Seewölfe - Piraten der Weltmeere 667. Jan J. Moreno

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 667 - Jan J. Moreno


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O’Higgins warf Paddy einen bedeutungsvollen Blick zu.

      „Aufstellen!“ herrschte Cankuna die Gefangenen in reinem Portugiesisch an. „Mit dem Rücken zur Wand. Wer redet, ohne gefragt zu sein, dem lasse ich die Zunge herausschneiden.“

      Mehrmals schritt er vor den vier Arwenacks auf und ab. Abrupt hielt er dann inne und bohrte Old Donegal den Griff der kurzen Peitsche zwischen die Rippen, die bislang an seinem Gürtel gebaumelt hatte.

      „Du kennst die Strafe, die über Mörder verhängt wird?“ Das war mehr eine Feststellung als eine Frage.

      „Keiner von uns ist ein Mörder“, widersprach der Admiral.

      „Behauptest du, Kandur Singh, der Zollbeamte, wäre nicht an einem Pfeil im Rücken gestorben, nachdem er euer Schiff verlassen hatte?“

      „Nein, aber …“

      „Schweig!“ Der Peitschengriff klatschte gegen Old Donegals Hals und entlockte ihm ein gequältes Stöhnen.

      Der Inder baute sich vor Paddy Rogers auf.

      „Wer hat Kandur Singh getötet?“

      „Keiner von uns. Wären wir sonst nach Bombay zurückgekehrt?“

      Jawaharlal Cankunas Mundwinkel zuckten nervös.

      „Lügner!“ Er schnaubte ungehalten.

      „Senhor“, sagte Don Juan. Sofort wandte sich der Kommandant ihm zu.

      „Denk an deine Zunge“, sagte er warnend. „Du bist Portugiese?“

      „Spanier, Senhor.“

      „Du willst dein Gewissen erleichtern? Das ist gut, sonst werden dich die Götter in deinem nächsten Leben mit Aussätzigkeit bestrafen.“ Als Don Juan zögerte, herrschte Cankuna ihn scharf an: „Hat es dir die Sprache verschlagen, Spanier? Oder zögerst du aus Furcht, deine Tat eingestehen zu müssen?“

      „Der Mörder lebt nicht mehr“, sagte Don Juan. „Er hat versucht, Kapitän Killigrew und seine Mannschaft in ein denkbar schlechtes Licht zu rücken, aber es ist ihm nicht gelungen.“

      „O doch, er hatte Erfolg“, erwiderte Jawaharlal Cankuna. „Dein Winseln um Gnade ist abscheulich.“

      Wieder holte er mit seiner Peitsche aus. Aber dann ging alles blitzschnell.

      Don Juan de Alcazar umklammerte das Handgelenk des Inders mit der Linken, bog ihm den Arm auf den Rücken und zog ihn zugleich so eng an sich, daß die Soldaten nicht anzugreifen wagten. Mit der rechten Hand riß er Cankuna den Krummdolch aus dem Gürtel und setzte ihm die Klinge an die Kehle.

      „Sag deinen Männern, sie sollen zurückbleiben!“ befahl er.

      Jawaharlal Cankuna rief einige Worte, die Don Juan nicht verstand.

      „Nun ist alles aus“, sagte Old Donegal. „Oder glaubst du, daß die Burschen noch jemals Handel mit uns treiben? Wir können froh sein, wenn wir mit heiler Haut den Hafen verlassen.“

      „Wir liefern ihnen doch damit nur den Beweis für unsere Schuld“, knurrte Mac O’Higgins.

      Lediglich Paddy Rogers sagte kleinlaut: „Don Juan wird schon wissen, was er tut.“

      „Zum Kai!“ bestimmte der Spanier und schob Cankuna mit sanftem Druck vor sich her.

      Die Soldaten wichen zur Seite. Ihre Blicke verrieten mühsam unterdrückten Zorn. Aber sie wagten nicht, anzugreifen.

      Old Donegal stieß die nach draußen führende Tür auf. Er dachte nicht daran, den Uniformierten die Waffen abzunehmen, das taten Mac O’Higgins und Paddy Rogers dafür um so ausgiebiger. Jeder der beiden hatte anschließend mehrere Krummdolche im Gürtel stecken und hielt Speere und Säbel in Händen. Derart gerüstet, fühlten sie sich offenbar allen Unwägbarkeiten gewachsen.

      Don Juan blieb unter der offenen Tür stehen. Der Dolch lag unverändert an Cankunas Kehle. Doch plötzlich senkte er die Klinge, drehte sie in der Hand um und hielt dem völlig überraschten Kommandanten den Knauf hin.

      „Sie glauben, wir hätten den Zöllner getötet“, sagte er. „Nehmen Sie Ihren Dolch, und denken Sie darüber nach, warum ich Ihnen nicht die Kehle durchgeschnitten habe. Wir wollen unsere Unschuld beweisen, doch das können wir nur, wenn Sie wirklich gewillt sind, uns zuzuhören.“

      Jawaharlal Cankunas Miene wirkte verschlossen. Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle er Don Juan den Dolch zwischen die Rippen stoßen, dann schob er die Klinge hinter seinen Gürtel.

      „Nehmt den Plunder auch zurück!“ Paddy Rogers entledigte sich ebenfalls sämtlicher Waffen und warf sie vor sich auf den Boden.

      „Du hättest mich töten können“, sagte Cankuna. „Damit wäre allerdings dein Schicksal besiegelt gewesen. Mag sein, daß du die Wahrheit sprichst – vielleicht lügst du aber auch sehr geschickt. Nenne mir eine Möglichkeit, das zu überprüfen.“

      „Begleiten Sie uns auf unser Schiff, Kommandant!“ entgegnete Old Donegal. „Dort können Sie sich mit eigenen Augen überzeugen, daß wir Bombay anliefen, um Handel zu treiben.“

      Die Soldaten bemannten zwei Einmaster und nahmen die Jolle der Arwenacks in Schlepp.

      „Ich traue diesem Cankuna nicht über den Weg“, sagte Higgy unumwunden. „Der gibt seine vorgefaßte Meinung nicht auf.“

      „Warum unterzieht er sich dann überhaupt der Mühe und setzt zur Schebecke über?“ fragte Don Juan.

      O’Higgins zuckte mit den Schultern.

      „Was weiß ich“, brummte er. „Vielleicht hofft er, das Schiff im Handstreich zu erobern.“

      „Eine blutige Nase kann er sich holen, mehr nicht“, sagte Paddy Rogers.

      „Das wäre kaum eine Lösung.“

      Old Donegal blickte zur Schebecke, die noch etwa dreißig Yards voraus lag. Da der Wind drehte, schwoite der Dreimaster langsam um das Ankertau.

      „Hoffentlich hat sich Hasard inzwischen einiges einfallen lassen“, murmelte der Alte. „Jede Wette, daß Cankuna zielstrebig auf die versteckten Waffen zugeht.“

      „Jetzt sieh dir das an“, sagte Higgy verblüfft. „Mac Pellew kippt die Kombüsenabfälle über Bord und bemerkt uns nicht mal. Der Kochdunst hat ihm wohl die Augen vernebelt.“ Er unterbrach sich und leckte sich genußvoll über die Lippen, weil Bratduft von der Schebecke herüberwehte.

      Der Dreimaster lag offenbar verlassen vor Anker. Mit Ausnahme des zweiten Kochs war niemand an Deck zu sehen. Don Juan konnte sich eines unguten Gefühls nicht erwehren.

      Endlich erschien Dan O’Flynn hinter dem Schanzkleid der Kuhl. Er winkte.

      „Hallo!“ rief er. „Alles wohlauf?“

      „Die Herrschaften wollen an Bord“, erwiderte Old Donegal. „An unserer Unschuld bestehen gewissen Zweifel.“

      Während Dan die Jakobsleiter ausrollte, tauchten weitere Gesichter hinter der Verschanzung auf. Sogar der Profos hatte seine freundlichste Miene aufgesetzt.

      Mit knappen Befehlen hetzte der Hafenkommandant die Soldaten an Deck. Er selbst folgte ihnen weitaus bedächtiger. Nichts schien seiner Aufmerksamkeit zu entgehen.

      Auch die Jolle schor längsseits. Mac O’Higgins griff nach einem herabhängenden Belegtau.

      Es gab eine kurze Verzögerung, als Don Juan und Old Donegal sich kabbelten, wer zuerst die Jakobsleiter aufentern dürfe. Der Spanier hielt zwar schon die erste Sprosse fest, doch Donegal drängte ihn zur Seite.

      „Weisheit vor Jugend“, sagte der Alte schroff, weil ihm wer weiß was für eine Laus über die Leber gelaufen war.

      „Schlechte Laune?“ fragte Don Juan.

      Old Donegal brummelte etwas Unverständliches vor sich hin.

      Der


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