beth.

      »Ich trage die Sahne und die Muffins«, fügte Amy hinzu, die tapfer den Verzicht auf die Dinge betonte, die sie am liebsten mochte.

      Meg deckte bereits die Krapfen ab und legte die Brotscheiben auf einen großen Teller.

      »Ich dachte mir, dass ihr das tun würdet«, sagte Mrs. March zufrieden. »Ihr dürft alle mitkommen und


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