Das gefallene Imperium 8: Auf Leben und Tod. Stefan Burban
teils etwas verärgerten Blick. Bei der Ausarbeitung eines Plans zum Gegenschlag hätten beide eigentlich involviert werden müssen. Finn Delgado hingegen nahm die Neuigkeit mit Gleichmut auf. Der Oberkommandierende der Schattenlegionen hielt sich ohnehin in dieser Besprechung weitgehend zurück. Das sah ihm eigentlich gar nicht ähnlich. Vielleicht hatten ihn die Geschehnisse auf Risena weit mehr verändert, als irgendjemand für möglich gehalten hätten. Ob diese Veränderungen zum Guten oder zum Schlechten waren, würde sich wohl erst noch herausstellen.
»Wir haben vor, die Nefraltiri in eine Falle zu locken«, fuhr Mason ungerührt fort.
Nun zog Finn Delgado doch eine Augenbraue hoch. »Da bin ich aber gespannt.«
»Wir haben für unseren Plan den Planeten Samadir ausgesucht, der kürzlich erst während der letzten Angriffe an den Feind gefallen ist.« Der Präsident betätigte eine Taste und eine grün-blaue Welt wurde als Hologramm über den Tisch projiziert. »Samadir ist aus mehreren Gründen gut geeignet. Es gibt dort keinerlei zivile Population mehr. Die ohnehin spärlichen menschlichen Siedlungen wurden während der letzten Kämpfe entweder zerstört oder konnten evakuiert werden.«
»Samadir ist jetzt aber auch Standort von mindestens zwei Dutzend Jackurynestern sowie einer großen Anzahl von Hinradyschiffen«, fuhr Baker dem Präsidenten in die Parade.
»Aber ohne Schwarmschiffe, was für unsere Zwecke von großer Bedeutung ist«, sprang Carlo Mason helfend zur Seite. Er sah sich unter den Anwesenden um. »Meine Herren, wir werden Samadir zurückerobern und dort eine schwer befestigte Stellung einrichten.«
»Und dann?«, wollte René wissen. Der Oberbefehlshaber der republikanischen Bodentruppen beugte sich neugierig, jedoch nicht ablehnend vor.
Carlo lächelte. Die Gefühlsregung erreichte allerdings nicht seine Augen. »Samadir wird unser Köder sein. Dort werden wir die Schwarmschiffe erwarten.«
René runzelte die Stirn. »Wie viele Schwarmschiffe?«
»Nach Möglichkeit: alle.«
Dieses einzelne, kleine Wort hing bedeutungsschwanger über dem Raum. In diesem Moment hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so leise wurde es.
Baker schüttelte den Kopf. »Das ist Wahnsinn! Es gibt über zwanzig von ihnen in unserer Galaxis und das sind nur die, von denen wir wissen.«
»Umso wichtiger ist es, diese zu erledigen, solange wir die Chance dazu haben.«
»Bisher haben wir im Kampf gegen die Schwarmschiffe nicht besonders gut abgeschnitten. Selbst mit ihrer Hilfe«, der Flottenadmiral deutete lapidar auf Ad’""bana, »ist es unmöglich, über zwanzig dieser Monsterschiffe zu erledigen. Das wäre das Ende unserer Flotte, unserer Bodentruppen und das Ende des organisierten Widerstandes.« René und Finn sagten nichts, doch ihre Körperhaltung drückte tiefste Ablehnung aus. Sie waren dabei, die Offiziere zu verlieren.
Carlo wechselte einen schnellen Blick erst mit Mason, dann mit Ad’""bana. Beide nickten kaum merklich. Ihnen war klar gewesen, dass es nicht einfach werden würde, den Stab zu überzeugen. Den Hauptteil des Planes hatten sie dabei noch gar nicht erwähnt.
»Es ist möglich«, fuhr Carlo fort. »Gegenüber unserem Gast habe ich erwähnt, dass wir die Brutkammer auf Samadir gefunden haben. Wir sind uns sicher, dass er mit den Nefraltiri in Kontakt steht und ihnen diese Information telepathisch übermittelt oder schon übermittelt hat.«
»Das wird nicht reichen«, gab Finn zu bedenken. »Die Nefraltiri sind nicht dumm, und sie zu unterschätzen, wäre geradezu sträflich nachlässig.«
»Ich weiß«, gab Carlo ihm recht. »Deswegen muss Samadir entweder zur Gänze oder zu großen Teilen zurückerobert werden. Es wird unsere erste ernst zu nehmende Gegenoffensive, mit dem Ziel, ein System zu befreien, seit Beginn der Invasion.«
»Ich verstehe«, meinte René nachdenklich. »Damit versucht ihr, die Nefraltiri davon zu überzeugen, dass das System für uns von besonderem Wert ist.«
»Das ist der tiefere Sinn dahinter«, bestätigte der Präsident.
»Die Nefraltiri werden ihre gesamte Armada dorthin entsenden«, fuhr Ad’""bana fort. »Zumindest all ihre Schwarmschiffe, aber auch einen großen Teil der Hinradykräfte. Die Sicherheit der Königinnenlarve hat für die Meister oberste Priorität.«
»Nehmen wir mal an, der Plan hätte bis dorthin Erfolg …« Baker zuckte mit den Achseln. »Was dann?«
Carlo antwortete nicht. Vielmehr glitt sein Blick in Ad’""banas Richtung. Diese hob stolz ihr Kinn. »Dann komme ich ins Spiel.«
Die drei ranghohen Offiziere warfen dem holografischen Abbild des Schwarmschiffes verwirrte Blicke zu, was Mason Ackland zu einer weiteren Erklärung veranlasste.
»Ad’""bana hat uns tiefe Einblicke gewährt in die Funktionsweise eines Schwarmschiffes. Wir wissen nun über vieles Bescheid und können dieses Wissen nutzen. Im Herzen eines jeden Schwarmschiffes befindet sich eine Quantensingularität als nahezu unerschöpfliche Energiequelle. Daraus speisen sich Antrieb und Waffen.«
»Eine Quantensingularität?«, hakte Baker nach.
Finn Delgado hingegen hob nun beide Augenbrauen. Ob beeindruckt oder schlichtweg geschockt, vermochte Carlo nicht zu sagen. »Sie reden von einem Schwarzen Loch?!« Sein Blick zuckte in Ad’""banas Richtung. Er wirkte gegenüber dem Schwarmschiff wachsamer als noch Augenblicke zuvor. »Soll das heißen, Ad’""bana besitzt etwas Ähnliches in ihrem Kern? Und sie befindet sich in diesem Moment direkt über Perseus? Mit einem Schwarzen Loch in ihren Eingeweiden?«
»Die Singularität ist eingedämmt und völlig sicher«, gab sie zurück. »Aber ich kann sie nutzen, um meine Waffen kurzzeitig zu verstärken.«
»Um was zu tun?« Finn wirkte immer noch nicht überzeugt.
»Um sämtliche physikalischen Prozesse innerhalb eines Sterns zum Erliegen zu bringen. Das würde den Stern kollabieren lassen.«
Finns Kinnlade klappte nach unten. »Eine Supernova.«
Ad’""bana nickte. »Zu diesem Zeitpunkt müssen sämtliche republikanischen Raumverbände das System bereits verlassen haben. Und auch die Bodentruppen müssen mit einem systemweiten Rückzug begonnen haben. Sobald die Supernova ausgelöst wurde, kann ich die Vorgänge nicht mehr stoppen. Es bleibt uns nicht viel Zeit. Die ausgelöste zerstörerische Energiewelle wird das ganze System binnen vierzig bis maximal sechzig Minuten zerstört haben. Die Schwarmschiffe und ihre Hinradysklaven werden aber durch die von der Nova ausgehenden Gravitationskräfte im System festgehalten. Es wird ihre Fähigkeit unterbrechen wegzuspringen. Die Feindeinheiten nutzen eine andere Art von Antrieb, um von einem System zum nächsten zu gelangen. Sie benutzen nicht den Hyperraum, sondern springen quasi zwischen den Dimensionen umher. Sobald die Supernova ausgelöst wurde, ist das nicht mehr möglich. Die Feindschiffe werden im System gefangen sein, unfähig, der Vernichtung zu entgehen. Ich selbst springe weg, nur Sekunden bevor der Stern kollabiert. Mit etwas Glück werden die Meister nicht erkennen, was vor sich geht, bevor es zu spät ist.«
»Mein Gott!«, hauchte René. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Das Risiko für meine Bodentruppen ist enorm. Wenn etwas schiefläuft oder der Rückzug zu lange dauert, sitzen sie fest.«
»Deswegen werden lediglich Freiwillige die Auffangstellung auf Samadir besetzen«, gab Carlo bekannt. »Und auch nur ledige Männer und Frauen, die weder Ehepartner noch Kinder zurücklassen.« Er seufzte. »Ich will ganz ehrlich sein. Das Risiko für all jene, die wir auf Samadir stationieren, um den Köder glaubwürdig zu machen, ist sehr, sehr hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Verlustrate hundert Prozent unter diesen Truppen betragen wird, wurde von den Analytikern mit achtzig Prozent beziffert. Vielleicht kommt von unseren Leuten keiner mehr nach Hause.« Carlos Stimme nahm einen harten Tonfall an. »Aber lassen Sie mich eines klarstellen: Das hier ist unsere einzige Chance. Wenn wir diesen Krieg gewinnen wollen, dann müssen die Schwarmschiffe ausgeschaltet werden. Ansonsten kämpfen wir auf verlorenem Posten. Die Nefraltiri haben es noch nicht geschafft, den Riss mit einem zweiten Obelisken wieder zu