Maigret und die Bohnenstange. Georges Simenon

Maigret und die Bohnenstange - Georges  Simenon


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es nämlich wirklich, Sie haben sich nur nicht die Mühe gemacht, sie zu finden. Wir waren zusammen, als wir dem Fettwanst mit dem vielen Zaster begegneten. Er nahm uns beide mit, aber als er mich betatschte, sagte er, ich soll mich zum Teufel scheren, weil Magere ihm die Laune vermiesen. Ich habe draußen im Gang gewartet, und eine Stunde später hat Lulu mir die Brieftasche gegeben, damit ich sie verstecke.«

      »Was ist aus Lulu geworden?«

      »Vor fünf Jahren hatte sie im Süden ein kleines Restaurant. Ich wollte Ihnen nur zeigen, dass jeder sich mal irren kann.«

      »Und deshalb sind Sie gekommen?«

      »Nein. Ich möchte mit Ihnen über Alfred reden. Wenn er wüsste, dass ich hier bin, würde er wieder sagen, dass ich eine dumme Gans bin. Ich hätte mich auch an Inspektor Boissier wenden können, der kennt ihn gut.«

      »Wer ist Alfred?«

      »Mein Mann. Mein richtiger Ehemann, standesamtlich und sogar kirchlich, denn er hat noch was Frommes an sich. Inspektor Boissier hat ihn ein paarmal verhaftet, und einmal hat er sich fünf Jahre in Fresnes eingehandelt.«

      Ihre Stimme klang fast rau.

      »Der Name Jussiaume sagt Ihnen vielleicht nichts, aber wenn Sie seinen Spitznamen hören, wissen Sie bestimmt Bescheid, der steht oft in der Zeitung. Der traurige Alfred.«

      »Panzerschränke?«

      »Genau.«

      »Haben Sie sich gestritten?«

      »Nein. Es ist nicht so, wie Sie denken. Ist nicht meine Art. Sie kennen Alfred also?«

      Gesehen hatte Maigret ihn noch nicht, oder zumindest nur flüchtig, wenn der Einbrecher darauf wartete, von Boissier verhört zu werden. Ihm stand vage ein schmächtiges Männchen mit flackerndem Blick vor Augen, die Kleider zu weit für seinen mageren Körper.

      »Wir beurteilen ihn natürlich nicht auf die gleiche Art«, sagte sie. »Er ist ein armer Kerl, aber interessanter, als Sie wohl denken. Ich lebe seit bald zwölf Jahren mit ihm, da kenne ich ihn allmählich.«

      »Und wo ist er?«

      »Keine Angst, dazu komme ich gleich. Ich weiß nicht, wo er ist, aber er hat sich, ohne es zu wollen, in ein ziemliches Schlamassel manövriert, deshalb bin ich hier. Sie müssen nur etwas Vertrauen zu mir haben, aber ich begreife, dass ich da viel verlange.«

      Er musterte sie neugierig, denn sie sprach mit entwaffnender Natürlichkeit. Weder zierte sie sich noch versuchte sie ihn zu beeindrucken. Sie brauchte nur deshalb lange, um den Fall zu schildern, weil er tatsächlich kompliziert war.

      Dennoch stand da etwas zwischen ihnen, und das versuchte sie zu überwinden, damit er sich keine falschen Vorstellungen machte.

      Mit dem traurigen Alfred hatte Maigret nie direkt zu tun gehabt, er wusste lediglich, was im Haus so über ihn geredet wurde. Er war fast eine Berühmtheit, und die Zeitungen berichteten gern über ihn, weil er so ein Original war.

      Lange hatte er bei der Firma Planchart gearbeitet, die Panzerschränke herstellte, er war einer ihrer besten Fachkräfte gewesen. Schon damals war er trübsinnig und verschlossen gewesen, noch dazu kränkelnd, immer wieder hatte er epileptische Anfälle gehabt.

      Boissier würde Maigret gewiss sagen können, unter welchen Umständen Alfred die Firma Planchart verlassen hatte.

      Jedenfalls stellte er nun keine Panzerschränke mehr auf, sondern knackte welche.

      »Als Sie ihn kennenlernten, ging er da noch einer regelmäßigen Arbeit nach?«

      »Natürlich nicht. Aber nicht ich habe ihn auf die schiefe Bahn gebracht, falls Sie das meinen. Er machte Gelegenheitsarbeiten, half hin und wieder bei einem Schlosser aus, aber ich merkte schnell, was wirklich los war.«

      »Meinen Sie nicht, Sie sollten sich lieber an Boissier wenden?«

      »Der ist für Einbrüche zuständig, nicht wahr? Aber Sie kümmern sich um Mordfälle.«

      »Hat er jemanden getötet?«

      »Hören Sie, Herr Kommissar, ich glaube, wir kommen schneller voran, wenn Sie mich einfach erzählen lassen. An Alfred kann man alles Mögliche aussetzen, aber um nichts auf der Welt würde er jemanden umbringen. Bei einem Mann wie ihm hört es sich komisch an, aber er ist ein Sensibelchen und heult wegen jeder Kleinigkeit los, davon kann ich ein Lied singen. Manche würden sogar sagen, er ist ein Waschlappen. Vielleicht liebe ich ihn deswegen so.«

      Ruhig blickte sie Maigret an. Den letzten Satz hatte sie nicht besonders betont, doch klang daraus ein gewisser Stolz.

      »Wenn die Leute wüssten, was ihm so alles durch den Kopf geht, wären sie vermutlich erstaunt. Aber nun ja, für Sie ist er nur ein Dieb. Er hat sich einmal erwischen lassen und fünf Jahre gesessen. In der Zeit habe ich nicht einen Besuchstag versäumt, musste aber notgedrungen meinen Beruf wieder aufnehmen, und damit habe ich mir jede Menge Ärger eingehandelt, denn damals musste man noch registriert sein, und das war ich nicht.

      Alfred hofft immer, irgendwann ein großes Ding zu landen, damit wir dann auf dem Land leben können. Das war schon als Kind sein Traum.«

      »Wo wohnen Sie?«

      »Am Quai de Jemmapes, gegenüber der Schleuse von Saint-Martin. Wissen Sie, wo das ist? Wir haben da zwei Zimmer über einem grün gestrichenen Bistro, das ist praktisch, wegen dem Telefon.«

      »Ist Alfred jetzt dort?«

      »Nein, ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht weiß, wo er ist, das können Sie mir ruhig glauben. Er hat ein Ding gedreht, nicht letzte Nacht, sondern vorletzte.«

      »Und dann ist er abgehauen?«

      »Moment, Herr Kommissar! Sie werden noch sehen, dass alles, was ich Ihnen erzähle, von Bedeutung ist. Sie kennen doch auch Leute, die Woche für Woche Lotto spielen, oder? Manche sparen sich das Los vom Mund ab, weil sie sich einbilden, ein paar Tage drauf sind sie endlich reich. Tja, und bei Alfred ist das auch nicht anders. Es gibt in Paris Dutzende von Panzerschränken, die er aufgestellt hat und in- und auswendig kennt. Einen Panzerschrank kauft man ja in der Regel, um dort Geld oder Schmuck zu verwahren.«

      »Er hofft also auf einen richtigen Batzen Geld.«

      »Genau.«

      Sie zuckte mit den Schultern, als redete sie vom harmlosen Fimmel eines Kindes.

      »Er hat aber auch Pech. Meistens fallen ihm Wertpapiere in die Hände, die man nicht verscherbeln kann, oder Unterlagen. Nur einmal hätte es sich wirklich gelohnt, da hätte er ausgesorgt gehabt, und ausgerechnet da hat Boissier ihn geschnappt.«

      »Waren Sie dabei? Haben Sie Schmiere gestanden?«

      »Nein, das wollte er nie. Anfangs sagte er mir noch, wo er hinging, da war ich dann wie zufällig in der Gegend. Als er das merkte, hat er mich nicht mehr eingeweiht.«

      »Aus Angst, dass Sie erwischt werden?«

      »Vielleicht. Wahrscheinlich auch aus Aberglauben. Wissen Sie, obwohl wir zusammenleben, ist er ein Einzelgänger, und es kommt vor, dass er achtundvierzig Stunden lang kein Wort sagt. Wenn ich sehe, wie er abends mit dem Fahrrad losfährt, weiß ich, was das zu bedeuten hat.«

      Maigret fiel wieder ein, dass man Alfred Jussiaume in manchen Zeitungen den »Einbrecher auf dem Fahrrad« genannt hatte.

      »Das ist auch so eine fixe Idee von ihm. Er behauptet, ein Radfahrer fällt in der Nacht nicht auf, vor allem, wenn er eine Werkzeugtasche umhängen hat. Dann hält man ihn für einen Arbeiter auf dem Weg zur Nachtschicht. Jetzt rede ich mit Ihnen schon wie mit einem Freund.«

      Maigret fragte sich erneut, was sie eigentlich von ihm wollte. Als sie sich wieder eine Zigarette nahm, hielt er ihr ein entflammtes Zündholz hin.

      »Heute ist Donnerstag. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist Alfred losgefahren, um einen Bruch zu machen.«

      »Hat er Ihnen das angekündigt?«

      »Ein


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