HAUSER - IMMER FESTE DRUFF!. Andreas Zwengel

HAUSER - IMMER FESTE DRUFF! - Andreas Zwengel


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davon passte ins einundzwanzigste Jahrhundert.

      Auf dem Weg zur Tür zog er sein Jackett über und griff nach seinem Beutel. Eine Umhängetasche, die er stets bei sich trug. Trotz der überschaubaren Größe befanden sich in ihr immer die Sachen, die er gerade benötigte. Sie war mit unzähligen Aufnähern übersät und mit Notizzetteln gefüllt, die für Hauser eine Art Ersatzgedächtnis bildeten.

      »Wo fahren wir eigentlich hin?«, fragte Hauser, kaum dass sie in Lessings Mercedes Platz genommen hatten.

      »Zum Revier natürlich, wo vor zehn Minuten die Pressekonferenz beginnen sollte. Die ersten Journalisten waren heute Morgen schon vor mir da und werden immer ungeduldiger. Die Verdächtigen sind ebenfalls erschienen, gemeinsam mit ihren Anwälten. Das wird eine heiße Angelegenheit.«

      »Aha.«

      »Was bedeutet Aha

      »Nichts weiter«, sagte Hauser und sah aus dem Fenster. Die Stadt war lange vor ihm erwacht und lief bereits auf Hochtouren. Aber das tat sie eigentlich immer, abgesehen von ein oder zwei Stunden vor dem Morgengrauen, die man benötigte, um schnell feucht durchzuwischen. »Aber ich bedanke mich für die Wertschätzung meiner Arbeit.«

      »Wovon redest du bitte?«

      »Na, die Pressekonferenz! Ich sage, ich kenne den Täter und ihr trommelt sofort die Meute zusammen. Das ist doch nicht selbstverständlich, oder?«

      Lessing blickte starr geradeaus und begann langsam den Kopf zu schütteln. »Mann-Mann-Mann, Hauser, du weißt es wirklich nicht mehr?«

      »Was meinst du?«

      »Die Pressekonferenz war sicher nicht unsere Idee. Du hast letzte Nacht in deinem besoffenen Kopf so ziemlich jeden Frankfurter Journalisten angerufen und für heute Morgen ins Revier bestellt.«

      »Warum sollte ich so was tun?«

      »Das weiß der Herr allein. Jedenfalls haben genug Medienvertreter deine Einladung angenommen und stapeln sich nun im Revier. Muss ich erwähnen, dass meine Chefin dir den Kopf abreißen möchte?«

      Hauser verneinte. Kathrin Bornemann war die einzige Frau, der er einen solchen Gewaltakt zutraute. Wer so schnell in diesem Beruf aufstieg, ohne seine körperlichen Attribute einzusetzen, der konnte gar nicht anders als knallhart sein.

      Lessing wirkte erstaunlich fröhlich, während er den Wagen von Bockenheim aus durch den Stadtverkehr lenkte. Er befand sich sogar in Plauderlaune. »Das war erstklassige Arbeit bisher. Wir mussten den Leichnam im Krematorium in letzter Sekunde vor der Einäscherung bewahren, aber inzwischen hat die Gerichtsmedizin deinen Verdacht bestätigt. Es war kein Unfall.«

      Hauser nickte geschmeichelt, während er sich gleichzeitig angestrengt die Schläfen massierte. Er fürchtete die Frage, die Lessing auch prompt stellte.

      »Wer hat den alten Ludlow erledigt? Jetzt kannst du mir ja sagen, wer der Täter ist. Nur, damit ich später nicht zu überrascht aus der Wäsche gucke«, sagte Lessing fröhlich.

      »Hab ich den Namen bei meinem Anruf nicht genannt?«

      »Dann würde ich wohl nicht fragen«, antwortete Lessing mit aufkeimendem Misstrauen in seiner Stimme.

      »Sorry, erst wenn mein Honorar genehmigt wurde«, versuchte Hauser Zeit zu schinden.

      Erfolglos, wie sich sofort zeigte. Lessing hielt mit quietschenden Reifen in einer Parklücke, von der Hauser geschworen hätte, dass sie kleiner als der Mercedes sei.

      »Den Namen, Hauser! Jetzt sofort!« Die Stimme des Hauptkommissars klang scharf genug, um geschmeidig durch Stahl zu schneiden.

      »Er wird mir schon noch einfallen.«

      »OH-MEIN-GOTT!«, stieß Lessing stakkatoartig hervor.

      Als sie vor dem ungewöhnlich beschaulichen Polizeirevier am östlichen Stadtrand hielten, wurde der Mercedes sofort von den Vertretern der Presse umringt. Die meisten von ihnen hielten sich nur zum Rauchen im Freien auf, aber sie erkannten den ermittelnden Beamten sofort. Kameras zoomten auf Hauser, Mikrofone wurden ihm ins Gesicht gestreckt. Werbung in eigener Sache konnte einem Privatdetektiv nicht schaden und so setzte Hauser sein charmantestes Lächeln auf.

      »Warum haben Sie es getan?«, erkundigte sich der erste Journalist.

      »Kannten Sie das Opfer?«, wollte der zweite wissen.

      »Hat die Ehefrau Sie für den Mord bezahlt?« Die Gesichter begannen vor Hauser zu verschwimmen und wurden zu einer brüllenden Masse jenseits seiner Wahrnehmungsgeschwindigkeit.

      »Oder der Sohn?« Wieder der erste.

      »Oder Boris Schneider?«

      »Brauchten Sie das Geld für Drogen?«

      »Oder für Kleidung?«

      Lessing schob Hauser grinsend ins Gebäude, die Szene hatte seine Stimmung ein wenig aufgehellt. Der Detektiv dagegen glaubte, in seinen Strandalbtraum zurückversetzt zu sein und ersehnte ein erneutes Erwachen.

      »Hey, Hauser, du hattest ja gestern Abend im Asbest ganz schön einen sitzen. Betrunken kennt man dich gar nicht«, polterte Mayerbach, ein älterer Polizist, mit dem Hauser früher einmal in einem Drogenfall zu tun gehabt hatte. Allerdings nicht beruflich. Zumindest er nicht, Mayerbach schon. Das Frankfurter Original hatte innerhalb der Stadt schon mehrmals die Dienststelle gewechselt, sodass sich ihre Wege immer mal wieder kreuzten.

      »Mach‘s dir bequem, ich hole Bornemann«, sagte Lessing und drückte ihn auf einen Stuhl.

      Hauser zog seine Lesebrille aus der Westentasche, setzte sie auf und wühlte in seinem Beutel nach Informationen. Er betrachtete Bierdeckel, die Serviette eines Fastfood-Restaurants, mehrere abgerissene Zeitungsränder, das Flugblatt einer Demonstration, ein Streichholzbriefchen und einen Einkaufszettel für Brot und Milch. Warum schrieb er Lebensmittel auf, die er ohnehin bei jedem Einkauf brauchte? Er begann, die vollgekritzelten Zettel und Fetzen nach ihrer Bedeutung für diesen Fall zu sortieren. Leider enthielten sie keinen einzigen Hinweis auf den Täter.

      Lessing kam mit einer gestresst wirkenden Frau zurück. Kriminaloberrätin Kathrin Bornemann war seine Vorgesetzte bei der Kriminalinspektion 60. Lessing arbeitete dort im Bereich Organisiertes Verbrechen. Dass er sich gerade mit einem Mordfall beschäftigen musste, verdankte er einzig und allein seiner Bekanntschaft mit Hauser. Worüber er einiges empfinden mochte, aber Dankbarkeit gehörte sicher nicht dazu. Hausers Telefonstreich, wenn man es so nennen wollte, hatte hohe Wellen geschlagen, sodass sich die Kriminaloberrätin nicht freiwillig zum zuständigen Polizeirevier für den Fall Ludlow begeben hatte, um dort Schadensbegrenzung zu betreiben.

      Bornemann trug ihr mittellanges, blondes Haar fest am Hinterkopf zusammengezurrt. Auch ruckartige Bewegungen und schlechtes Wetter konnten dieser Frisur nichts anhaben. Hauser und Lessing hatten sie noch nie mit offenem Haar gesehen und wahrscheinlich war der Kreis derjenigen, denen das vergönnt war, sehr überschaubar. Ihre sehr schönen, aber auch strengen Gesichtszüge blieben meist unbewegt. Man hätte sie sicher hinter ihrem Rücken Eiskönigin genannt, wenn das nicht so ein klischeehafter Ausdruck wäre. Viele männliche Kollegen und Gegner hielten sie für lesbisch. Meistens aus gekränkter Eitelkeit, weil Bornemann so unempfänglich für den vermeintlichen Charme dieser Kerle war. Die Kleidung an dem asketischen und gestählten Körper tat ein Übriges. Sie trug ausschließlich dunkle Hosenanzüge und wirkte darin wie ein Manager mit Marathonambitionen. Kathrin Bornemann hatte ihren Ruf durch Härte, Fleiß, Unbestechlichkeit, Entschlossenheit, Mut, Beharrlichkeit und einer geradezu legendären Humorlosigkeit erlangt und damit die Latte für die männlichen Kollegen ziemlich hoch gelegt. Letztere Formulierung gebrauchte sie bewusst.

      Sie kannte Hausers Namen nur von den horrenden Rechnungen, die er für seine Dienste ausstellte. Zweifelnd betrachtete sie seine Kleidung, den unmodischen Schnauzbart, den halb schläfrigen, halb zugedröhnten Gesichtsausdruck. Der Detektiv ließ die Musterung über sich ergehen und drehte dabei mit dem Daumen einen schwarzen Ring an seinem Zeigefinger.

      Bornemann musterte den Schmuck. »Onyx?«


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