Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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mir auf, dass Sie selbst kaum einen Bissen zu sich nehmen.«

      Das stimmte. Bei ihrem ersten Abendessen im Forsthaus hatte ihr die abweisende Haltung Erich Gleisners den Appetit verdorben, und jetzt war es der drohende Abschied von Evi. Betti kam sich schlecht und egoistisch vor. Alle waren fröhlich und guter Dinge, nur sie konnte ihrer Niedergeschlagenheit nicht Herr werden.

      Evi war so ausgelassen und aufgeräumt, dass sie kaum zum Einschlafen zu bewegen war. Ihr Vater und Betti saßen neben ihrem Bett. Evi hatte sich bereits drei Gute-Nacht-Geschichten erzählen lassen, ohne dass ihr die Augen zugefallen wären.

      »Du musst doch müde sein, Kind«, sagte Erich Gleisner ein bisschen ratlos. »Es ist spät, und du warst stundenlang unterwegs.«

      »Ich werde mich auch niederlegen«, meinte Betti. »Vielleicht schläft Evi dann ein.«

      »Eigentlich wollte ich noch mit Ihnen sprechen«, sagte Erich Gleisner.

      »Heute noch?«, fragte Betti mit zitternder Stimme.

      »Ja, falls Sie nicht zu müde sind. Aber ich will es nicht länger aufschieben.«

      »Ich bin nicht müde«, murmelte Betti. »Aber Evi …«

      »Es macht mir nichts aus, allein zu bleiben«, meldete sich Evi. »Ich fürchte mich nicht, ich bin ja hier zu Hause. Geh nur mit Vati.«

      Betti gab Evi einen Gute-Nacht-Kuss und verließ das Zimmer mit schleppenden Schritten. Gleich würde der Augenblick kommen, da Evis Vater ihr mitteilen würde, dass sie überflüssig sei, weil er sich in Zukunft selbst um das Wohl seiner Tochter kümmern würde.

      Einstweilen machte er jedoch nur eine Bemerkung, die Betti nebensächlich zu sein schien: »Draußen ist es angenehm warm. Ich möchte gern mit Ihnen in den Garten gehen. Sind Sie einverstanden?«

      Betti hatte nichts gegen diesen Vorschlag einzuwenden. Es war ihr egal, an welchem Ort sie die schlimme Nachricht empfing. Im Garten war es dunkel. Falls sie nicht imstande sein würde, die Tränen zurückzuhalten, würde er sie wenigstens nicht sehen.

      Schweigend schlug Erich Gleisner den Weg zu der Gartengarnitur ein, von der aus er Betti damals beim Jäten des Blumenbeetes beobachtet hatte. Es war jedoch nicht so finster, wie Betti gehofft hatte. Der Vollmond tauchte den Garten in ein silbriges Licht.

      Als sie bei der Bank angekommen waren, nahm Erich, ohne ein einziges Wort zu äußern, Betti in die Arme und küsste sie. Betti war zu überrascht, um sich zu wehren. Sie erwiderte seinen Kuss sogar mit einer Leidenschaft, die Helmut Koster bisher an ihr vermisst hatte.

      Doch nach ein paar Sekunden kam sie zur Besinnung und stieß Erich heftig weg. Er taumelte, konnte sich aber gerade noch an dem Gartentischchen festhalten.

      »Du vergisst, dass ich immer noch ein halber Invalide bin«, murmelte er mit belegter Stimme.

      »Sie müssen verrückt sein!«, sagte Betti.

      »Verrückt? Nein, ich bin nicht verrückt. Ich liebe dich, Betti«, erklärte er ernst.

      »Wie können Sie es wagen, mir so etwas …, so etwas …« Betti war ihrer Stimme nicht mehr mächtig.

      »Wagen? Warum sollte ich es nicht wagen? Es ist doch nichts Schlechtes. Komm, Betti, setzen wir uns. Das lange Stehen strengt mich noch an.«

      Betti gehorchte, setzte sich jedoch nicht zu ihm auf die Bank, sondern auf den Sessel, der am weitesten von ihm entfernt stand.

      »Es ist kein Wunder, dass du mich für verrückt hältst. Ich hätte zuerst reden sollen«, meinte er reuig. »Ich liebe dich, und mein größter Wunsch ist es, dich zu heiraten.«

      »Aber das …, das …«

      »Überrascht dich das etwa? Ich musste meine Gefühle bisher im Zaum halten. Solange ich ein Krüppel ohne Zukunftsaussicht war, durfte ich dich nicht belästigen. Aber jetzt hat sich das geändert. Übrigens ist das hauptsächlich dein Verdienst. Wenn du mich nicht überredet hättest …«

      »Das habe ich nun schon oft genug gehört.« Betti hatte das Lob, mit dem sie überschüttet wurde, herzlich satt. Sie befand sich in einem Zustand, in dem sie kaum noch wusste, was sie sagte oder tat. Erich Gleisner hatte ihr soeben einen Heiratsantrag gemacht, und offensichtlich meinte er es ernst. Was sollte sie antworten, ohne ihn zu verletzen?«

      »Ich habe gedacht, dass auch du mich gern hast«, fing er von Neuem an. »Aber vielleicht war das nur Einbildung.«

      O Gott, warum ließ er sie denn nicht in Frieden? Ja, ja, ich liebe dich auch, hätte sie ihm am liebsten zugerufen. Aber das durfte sie nicht.

      »Dann war es also ein Irrtum meinerseits«, sagte er schließlich tonlos. »Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich zu entschuldigen.«

      »Nein«, hauchte Betti. »Es war kein Irrtum. Ich …« Sie seufzte resigniert.

      »Dann liebst du mich also doch?«, rief er.

      »Ja.«

      Er stand auf, ging zu ihr und beugte sich über sie. »Warum sagst du das so zaghaft, so, als ob es dich nicht freuen würde? Meinst du, ich denke noch immer an meine Frau? Glaub mir, die Vergangenheit ist für mich vorbei. Oder zögerst du, weil ich anfangs so schroff dir gegenüber war? Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt, aber als du damals mit Evi ins Zimmer kamst, so jung und lebensfroh, da wurde mir meine Hilflosigkeit doppelt bewusst. Gott sei Dank ist das jetzt vorbei. Ich bin wieder in der Lage zu arbeiten und kann dir eine schöne Zukunft bieten.«

      »Ach …«

      »Oder denkst du so wie Gisela? Ist es dir hier im Forsthaus zu einsam?«

      »Oh, das Forsthaus gefällt mir. Ich würde so gern hier leben.«

      »Würde?«

      »Ja.« Betti bot all ihre Kraft auf, um ihm die Wahrheit zu sagen. »Eine Heirat zwischen uns ist ausgeschlossen«, sagte sie erschöpft.

      »Aber wieso? Eben hast du mir zu verstehen gegeben, dass ich dir nicht gleichgültig bin, dass du mich liebst. Warum bist du gegen eine Heirat? Und was soll aus Evi werden? Ich will dich heiraten, weil ich dich liebe, nicht des Kindes wegen. Aber ein bisschen spielt auch Evi dabei eine Rolle. Du bist wie eine Mutter zu ihr.«

      »Ja, ich weiß.« Betti weinte nun. »Die Trennung von Evi wird furchtbar sein, aber sie ist notwendig.«

      »Notwendig? Warum? Sag mir endlich den Grund!«

      »Ich …, ich bin verlobt«, stammelte Betti.

      »Verlobt!« Erich richtete sich auf. Er ging zum nächsten Stuhl und ließ sich darauf niedersinken. »Verlobt«, wiederholte er mechanisch. Dann fuhr er in scharfem Tonfall fort: »Warum hast du nie etwas davon erzählt?«

      »Dazu gab es keinen Grund. Wer interessiert sich denn schon für meine Angelegenheiten?«

      »Nun, zum Beispiel ich.«

      Betti schwieg, und auch er sagte lange Zeit kein Wort. Dann setzte er zu einer tastenden Frage an: »Und dein Verlobter? Liebst du ihn?«

      »Ob ich Helmut liebe?« Betti verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Ich fürchte – nein«, murmelte sie undeutlich.

      »Und trotzdem ziehst du deinen Helmut mir vor?«, fragte er ironisch.

      »Ich ziehe ihn ja nicht vor«, stöhnte Betti verzweifelt.

      »Jedenfalls willst du ihn und nicht mich heiraten.«

      »Was soll ich denn machen? Wir sind verlobt …«

      »Was du machen sollst? Du sollst ihm sagen, dass du dich geirrt hast, und ihn bitten, dich freizugeben.«

      »Das hört sich so einfach an. Aber ich bringe es nicht über mich, Helmut so zu enttäuschen.«

      »Betti!«, rief Erich in einem beschwörenden Tonfall. »Willst du dein zukünftiges Leben, deine Ehe auf einer Lüge aufbauen? Du hast mir soeben gestanden, dass du mich liebst, und


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