Der Sonderermittler. Hans Becker

Der Sonderermittler - Hans Becker


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die Kellner Trinkgelder sammelten. Wie viele derartige in Blut gegriffene Spuren wir fanden, weiß ich nicht mehr. Es waren mehrere in ausgezeichneter Qualität dabei.

      Nun musste nur noch der Spurenverursacher gefunden werden. Wir führten Befragungen der Einwohner in der Stadt durch. Dabei erhielten wir einen Hinweis einer Versicherungsvermittlerin, wonach ein gewisser Klaus S. nach dem Mord eine größere Summe bei ihr eingezahlt hatte.

      Er war der Spurenverursacher. Natürlich bestritt er die Tat, seine Ehefrau gab ihm ein Alibi, das sie jedoch später widerrief. Auch zu den vielen Flaschen mit Spirituosen und den großen Mengen an Zigaretten und Zigarren konnte er keine glaubhaften Angaben machen. Aber er war zweifelsfrei der Spurenverursacher. Wir fanden bei der Hausdurchsuchung in seiner Wohnung auch gewaschene, aber immer noch mit Blut befleckte Männerkleidung.

      Wir übergaben unsere Beweismittel der Staatsanwaltschaft und nach einem Indizienprozess wurde er zum Tode verurteilt und am 14. Dezember 1965 hingerichtet.

      Bereits am 18. Dezember 1964 waren der Leiter der MUK Dresden, Hauptmann Wolf, sein Kriminaltechniker Major Schaarschmidt, der Leiter der MUK Halle, Hauptmann Grothe und ich durch den Befehl des Ministers des Innern 27/64 mit Geldprämien ausgezeichnet worden.

      Im Befehl hieß es:

      »Die Aufklärung dieses Verbrechens ist von besonderer Bedeutung, da durch vorbildliche Anwendung aller kriminalistischen und kriminaltechnischen Mittel und Methoden und durch vorbildliche Einbeziehung der Werktätigen eine solche wissenschaftliche Beweisführung erfolgte, dass auch ohne Geständnis des Täters eine einwandfreie Überführung erfolgen konnte.«

      Aus diesem Einsatz heraus wurde bei uns die Idee geboren, eine nicht-strukturmäßige erweiterte Morduntersuchungskommission zu schaffen, um bei komplizierten Morduntersuchungen sofort und ohne Zeitverzug eine gewisse Anzahl befähigter Kriminalisten mit ihrer Technik zum Einsatz bringen zu können. Diese Idee setzte sich durch, wurde durch die dienstlichen Leiter bestätigt und wird noch heute in bestimmten Bundesländern in der Praxis angewendet.

      Wir haben im Bezirk Halle eine solche Organisationsstruktur geschaffen, die es ermöglichte, auf Befehl des Leiters der Kriminalpolizei sofort 20 Kriminalisten als erweiterte MUK unter Leitung des MUK-Leiters zum Einsatz zu bringen.

      Unfall mit Todesfolge beim Seitensprung

      Einmal in 1962, ich war erst wenige Monate bei der MUK und kannte die meisten Angehörigen der Abteilung Kriminalpolizei in der Bezirksbehörde nur vom Sehen, war ich gerade in unserem Dienstzimmer angekommen, als die Sekretärin des K-Leiters mit hochrotem Gesicht hereingestürzt kam: »Helmut, Hans, sofort zum K-Leiter!« Es musste etwas ganz Ungewöhnliches geschehen sein, so hatte ich sie noch niemals gesehen.

      »Hauptmann Grothe, Sie fahren sofort nach Sangerhausen. Die Produktion steht, übernehmen Sie alles und bringen Sie die Produktion wieder in Gang.« So fuhren wir dann nach Sangerhausen. Kriminalmeister Dehn am Steuer, Oberleutnant Hecht als Kriminaltechniker und wir zwei. Unterwegs rätselten wir, was denn wohl geschehen sein könnte, das unsere Anwesenheit so wichtig machte, uns, die MUK, die ja sonst mit der Produktion nichts zu tun hatte. Es war Herbst und das Wetter entsprechend kalt und regnerisch. Wir wussten aber, dass der K-Leiter in Sangerhausen sicherlich etwas zu erzählen hatte. So parkten wir vor dem VPKA in Sangerhausen und gingen zu ihm.

      Sangerhausen war damals eine kleine Bergarbeiterstadt mit etwa 23.000 Einwohnern. Die ganze Stadt lebte mit dem Bergwerk zur Gewinnung von Kupferschiefer. Es war wie in meiner Heimatstadt mit der Waggonfabrik.

      »Ich brühe erst mal einen Kaffee und dann erzähle ich euch alles. Ihr braucht keine Eile zu haben, es ist alles schon geklärt.« Und dann begann er: »Heute früh ist gegen 6.00 Uhr beim Schichtwechsel auf dem Schacht der diensthabende Untertageingenieur Müller nicht zur Arbeit erschienen, und da die Nachtschicht schon in der Waschanlage war und die Frühschicht nicht ohne Müller einfahren durfte, hat der Verantwortliche vom Leitstand die Produktion angehalten und bei Frau Müller angerufen und nach ihrem Mann gefragt. Diese hatte erstaunt geantwortet, er müsse doch auf dem Schacht sein, er wäre die ganze Nacht nicht zu Hause gewesen. Und so wurde ein Mann zur Garage des fehlenden Ingenieurs Müller geschickt, um nachzusehen, ob eventuell etwas mit dem Auto sei. Dieser war zurückgekommen und hatte berichtet, dass der Wagen in der Garage stehe, dass das Tor verschlossen sei und der Schlüssel innen steckte. Bei dieser Schilderung sah er nicht sonderlich glücklich aus: »Es ist das erste Mal seit Kriegsende, dass der Schacht ruht.«

      Der Leitstand hatte nun mehrere Männer mit dem Befehl zur Garage geschickt, diese aufzubrechen. Als wir erstaunt guckten, weil er von einem Befehl sprach, sagte er: »Ein Bergwerk ist wie eine große militärische Einrichtung, alles verläuft freundlich, aber nur mit Befehl.«

      Die Männer haben die Garagentür aufgebrochen und auf dem Fahrersitz den fehlenden Ingenieur Müller sitzen sehen. Er war offensichtlich tot. Auf dem Beifahrersitz saß eine halbnackte Frau. Diese atmete, war aber nicht ansprechbar. Der Motor des Pkw lief nicht. Die Situation entsprach der einer Vergiftung durch Auspuffgase, was dann auch von der Obduktion bestätigt wurde.

      Als die Männer sich bemühten, den Wagen rückwärts aus der Garage zu schieben, um Hilfe leisten zu können, und nach einem Krankenwagen gelaufen waren, kam Frau Müller zum Ereignisort und hatte mit weiblichem Scharfblick die Situation sofort erfasst. Sie rannte, ohne sich an der Garage aufzuhalten, weinend und schreiend in die Stadt.

      Lächelnd sagte der K-Leiter weiter: »So kam die Kripo zum Einsatz, es gab ja schließlich einen Toten. Die halbnackte Frau war mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sie hieß Brandt und war auch verheiratet. Meine Kriminalisten hatten anschließend in unserer kleinen Stadt nicht viel Mühe herauszufinden, dass Ingenieur Müller und die halbnackte Frau Brandt ein Verhältnis hatten. Das war in der Stadt offenbar bekannt und wie immer, wussten nur die betrogenen Ehepartner nichts davon.

      Meine Kriminalisten haben ermittelt, dass Frau Müller schreiend durch die Stadt gelaufen war und mehrmals gerufen habe: »Was hat die, was ich nicht habe?«, und dass die Stadt sich darüber erheiterte, da ja der Tod von Ingenieur Müller zunächst nicht bekannt war.«

      »Ihr seht, ihr habt nichts mehr zu tun, das Problem ist geklärt«, fuhr er fort, »ich zeige euch, wenn ihr wollt, die Garage und wir können auch auf den Leitstand gehen. Die Produktion läuft ja bereits wieder.«

      So verbrachten wir einen geruhsamen Tag in Sangerhausen. Hauptmann Grothe rief den K-Leiter in Halle an, und der war über die Ingangsetzung der Produktion mehr erfreut, als über den geklärten Unfall mit Todesfolge. Dann fuhren wir nach Halle zurück und hörten einige Tage später vom K-Leiter aus Sangerhausen, dass die halbe Stadt über Frau Müller lachte und die andere Hälfte den Tod ihres Mannes bedauerte. Es war wie immer im Leben, die einen freuen sich, die anderen klagen.

      Wir hatten nun nichts mehr mit diesem Unfall zu tun. Die Wochen und Monate vergingen, alle bereiteten sich auf das Weihnachtsfest vor. Zu dieser Zeit wurde in der DDR jede Gelegenheit genutzt, eine Feier auszurichten. Ob in den Betrieben oder den Arbeitskollektiven und in den Geschäften, überall wurde ausgiebig gefeiert. In den Betrieben gab es Volkstanzgruppen, es gab Zirkel der schreibenden Arbeiter und Fotozirkel der Werktätigen. Das Leben bestand nicht nur aus Arbeit, sondern auch aus Freude am Leben. Der Krieg war eine Weile vorbei, alle hatten Arbeit und konnten gut leben. Es waren die Jahre des Aufschwungs der DDR.

      Auch wir in Halle bereiteten uns auf die Weihnachtsfeier vor, wir hatten keinen Einsatz, und so feierten wir denn im damals üblichen Rahmen. Am ersten Arbeitstag nach Weihnachten rief uns der K-Leiter aus Sangerhausen an und berichtete von der Weihnachtsfeier im dortigen VPKA. Er unterbrach sich mehrmals mit leisem Gelächter. Der Saal sei reichlich weihnachtlich geschmückt gewesen, die Volkstanzgruppe hätte getanzt, an den Wänden hätten Bilder des Fotozirkels gehangen und er sei eine herrliche Feier gewesen. Der Zirkel der schreibenden Arbeiter habe in Versform die vergangenen Monate und Ereignisse in Sangerhausen vorgetragen. Er lachte wieder. Besonderen Beifall habe der letzte Vers des Vortrages erhalten:

      Doch Sangerhausens höchster Knüller

      war der Ritt mit dem Herrn Müller,

      den


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