Wie künstlich ist Intelligenz?. Andreas Eschbach

Wie künstlich ist Intelligenz? - Andreas Eschbach


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glauben müssen. Es geht um deine Tammy. Um Tammy und Martha, um genau zu sein. Unsere Lieblingskonkurrenten.«

      Natürlich. Im Informatikbereich des MIT gab es derzeit nur ein Thema, nämlich den großen KI-Wettbewerb, den einer der Silicon-Valley-Giganten ausgelobt hatte. Mehrere Dutzend Teams waren angemeldet, aber nach Stand der Dinge hatten Rob und er, die momentan anerkannt begabtesten Nerds, nur eine ernsthafte Konkurrenz, nämlich Tamara »Tammy« Lyman, die Tochter des Hedgefonds-Magiers und Milliardärs Jesse Lyman, und ihre Freundin Martha Soames. Die anerkanntermaßen beide ebenfalls höchst begabt waren, aber keine Nerds. Vielmehr hatten sie so etwas wie ein Sozialleben. Was immer das sein mochte.

      Alan gab es auf, den Geistesblitz zurückholen zu wollen, und wandte sich seinem Freund zu. Rob Mitchell sah überhaupt nicht wie ein Nerd aus, eher wie ein Footballspieler, der sich ins falsche Gebäude verirrt hatte: groß, breitschultrig, topfit, Waschbrettbauch. Nur seine verhangenen Koboldaugen passten nicht recht dazu.

      »Also gut«, sagte Alan. »Ich höre dir zu.«

      »Tammy und Martha«, wiederholte Rob. »Hast du eine Vorstellung, was die bauen?«

      »Du wirst es mir sicher gleich sagen.«

      »Einen Poker-Assistenten.«

      »Tammy?« Alan lachte auf. »Tammy hat null Ahnung von Poker.«

      Rob nickte wissen. »Aber Marthas Bruder dafür ‘ne Menge. Der hat schon professionell gespielt, in Vegas. Und der hat ‘nen Kumpel, Tim. Von dem weiß ich das.«

      Alan schüttelte den Kopf. »Und wie soll ich mir das vorstellen?«

      »Also, pass auf.« Rob rückte näher, wechselte in den Vortragsmodus. Vorträge halten, das konnte er wirklich gut. »Alles, was sie brauchen, ist eine Kamera, die auf den Spieltisch schaut. Die ist mit der KI verbunden, die sie trainiert haben, und die macht alles Weitere. Die erkennt die Karten, die ausgespielt werden, die weiß, welche Karten, sagen wir, Tammy in der Hand hat, und gibt ihr über eine App auf dem Smartphone Anweisung, welche Karte sie strategisch am besten ausspielt. Wobei das Smartphone in der Tasche bleiben kann, die Anweisung geht akustisch per Bluetooth an ihre drahtlosen Ohrhörer. Damit sieht sie aus wie jemand, der so cool ist, dass er beim Pokern nebenher Musik hört.«

      Alan war ganz anders geworden bei dieser Vorstellung. Und zwar ganz anders.

      Ihr eigenes Projekt lief unter dem Titel »Automatischer Administrator«. Sie entwickelten eine KI, die Computernetzwerke administrieren sollte, die notwendige Updates entdeckte und selbstständig durchführte, Back-up-Strategien überprüfte, Platten auf Schreibfehler untersuchte, Engpässe in Datenleitungen fand, auf Lücken in den Sicherheitsmaßnahmen hinwies und so weiter.

      Entschieden unsexy, verglichen damit.

      »Oh, verdammt«, stieß er hervor. »Verdammt, ist das eine geile Idee.« Er sah sich um, war schwer versucht, irgendwas an die Wand zu schmeißen, am besten die Tastatur. »Warum ist uns das nicht eingefallen? Wenn sie das hinkriegen, haben sie den Preis in der Tasche.«

      »Es sei denn, wir kriegen was noch Besseres hin«, meinte Rob.

      »Vergiss es.« Das machte ihn richtig fertig. »Wir kriegen nicht mal was Vergleichbares hin. Nicht in der Zeit, die uns noch bleibt.«

      Rob hob ungerührt die Schultern. »Wir arbeiten einfach vierundzwanzig Stunden pro Tag. Und wenn das nicht reicht, nehmen wir die Nächte dazu. Außerdem, hey – es geht schließlich nur um einen hässlichen Pokal aus Plexiglas.«

      Alan spürte, wie Wut in ihm aufwallte, jene hilflose Wut, die ihn seit seiner Kindheit begleitete.

      »Du nimmst das nicht wirklich ernst, oder?«, blaffte er seinen Freund an. »Es geht eben nicht nur um diesen blöden Pokal. Es geht darum, dass an dem Sieg in diesem Wettbewerb Fördergelder hängen. Da hängen unsere Karrieren dran, verdammt!« Er warf sich so heftig gegen die Rückenlehne seines Stuhls, dass er ein paar Meter weit über das Linoleum rollte. »Shit– wozu braucht die Tochter eines Milliardärs eine Karriere? Ich brauche eine Karriere! Sie kann später machen, was immer sie will. Aber wenn ich die Kurve nicht kriege, dann dreh ich mit vierzig noch Burger auf dem Grill herum.«

      Rob schnaubte unwillig. »Jetzt geh mal bisschen vom Gas, ja? Du bist Alan Cleveland, der Einser-Mann vom MIT. So jemand dreht mit vierzig keine Burger mehr herum, so viel steht fest.«

      »Alan Cleveland, der Einser-Mann vom MIT, dreht heute schon Burger herum.« Er spähte auf die Uhr, zuckte zusammen. »Ach, Mist! Ich muss los!«

      Er sprang auf, zerrte seine Jacke unter einem Berg anderer Klamotten hervor, vergewisserte sich, dass die Autoschlüssel noch darin steckten, und war im nächsten Moment zur Tür hinaus.

      Der Stau unterwegs hielt sich in Grenzen, trotzdem war Alan achtzehn verdammte Minuten zu spät dran, als er mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz von Joey’s Burger einbog. Wie es Vorschrift war, parkte er ganz hinten – die guten Plätze vorne mussten die Angestellten den Kunden lassen: noch einmal zwei Minuten mehr.

      Das Gebäude mit dem roten Dach sah aus wie ein riesiger Fliegenpilz, über dem sich ein unsagbar kitschiger Burger aus Plastik drehte, Tag und Nacht und bei Nacht beleuchtet. Der Eingang vorne war immer sauber, der Eingang für die Angestellten nie: Schon die Türklinke fühlte sich fettig und schmierig an, und drinnen lief man über eine in Jahrzehnten gewachsene Schicht abgelagerter Fettdünste.

      Während Alan hastig die Jacke aus- und die Kittelschürze anzog, hörte er das Klappern aus der Küche, die ungeduldigen, bellenden Rufe: Es herrschte Hektik, wie immer um diese Tageszeit. Dann machte er die Tür zur Küche auf, trat ein in die alles durchdringende Wolke aus Bratfettgeruch und wusste, dass seine Verspätung mal wieder Ärger geben würde.

      Und tatsächlich – kaum stand er am Grill, schoss Joey schon auf ihn zu, mit hochrotem Kopf, Blutdruck 180.

      »Mister Cleveland!«, fauchte er. »Das ist das dritte Mal in diesem Monat, dass du zu spät kommst! Und gleich fast ‘ne halbe Stunde! Im Arbeitsvertrag steht ausdrücklich –«

      »Ja, Mister Miller.« Alan hob die Hände. »Sie haben völlig recht, ich hab’s versiebt. Ich, ähm … Das Studium, wissen Sie? Da ist man manchmal so in irgendwas vertieft, dass man alles um sich herum vergisst. Bitte entschuldigen Sie.«

      Das nahm Joey ein bisschen den Dampf raus. Er atmete geräuschvoll aus, musterte Alan von oben bis unten, die Hände in die Seiten gestützt.

      »Es heißt immer, Studenten seien klug«, grummelte er schließlich. »Du kannst nicht zu blöd sein, um einen Wecker zu benutzen. Also tust du es absichtlich nicht.«

      Alan holte tief Luft. Doch, normalerweise stellte er sich einen Wecker – nur heute hatte er es vergessen!

      Mist. Er brauchte diesen Job. Besser gesagt, er brauchte das Geld und hatte gerade absolut nicht die Zeit, sich einen anderen Job zu suchen.

      Die Tammys dieser Welt mussten sich nie mit solchen Problemen herumschlagen, sondern konnten sich ganz auf ihre Projekte konzentrieren. Kein Wunder, dass sie besser waren und schneller vorankamen! Kein Wunder, dass ihnen richtig geile Projekte einfielen.

      Wobei – zu spät dran zu sein, das war sozusagen das Drama seines Lebens. Dass er heute zu spät zu seinem Job kam, war ja nichts verglichen damit, dass sie mit ihrem Projekt für den Wettbewerb zu spät dran waren, viel zu spät!

      »Es tut mir leid, Mister Miller«, sagte Alan. »Ich bleibe selbstverständlich dafür nach Schichtende länger. Kein Problem.«

      Joey gab ein Grollen von sich, das wie ein fernes Erdbeben klang. »Das nützt mir gar nichts. Jetzt ist Rushhour. Jetzt warten die Leute auf ihr Essen. Nach Schichtende, pff – da ist nichts mehr los. Was hab ich davon, wenn du dann noch dumm herumstehst?«

      Er drehte sich um, zupfte einen Bestellzettel von der Klemmleiste und drückte ihn Alan in die Hand. »Hier. Die warten, weil du nicht da warst. Also machst du diese Bestellung jetzt


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