Seewölfe - Piraten der Weltmeere 669. Sean Beaufort

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 669 - Sean Beaufort


Скачать книгу
stehlen unser Essen, weil wir nichts haben. Dazu!“ Die Antwort klang bitter und gereizt.

      Auf den Planken des Decks hob sich der Schreiber wie eine Fabelgestalt ab.

      „Du weißt, daß es da ein Schiff voller Fremder gibt? Sie haben den kleinen Tuti gerettet. Der Maharadscha, Wischnu verleihe ihm Weisheit und ein langes Leben, veranstaltete ihnen zu Ehren ein Fest. Und weißt du, wo sie sind?“

      Die anderen Männer der Dhau, die nicht schliefen oder von Bord gegangen waren, witterten eine Änderung ihres derzeitigen Zustandes und umringten Durzu und Narfo.

      Der Kapitän erwiderte: „Wir wissen es. Schließlich lagen sie dort drüben lange genug am Steg. Sie sind ankerauf und losgesegelt.“

      „Du hast scharfe Augen“, sagte der Schreiber. „Wohin segeln sie?“

      „Das weiß jeder“, entgegnete der Büffel. „Jeder im Hafen. Nach Madras. Weite Fahrt, wie auch immer.“

      Er deutete damit an, daß nicht nur die Fahrt lang und beschwerlich sein würde, sondern daß auch unzählige Gefahren auf die Fremden lauerten.

      „Wenn du Geld brauchst, Gold oder Silber, dann habe ich eine gute Nachricht für dich und Guari. Ist er noch immer dein mutiger, halbsabschneidender Steuermann?“

      „Ja. Er schläft irgendwo dort unten. Was willst du mir sagen?“

      „Nur, wenn ich ein Drittel von der Beute erhalte. Sonst kein Wort, Narfo. Es geht um einen Schatz.“

      „Da gibt es Gerüchte in Bombay, nicht nur im Hafen“, sagte Narfo und streckte die Hand aus. „Bevor wir reden, muß ich was zwischen die Zähne kriegen. Und die anderen auch. Los, gib schon her, großer Schreiber.“

      Durzu ließ Münzen in die Hand klingeln. Narfo näherte sich der Hecklaterne, schüttelte die Münzen, zählte nach und nickte. Seine Augen leuchteten, als er Durzu am Oberarm packte und vom Achterdeck herunterzog.

      „Wir gehen zum Einäugigen essen. Dabei reden wir, ja?“

      „Aber schnell!“ rief einer der Kerle und hämmerte mit dem Knauf seines Dolches auf die Planken. Die Geräusche klangen durch das gesamte Schiff und dröhnten hohl.

      „Guari hat auch Hunger. Los!“

      Schließlich tappten sechzehn Männer über den Steg und in die Kaschemme des einäugigen Wirtes. Er war der billigste Koch und Wirt, und seine Portionen waren überall bekannt wegen des Umfangs und des ausreichenden Geschmacks.

      Der Böse Büffel sagte zu Allai, daß auf seinem Schiff, ihn und Guari eingerechnet, vierundzwanzig Männer warteten.

      Durzu wagte eine Frage. „Wenn es euch so verdammt schlecht geht, Narfo, warum arbeitet ihr dann nicht? Zum Beispiel entladen wie die anderen? Oder irgendwelche Tauwerksarbeiten? Oder etwas anderes?“

      Narfo spuckte zur Seite. Dann erklärte er halblaut und verächtlich: „Unwürdige Sklavenarbeit, Durzu. Wir sind Seeleute, Küstensegler, Männer, die Freiheit und Kampf lieben, keine schuftenden Kulis. Wir sind hinter dem Reichtum her und nicht dazu da, im Staub zu schwitzen. Zufrieden?“

      Durzu zuckte mit seinen knochigen Schultern. „Ich sehe, daß ihr dabei reich und fett geworden seid. Könnt ihr … Bist du bereit, sofort abzulegen?“ fragte er mit gleichgültiger Miene.

      Der Büffel nickte, während er an einem Fleischbrocken kaute. „Wozu ablegen? Wohin?“

      „Hinter den Fremden her. Hinter dem Schiff mit den Dreieckssegeln.“

      „Da mußt du mir aber einen verdammt guten Grund nennen, Schreiberling“, sagte Narfo. Guari und er wechselten einen langen, schweigenden Blick.

      „Sie bringen Silber und Gold nach Madras“, sagte Durzu Allai so ruhig wie möglich.

      „Auf vielen Schiffen ist Geld auf dem Meer unterwegs“, erklärte der Steuermann.

      „Ihr seid vierundzwanzig auf der Dhau?“ fragte Durzu lauernd.

      „Ja.“

      Der Schreiber fragte sich, was er wirklich von der Besatzung der „Böser Büffel“ wußte. Entlang der Küste hatten sie einen ganz besonderen Ruf. Sie waren Halsabschneider, die stets hart an der Grenze entlangsegelten, die von den Gesetzen gezogen wurde. Niemals hatte man ihnen etwas beweisen können. Es gab unzählige Gerüchte, und an vielen mochte etwas Wahres sein.

      Bisher hatten sie jeden Sturm überlebt. Von dem Steuermann und dem Kapitän erzählte man wahre Schauergeschichten. Sie schienen mit allen Geistern im Bund zu sein. Und die vielen Feinde, die sie naturgemäß haben mußten – wo waren sie? Niemals hatte man von ihnen etwas gehört oder gesehen.

      „Wer bestimmt, wie die Beute verteilt wird?“ fragte Allai. „Eine große Beute, von der nur ich den Wert kenne. Ohne mich müßtet ihr morgen mittag wieder das Essen stehlen.“ Niemals hatte er gehört, daß Narfo einen Freund im Stich gelassen oder gar betrogen hatte. Er sah aber ein, daß es keine Sicherheit gab.

      „Ich bestimme“, antwortete der Kapitän und schob den Knoten des Kopftuches über das andere Ohr. „Was weißt du?“

      Allai grinste breit. „Alles. Genug, um fünfundzwanzig Männer zu reichen Fürsten werden zu lassen.“

      Er sah das Glitzern in den Augen der Männer. Guari und Narfo starrten ihn an, denn sie erkannten, daß er nicht scherzte. Ganz sicher kannten auch sie das eine oder andere Gerücht aus dem Palast, und vielleicht hatten sie auch die Kisten und Truhen gesehen, die auf das Schiff der Fremden geschleppt worden waren.

      Jetzt warteten sie schweigend und begierig darauf, daß der Schreiber ihnen berichtete, was er wußte.

       2.

      „Ich kann’s noch immer nicht glauben“, sagte Old Donegal und schüttelte den Kopf. „Nicht zu fassen. Und das passiert mir.“

      Philip junior blickte seinen Granddad verdutzt an und fragte: „Was ist passiert, Granddad?“

      „Ich warte immer darauf, daß Eddielein mit seinem blöden Geschrei anfängt, aber er ist jetzt so verdächtig still geworden.“

      Philip lachte und wußte nicht recht, ob Old Donegal seinen Spruch ernst meinte oder nicht.

      „Du wirst die Trennung vom Profos überleben“, sagte er. „Sieh dir lieber die herrliche Küste an.“

      „Sie ist nicht anders als viele andere, Söhnchen.“

      Old Donegal spuckte nach Lee. Bildete er es sich ein, oder stimmte es tatsächlich? Es schien, als würde die Schebecke besser und tiefer im Wasser liegen. Elf Tonnen Silber und Gold in versiegelten Kisten! Er zwang sich dazu, nicht davon zu träumen, daß sich jeder von ihnen ein kleines Königreich mit dem Anteil des Schatzes in den Laderäumen kaufen konnte.

      Bombay lag weit achteraus. Längst war der letzte dünne Nebel aus den Köpfen geblasen worden. Zuletzt war noch das Mauerwerk des Forts zu sehen gewesen, das den Felsen von Bava-Malang, dem Berg der Stadtinsel, krönte. Dreiunddreißig Faden hatte die letzte Lotung ergeben. An Backbord zeigte sich deutlich die Küstenlandschaft jenseits der mächtigen Brandung.

      Irgendwo dort drüben mündete der Rajpurifluß ins Meer. Die Küste war an vielen Stellen bewaldet, grüne Hänge zogen sich an den Flanken eines größeren Hügels aufwärts. Die Felseninsel mit den Befestigungsmauern, das Janjira-Eiland, schien achteraus hinter der Kimm zu versinken. Hohe Palmen wiegten sich im Wind.

      „Ein Glück, daß die Gentlemen nicht auch einen Stückmeister gebraucht haben“, meinte Don Juan leichthin. Al Conroys Geschütze waren in Reih und Glied auf der Kuhl festgezurrt.

      „Ich ahne Fürchterliches“, erwiderte Ben Brighton.

      Die Seewölfe standen oder hockten auf dem Grätingsdeck. Achtern gurgelte das Kielwasser und bildete Weiße


Скачать книгу