Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
grauen Augen und jenem Charme, den man »englisch« nannte, der einfach vorhanden war, ohne betont zu werden.
Viele wohlgefällige Blicke galten ihm, doch er nahm diese nicht zur Kenntnis. Sonst die Ruhe selbst, wurde er nervös, als für die Maschine Verspätung angesagt wurde.
Aber dann kam sie endlich, und Tim sah seine Mummy schon von weitem. Zweiundvierzig Jahre war Clarissa Thornhill alt, eine schöne blonde Frau, ladylike vom Scheitel bis zur Sohle, von bestechender Anmut und wie immer mit dezenter Eleganz gekleidet.
Stürmisch wurde sie von Tim umarmt und geküßt. Zärtlich fuhr sie ihm durch das dichte Haar. »Erdrück mich nicht, Timmy«, sagte sie mit einem weichen Lachen.
»Ich bin so froh, dich zu sehen«, sagte er. »Warum hatte die Maschine Verspätung?«
»Der Start hatte sich verzögert. Wir müssen Daddy gleich anrufen, damit er sich keine Sorgen macht. Er kommt schon in vierzehn Tagen nach.«
Arm in Arm gingen sie zu Tims Wagen. »Laß uns erst zum Essen gehen«, sagte Clarissa. »Auf den Lunch im Flugzeug konnte ich verzichten. Nein, halt erst bei der Post an. Von dort bekomme ich am schnellsten Verbindung, wenn es mit der Durchwahl nicht klappen sollte.«
Aber es klappte mit der Durchwahl, und Clarissa konnte ihren Mann beruhigen, daß sie gut gelandet sei.
Tim hörte dann noch Ermahnungen seines Vaters, ja gut auf Clarissa aufzupassen, und Clarissa lachte dazu. »Ich habe schon zwei verrückte Männer«, sagte sie, aber man konnte es ihr ansehen, wie glücklich sie darüber war.
»Nun erzähl mal, Tim«, bat Clarissa, als sie in einem ruhigen, stilvollen Restaurant beim Essen saßen. »Lerne ich diesmal eine Freundin kennen?« Ein schelmisches Lächeln umspielte dabei ihre Lippen.
»Fehlanzeige, Mummy. Es gibt keine, die dir gleichkommt. Die Frau muß erst noch gebacken werden, sagt man hier.«
»Kannst dir ja auch Zeit lassen«, meinte sie. »Und was macht das Studium?«
»Ich kann es mir leisten, ein paar Vorlesungen zu schwänzen und dich zu beschützen.«
Sie konnte sicher sein, daß er nicht von ihrer Seite weichen würde. Und welche Angst hatte sie einmal gehabt, daß Roberts Sohn sie ablehnen würde! Schließlich war Tim bereits acht Jahre gewesen, als sie Lady Thornhill geworden war, dem Schicksal dankbar, von einem großartigen, verständnisvollen Mann geliebt zu werden, der sie nach leidvollen Jahren einer glückverheißenden Zukunft entgegenführte. Aber Tim hatte sie sofort akzeptiert.
»Was brauchen wir fürs Abendessen, Tim?« fragte sie, als sie dann durch die Fußgängerzone zum Parkplatz gingen.
»Alles eingekauft, Mummy«, erwiderte er. »Ich weiß ja, was dir schmeckt.«
Die hübsche Zwei-Zimmer-Wohnung in der Nähe des Englischen Gartens war blitzblank. Blumen standen zum Empfang bereit, und Clarissa konnte sich wieder einmal über ihren großen Sohn freuen, der ihnen tatsächlich niemals Sorgen bereitet hatte. Ja, sie hatte allen Grund dankbar zu sein, entschädigt dafür, was sie einmal am Leben verzweifeln ließ.
Es freute sie immer wieder, wie sorgsam Tim mit seinen Sachen umging und auch mit dem Geld, das ihm zwar reichlich zur Verfügung stand, das er aber doch nicht vergeudete.
Immer hatte er für Clarissa eine hübsche Überraschung bereit, wenn sie ihn besuchte, und diesmal war es ihm gelungen, zwei sehr gute Karten für »La Traviata« zu ergattern.
»Das ist ja wunderbar, Tim, wie hast du das angestellt?«
Er zwinkerte ihr verschmitzt zu. »Wir haben ja eine gute Fee in München. Sie hat ein bißchen nachgeholfen.«
»Fee Norden? Die Liebe! Ich werde sie gleich anrufen.«
»Brauchst du nicht, Mummy, wir treffen sie heute abend in der Oper, und wenn alles klappt, kommt Daniel auch mit.«
»Wie schön, ich freue mich! Du bist ein echter Schatz, Tim.«
»Das Prädikat billigen wir lieber Fee zu«, lachte er.
»Dir aber auch. Wenn dich die Nordens nicht so gern hätten, blieben sie auf Distanz.«
»Sie mögen vor allem dich, Mummy. Aber ich kann sagen, daß wir uns auch sehr gut verstehen. Es ist schön, wenn man immer mal mit so lieben Menschen beisammen sein kann. Es gibt so wenig Frauen, die so sind wie du und Fee.«
Er war sehr kritisch und sehr vorsichtig. Clarissa wußte es. Sie freute sich auf den Abend.
*
Fee Norden freute sich auch. Sie freute sich doppelt, weil Daniel sie begleiten konnte. Es lag endlich einmal kein dringender Fall vor, der sein Gewissen geplagt hätte, wenn er bei einem Anruf nicht gleich zur Stelle hätte sein können.
Fee hatte sich für das zartblaue Chiffonkleid entschieden und wurde von ihren Kindern wortreich bewundert. Für sie war die Mami die schönste Frau der Welt, und die liebste dazu. Für Daniel war sie auch noch die begehrenswerteste, aber er mußte ehrlich zugeben, daß auch Clarissa mit Superlativen bedacht werden konnte.
Sie trug ein Kleid aus lindgrüner Wildseide, das allein durch einen raffinierten Schnitt wirkte, und dazu eine rosaschimmernde Perlenkette.
Fee hatte sie gleich entdeckt. »Umwerfend wie immer«, raunte sie ihrem Mann zu.
»Du aber auch«, gab er zurück. »Und Tim kann sich auch sehen lassen. Er ist ein richtiger Mann geworden.«
»Die Mädchen sind ja auch genug hinter ihm her«, lächelte Fee. »Aber er schwärmt nur für seine schöne Mutter.«
»Immerhin ist sie seine Stiefmutter, und manchmal gibt mir das doch zu denken«, sagte Daniel leise.
»Laß das bloß Clarissa nicht hören! Von wegen Stiefmutter! Ein eigenes Kind könnte sie bestimmt nicht mehr lieben.«
Nun kam Clarissa auf sie zugeeilt, und eine sehr herzliche Begrüßung folgte. Zwei schöne blonde Frauen, zwei attraktive Männer, das blieb natürlich nicht unbeachtet.
»Schau mal, Michi, da ist Tim Thornhill«, sagte ein junges Mädchen zu ihrer Begleiterin. »Welche von den Blondinen mag wohl zu ihm gehören?«
»Keine Ahnung, unsere Altersklasse sind sie nicht, Nanni. Und damit können wir nicht konkurrieren«, erwiderte Michi seufzend. »Aber er ist ja auch eine Klasse für sich.«
Dann gingen sie aber Arm in Arm so dicht vorbei, daß Tim sie nicht übersehen konnte. »Hello«, sagte er, aber mehr nicht, und sie riefen auch nur »Hello« zurück.
Clarissa lächelte. »Nette Mädchen«, sagte sie, »willst du uns nicht bekannt machen, Tim?«
»Wozu? Man sieht sich mal auf der Uni oder zufällig woanders.«
Und nicht eine Spur von Interesse war aus der Bemerkung zu hören.
Sie konnten eine herrliche Aufführung erleben und saßen dann noch gemütlich in einer Weinstube zusammen. Clarissa versprach Fee, am nächsten Tag zu kommen, um den Kindern selbst die Mitbringsel zu geben.
»Es geht nicht um die Mitbringsel, sie wollen dich sehen«, sagte Fee. »Sie sprechen oft von dir.«
»Lieb, daß sie sich an mich erinnern«, sagte Clarissa, und plötzlich war ein Hauch von Wehmut in ihrer Stimme, was Fee nachdenklich stimmte. Aber schnell lenkte Clarissa ab.
»Ich hoffe, daß ihr mal auf die Insel kommt, solange ich dort bin«, sagte sie.
»Wir werden es möglich machen«, versprach Fee.
Dann gelang es Clarissa, Daniel ganz kurz allein zu sprechen, aber Fee entging es nicht, daß sie mit ihm flüsterte.
*
»Was wollte Clarissa von dir?« fragte sie.
»Dir entgeht wirklich nichts«, erwiderte er mit einem flüchtigen Lächeln, aber sein Gesicht war auch nachdenklich.
»Sie will