Das dunkle Flüstern der Schneeflocken. Sif Sigmarsdóttir
in maximaler Lautstärke hören?
»Weiter zu den Meldungen aus aller Welt«, brüllt der Nachrichtensprecher oder so kommt es jedenfalls bei mir an. »Vom militärischen Nachrichtendienst Großbritanniens konnte ein russischer Cyberangriff auf das britische Ministerium für Gesundheit und Soziales verhindert werden.«
Ich muss definitiv möglichst schnell hier raus. Ich gehe auf mein Zimmer. Doch als ich mich gerade auf dem Absatz umgedreht habe, verstummt der Sprecher. Erst nach einer kurzen Pause geht es weiter.
»Es gibt neue Erkenntnisse zu dem Toten, der gestern in einer Felsspalte in Hvassahraun aufgefunden wurde.«
In der Küchentür bleibe ich stehen. Ein Toter in Hvassahraun? Da sind wir auf der Fahrt vom Flughafen vorbeigekommen, an dem Lavafeld.
»Die Leiche wurde inzwischen identifiziert. Es handelt sich um den 42-jährigen Mörður Pórðarson.«
»Nicht zu glauben!«, platzt Alda heraus. »Den kenne ich. Er arbeitet auch an der Universität. Hat ein eigenes Forschungslabor, das heißt DataPsych oder irgend so was Albernes.«
»Schhhh«, macht Dad.
Der Nachrichtensprecher fährt fort. »Pórðarson lebte in Reykjavík. Er hinterlässt seine Ehefrau und zwei kleine Kinder. Die Polizei zieht die Möglichkeit in Betracht, dass es sich nicht um einen natürlichen Tod gehandelt haben könnte.« Noch eine Pause. »Und nun zum Wetter.«
Ich gehe zum Küchentisch und setze mich wieder hin. Das heißt doch, es war Mord, oder? Wieso sollte man sonst diese »Möglichkeit in Betracht ziehen«?
Der Gestank des angekokelten Specks und das Dröhnen des Radios stören mich nicht mehr. Ich achte nicht mehr darauf, wie verbissen Alda ihr Nikotinkaugummi bearbeitet, ich blende das Gezänk der Zwillinge aus. Es ist, als hätte ich einen Krimi aufgeschlagen: Um mich von meinen eigenen Sorgen abzulenken, versuche ich, Zusammenhänge herzustellen und der Wahrheit näherzukommen, bis der Mörder entlarvt ist, und begrabe so mein Leid unter dem Leid anderer.
Foto: Auf einer abgenutzten Tischplatte steht ein leeres Whiskyglas.
Filter: Gingham
Bildunterschrift: Wenn dir das Leben Zitronen gibt … dann bestell dir besser einen Whisky Sour.
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Wie die Bildunterschrift hätte lauten sollen …
Option 1: Auf meinem ersten Instagram-Foto überhaupt war ein Pint Bier zu sehen, das ich in der Union Bar in Cambridge getrunken habe. Das Bier war lauwarm und der Tisch, an dem ich mit lauter anderen Erstsemestern saß, war alt und wackelig. Aber es war ein Gefühl, so frisch wie die ersten Blätter im Frühling. Obwohl ich nur zwanzig Follower hatte, ploppte schon Sekunden nach dem Posten des Fotos mein erstes Instagram-Like auf. Als die Benachrichtigung mit dem kleinen roten Herz aufleuchtete, spürte ich ein angenehmes Kribbeln in meinem eigenen Herzen. Ich wurde gesehen. Ich wurde gehört. Durch diese Anerkennung von außen wirkte der Moment irgendwie größer. Er hatte Bedeutung. Er war fast realer. Schon diese allererste Dosis Insta-Liebe machte mich abhängig.
Option 2: Bin ich süchtig nach Bestätigung durch Menschen, die ich nicht kenne?
Option 3: Oder geht es mir nur ums Geld?
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