Hypnotherapie bei Depressionen. Dirk Revenstorf
alt="image"/> Kap. 2.5 und Online-Zusatzmaterial). Schließlich kann Hypnose neben den genannten spezifischen Vorgehensweisen auch unspezifisch genutzt werden, nämlich zur Beruhigung, Distanzierung, zur Förderung einer Akzeptanzhaltung sowie als fürsorgliche Unterstützung seitens des Therapeuten.
Nachdem weiter oben die generellen Strategien der Hypnotherapie erläutert wurden, sollen hier einige spezifische Interventionsformen aufgelistet werden, um einen Einblick in die Vielfalt der hypnotischen Vorgehensweisen zu geben. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit ergibt sich folgendes Repertoire an Basistechniken der Hypnotherapie:
1. Verwendung permissiver und direktiver Kommunikation nach Bedarf und Ich-Struktur
2. Verwendung von Einstreuung und Mehrfachbotschaften (
3. Reframing von Misserfolgen, Symptomen etc.
4. Kreierung von Ressourcen-Orten (Sicherer Ort, Wohlfühl-Ort usw.)
5. Ressourcensuche und ihr Transfer (Ankern)
6. Formale Trancen und beiläufige Trance-Einleitung nach Bedarf
7. Regressive Rekonstruktion und Heilung von Traumata
8. Progressive Vorgehen zur Kreation von Lösungsvisionen
9. Monologische Induktion zur suggestiven Nutzung der Trance
10. Dialogische Induktion zur explorativen Nutzung der Trance
11. Direkte Suggestion bei bekanntem Lösungsweg
12. Indirekte Suchprozesse bei nicht-bekanntem Lösungsweg
13. Externalisierung von Zielvorstellungen und Symptomen (z. B. Schmerzfigur)
14. Verwendung von Symbolen und Metaphern zur impliziten Kontext-Erweiterung
15. Kinotechnik zur partiellen Dissoziation und sukzessiven Annäherung
16. Ideomotorik zur Berücksichtigung impliziten Wissens (
17. Nutzung von Übertragung in Hypnose für Nachbeelterung in bestimmten Situationen
18. Posthypnotische Suggestionen für den Transfer in den Alltag
2.4 Überschneidungen
2.4.1 Magie
Es ist nicht zu übersehen und verstörend, dass der Hypnose etwas Unheimliches anhaftet. Sie berührt – zumindest in der Volksmeinung – Abgründe wie die Entdeckung unangenehmer, bisher gut gehüteter Geheimnisse, den Kontrollverlust über eigene Affekte, das Ausgeliefertsein an den Hypnotiseur durch Manipulation und den Verdacht von Hokuspokus. Hypnotherapie ist in der Vorstellung vieler Menschen nahe der oft peinlichen, beschämenden und entwürdigenden Showhypnose angesiedelt. Achtsamkeit dagegen ist ähnlich wie die Hypnose eine Bewusstseinstechnik, aber sie macht keine Angst; sie bezieht ihre Legitimation aus der schlichten und weitgehend transparenten Meditation und schließt eine spirituelle Entwicklung mit ein. Daher muss für die Akzeptanz der Hypnose u. U. etwas getan werden, um bei Bedarf irreführende Vorstellungen des Patienten zu revidieren.
2.4.2 Tiefenpsychologie
Freud stellte Anfang des 20. Jahrhunderts in der hypnotischen Trance eine starke Übertragungsreaktion fest, die er erotisch interpretierte. Viel später stellte man fest, dass die Trance selbst auch ohne Hypnotiseur als ein veränderter Bewusstseinszustand existiere, der durch sensorische Deprivation gefördert werde. Dieser Zustand, der primärprozesshaftes Denken auslöse, begünstige dann allerdings Regression und in der Folge eine Übertragung. Ein wesentliches Prinzip der Hypnose bestehe außerdem darin, dass der Patient durch gesteigerte Erinnerungsfähigkeit und eine verminderte Abwehr in hypnotischer Trance abgespaltene Erlebnisse erinnere, die mithilfe der Hypnose in der Rekonstruktion bewältigt werden könnten.
Aus der Sicht der Tiefenpsychologie Jungs (1921, S. 444–528), ermöglicht hypnotische Trance eine Dissoziation des Bewusstseins von der dominanten Persönlichkeitsstruktur (»Ich-Komplex«). Dabei wird die kohärenzstiftende Funktion des Alltags-Ich an den Therapeuten delegiert und verdrängte Ich-Anteile können wahrgenommen werden, die sonst im Hintergrund bleiben – wie »Anima«, »Animus« oder »Schatten« (Hall 1982). In der psychodynamischen Vorgehensweise dient die Hypnose der Aufdeckung dissoziierter, weil affektiv belasteter Inhalte. Tiefenpsychologisch kann die Hypnose also sowohl aufdeckend wie auch zur Förderung der Übertragung verwendet werden.
Hypnotherapie beschäftigt sich mit verschiedenen Ebenen der Informationsverarbeitung als Zugang nicht nur zu den bewussten, sondern auch zu den unbewussten Schichten. Es wird zunächst das Wachbewusstsein zur Schaffung des Rapports und für die Tranceinduktion angesprochen, das Vorbewusste für auftauchende »hypnoide« Bilder und das Trancebewusstsein zur abwehrfreien Bearbeitung belasteter Inhalte sowie schließlich die Subliminalebene durch die Verwendung von Metaphern oder auditiv markierter Einstreusuggestionen. Metaphern vermitteln außerdem Inhalte auf einer symbolischen Ebene, die nicht durch Argumente, sondern durch Analogieschluss überzeugen. Hypnotherapie stellt daher ein umfassendes Instrument zur Anregung mentaler Prozesse dar. Schon Freud bemerkte, dass der Traum sich wie die hypnotische Trance durch primärprozesshaftes Denken auszeichne, das offensichtlich kreativ ist und vorteilhaft für Problemlösungen herangezogen werden kann.
2.4.3 Verhaltenstherapie
Für die Verhaltenstherapie ergeben sich verschiedene Schnittstellen mit der Hypnose. Traditionell wird Verhaltenstherapie als Veränderung des sichtbaren Verhaltens und der Herstellung von Bedingungen verstanden, die dieses begünstigen (Stimuli, Kompetenzen, Kontingenzen). Durch Übung, Rollenspiel und Reizexposition werden Neu- oder Umlernprozesse in Gang gesetzt. Auch gehört zur Verhaltenstherapie die Vorbereitung der körperlichen Erfahrung in sensu; dabei wird Imagination als Stellvertreter der Realitätserfahrung verwendet. So können z. B. phobische Reize in der Vorstellung desensibilisiert oder Konfrontationen in der Phantasie vorgenommen werden.
Man kann daher therapierelevante Inhalte auf mindestens vier verschiedene Arten nahebringen: durch Erfahrung, durch Vorstellung, sprachlich-argumentativ oder sprachlich-metaphorisch. Während in der Verhaltenstherapie in vivo, in sensu und argumentativ sowie durch Selbstbeobachtung oder Modellbeobachtung interveniert und die direkte Erfahrungsebene eingesetzt wird, nutzt Hypnotherapie außerdem paraverbale und metaphorische Kommunikationsmöglichkeiten und zielt damit auch auf die subliminale und die symbolische Ebene der Verarbeitung ab. Hypnotische Trance wird als Zustand verwendet, in dem die Imagination und Fokussierung eines bestimmten Inhalts quasi-reale Qualität annimmt. Dadurch können progressiv neue Erfahrungen vorbereitet oder regressiv formative Erfahrungen in sensu revidiert werden. Erhöhte Empfänglichkeit für posthypnotische Suggestionen und intensivierte Vorstellung als probeweise Erfahrung spielen dabei gleichermaßen eine Rolle. Indirektheit wird genutzt, um Haltungen, Verhaltensweisen und Vorstellungen zu bahnen, die bewusst abgewehrt werden, und außerdem dazu, zieloffene Suchprozesse zu fördern. Auf der anderen Seite können direkte Verschreibungen im Sinne posthypnotischer Suggestionen den Transfer von bewusst akzeptierten Verhaltensweisen in den Alltag erleichtern.
Die verschiedenen Therapieschulen setzen mit ihren Interventionen an den unterschiedlichen Aspekten der Depression an und können sich synergetisch ergänzen. So können kognitive Interventionen, wie Psychoedukation oder Erklärungsmodelle, dazu beitragen, Schuldgefühle oder negative Attribuierungen argumentativ zu entkräften; hypnotherapeutisch können indirekte Suggestionen