Spurensuche. Georg Markus

Spurensuche - Georg Markus


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in Stellung brachten, die zum Schutz des Monarchen dienen sollten.

      Der Kaiser freilich war zu diesem Zeitpunkt in seinem Arbeitszimmer und wunderte sich über den Ruf »Gewehr heraus«, der üblicherweise nur zur Anwendung kam, wenn er durch den Burghof schritt. Franz Joseph ging also zum Fenster seines Arbeitszimmers, das zum Inneren Burghof hinausging, und sah fassungslos, dass da sein Ebenbild über den Platz ging. Schnell rief er seinen Adjutanten, der Franz Joseph peinlich berührt erklären musste, dass Herr Farina ein stadtbekanntes Wiener Original sei, das gerne als sein Doppelgänger durchs Leben schritt.

      Der Kaiser lächelte gütig und erteilte dem Flügeladjutanten den Auftrag, Herrn Farina augenblicklich zu sich zu rufen. Der Adjutant gab den Befehl an einen Unteroffizier der Leibgarde weiter und der wiederum erwischte den Mann gerade, als er Richtung Schweizerhof einbiegen wollte. Im letzten Augenblick konnte Herr Farina noch aufgehalten und zum Kaiser befohlen werden.

      Seit mehreren Jahren schon war Achilles Farina souverän als Kaiser »aufgetreten«, jetzt aber war er über alle Maßen aufgeregt. Er, der Amtsdiener und Logenschließer, sollte ins Allerheiligste, in die privaten Räumlichkeiten Seiner Majestät des Kaisers.

      Man sagt, dass Franz Joseph nur selten gelacht hätte, doch als er jetzt seinem Ebenbild gegenüberstand und dabei den Eindruck hatte, in einen Spiegel zu schauen, lachte er laut und herzhaft auf.

      Der Amtsdiener stand in seiner Uniform und in strammer Habtachthaltung vor seinem Kaiser und musste diesem nun von seiner militärischen Karriere berichten, in der er es bis zum Feldwebel gebracht hatte.

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       Musste dem Kaiser von seiner militärischen Karriere berichten: Achilles Farina in Uniform

      »Haben Sie damals schon diesen Bart getragen?«, erkundigte sich der Kaiser.

      »Nein, Majestät, erst als Amtsdiener und Logenschließer, und es war mein ganzer Stolz, da ich Eurer Majestät so zum Verwechseln ähnlich sah, auch deren Barttracht tragen zu dürfen.«

      Der Kaiser lachte noch einmal, dann wurde Herr Farina entlassen. Vorher gab ihm der Monarch noch den Rat, in Zukunft die Umgebung der Hofburg zu meiden, damit es nicht wieder zu einer solchen Verwechslung käme. Farina war glücklich, so gnädig davongekommen zu sein, und hütete sich, die Geschichte an seinem Arbeitsplatz, der Generalintendanz, zu erwähnen.

      Damit war klar, dass sich die Geschichte in Wien herumsprechen würde, und nach einigen Tagen rief ihn der Generalintendant der Hoftheater, Eduard von Wlassak, zu sich und befahl Herrn Farina, den Bart abzurasieren.

      »Ausgeschlossen, Herr Generalintendant«, erwiderte der, »lieber gehe ich in Pension.«

      Diese Weigerung meldete der Generalintendant dem Obersthofmeister, der wieder dem Kaiser Meldung erstattete. Doch Franz Joseph erklärte: »Warum denn so viele Geschichten machen? Wenn der Mann sonst seinen Dienst brav versieht, soll man ihm seinen Bart lassen, der ihm anscheinend so viel Freude macht!«

      Herr Farina hat seinen Dienst in der Generalintendanz und als Logenschließer noch mehrere Jahre, bis zu seiner endgültigen Pensionierung, versehen. Der Mann, dem es so wichtig war, Franz Joseph ähnlich zu sehen, starb am 19. Mai 1917, nur sechs Monate nach seinem Kaiser, im Alter von 72 Jahren.

      Eine österreichische Köpenickiade.

      Der Einbrecher auf der Ansichtskarte

       Ein fataler Fehler des Meisterdiebes

      Joseph Honsa zählte im Wien der Jahrhundertwende zu den Geschicktesten in seinem Metier. Wobei sein Metier der Wohnungsdiebstahl war. Einmal freilich war der Geschickte sehr ungeschickt, ganz besonders sogar.

      Honsa war an jenem 21. März 1902 wieder einmal »auf Tour«. Diesmal hatte er für seinen Beutezug M. Koller’s Gasthaus Zum Schlüssel auf der Wieden auserkoren: Im ersten Stock nahm er die unbeaufsichtigt auf einem Tisch liegende silberne Taschenuhr des Wirten an sich. War’s bisher ein Dutzendkriminalfall, so folgt jetzt das Kuriose an der Geschichte. Just als »Meisterdieb« Honsa das in der Rittergasse 3/Ecke Kleine Neugasse gelegene Haus verließ, stand vor dem Tor eine kleine Gruppe – bestehend aus Stammgästen und dem Wirtshauspersonal –, die sich, wie damals so beliebt, für eine dieser neumodischen Postkarten fotografieren ließ. Von dem Menschenauflauf überrascht, stellte sich Uhrendieb Honsa einfach dazu. Und wurde geknipst.

      Als Gastwirt Koller den Verlust seiner Taschenuhr bemerkte, ging er sofort zur Polizei, wo man ihm nur wenig Hoffnung machte, sie je wiederzusehen, zumal Wohnungsdiebstähle damals weit verbreitet waren.

      Tage später brachte der Fotograf sein Kunstwerk. Und der Wirt staunte nicht schlecht, als er auf dem Bild einen ihm völlig unbekannten Herrn mit Schnauzbart und »Stößer« am Kopf entdeckte. Den Kriminalisten freilich war sofort klar: Der Abgebildete musste der Dieb sein, der gerade im Moment der Aufnahme das Haus – den Tatort – verlassen wollte.

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      Ließ sich am Tatort fotografieren: »Meisterdieb« Joseph Honsa (ganz rechts) vor dem Gasthaus Koller auf der Wieden

      Joseph Honsa war im Sicherheitsbüro kein Unbekannter: Sein Vorstrafenregister war beachtlich, noch öfter war der »Meisterdieb« aber mangels an Beweisen freigesprochen worden. Diesmal allerdings war jedes Leugnen zwecklos. Das Foto lieferte den eindeutigen Beweis. Honsa rückte die Uhr heraus – und landete im Häfn …

      Der Suaheli-Dolmetsch, der kein Suaheli konnte

       Eine Erinnerung an Wiens »Schwarzmarktkönig«

      In der Akademiestraße, im Zentrum Wiens, gab es nach dem Zweiten Weltkrieg ein einzigartiges Lokal, das Künstlerclub hieß und die prominentesten Schauspieler, Sänger und Musiker der Stadt beherbergte. Curd Jürgens zählte mit seiner damaligen Frau Judith Holzmeister ebenso zu den Stammgästen wie Inge Konradi, Senta Wengraf, Marcel Prawy und der Opernstar Hans Hotter. Im Mittelpunkt des Künstlertreffs stand sein Besitzer Alex Petko, dessen »Nebenjob« einer der Hauptgründe war, dass die berühmten Gäste immer wieder kamen: Herr Petko war Wiens »Schwarzmarktkönig« und verfügte daher über Köstlichkeiten, die man nach dem Krieg in anderen Lokalen nicht bekam. Whisky, Wein und Bier flossen in Strömen, und es gab Käse, Schinken und Salami. Zu den Gästen des Künstlerclubs zählte auch Susi Nicoletti, die mir einmal die skurrile Überlebensgeschichte des »Schwarzmarktkönigs« Alex Petko erzählte.

      Petko war 1942 als junger Mann an die Front einberufen worden, und er wusste, was das zu bedeuten hatte: Überlebenschance eher unwahrscheinlich! Als er die Kaserne betrat, in der er sich zur Musterung einfinden sollte, sah er ein Hinweisschild mit der Aufschrift: »Dolmetscher melden sich Zimmer 14b.«

      Er betrat den angegebenen Raum und erfuhr, dass mehrere Übersetzer für Englisch, Französisch und Russisch gesucht würden. Und einer für Suaheli – für jene besonders schwer zu erlernende Mundart aus der Gruppe der Bantusprachen also, mit der sich die Eingeborenen Kenias und Tansanias verständigen. Unnötig zu erwähnen, dass Alex Petko von dieser Sprache kaum je gehört, geschweige denn auch nur ein Wort beherrscht hätte. Doch die Angst vor der Front war größer als die vor der Prüfungskommission.

      Der Beamte auf Zimmer 14b schickte Herrn Petko zu Wiens einzigem Suaheli-Experten,


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