Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter. Jan Schabacker
Doch auch diese Personen haben ein Recht auf Privatsphäre und am eigenen Bild, wenn es sich bei dem Rahmen der Erstellung des Bildes nicht um ein Ereignis der Zeitgeschichte handelt. Wenn ein bekannter Politiker beim Friseur sitzt und das Bild des Haareschneidens im Internet veröffentlicht wird, gilt diese Ausnahmeregelung nicht. Es muss ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit vorliegen, das mit dem Recht am eigenen Bild und dem Recht auf Privatsphäre des Betroffenen abzugleichen ist. Dass die Grenzziehung in solchen Fällen sich durchaus als problematisch darstellen kann, erschließt sich von selbst. Absolute Personen der Zeitgeschichte spielen für die polizeiliche PR in der Regel aber auch nur dann eine Rolle, wenn es sich tatsächlich um zeitgeschichtliche Ereignisse handelt, beispielsweise der Besuch einer Polizeibehörde durch den Innenminister oder eine Kampagne mit Unterstützung eines prominenten Sportlers.
Spannender ist die Frage nach der Definition der relativen Personen der Zeitgeschichte. Hierzu ist wichtig, sich zunächst vor Augen zu führen, welchen Zweck diese Ausnahmeregelung verfolgt. Sie soll die Möglichkeit schaffen, die Öffentlichkeit auch im Bild über Ereignisse von allgemeiner Bedeutung, und damit von Interesse für die Öffentlichkeit, zu informieren. Zur Zeitgeschichte zählen politische, wirtschaftliche und kulturelle, aber natürlich auch sicherheitsrelevante Themen. Überwiegt in der Rechtsgüterabwägung das berechtigte Informationsinteresse der Allgemeinheit, so ist die Aufnahme von Personen und auch die Verbreitung des Materials rechtlich zulässig. Fertigen Sie selbst für die eigene PR Bilder von fremden Personen in einem solchen Zusammenhang, ist auch die Nutzung für die Öffentlichkeitsarbeit der Behörde möglich. Zu relativen Personen der Zeitgeschichte werden aber bei polizeilichen Maßnahmen regelmäßig alle handelnden Personen und damit auch die Polizistinnen und Polizisten im Einsatz.
Das abgestufte Schutzkonzept des BGH
Dieses Konzept wurde vom BGH zur Abwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der Pressefreiheit in einem Urteil 2007 herangezogen und hat bis heute Bestand. Demnach darf der Informationswert der Berichterstattung im Abwägungsprozess nicht unberücksichtigt bleiben. Je geringer der Informationswert einer Berichterstattung für die Allgemeinheit ist, umso mehr muss der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen berücksichtigt werden. Dies gilt auch für bekannte und absolute Personen der Zeitgeschichte. Ausdrücklich nicht in die Bewertung mit einfließen darf die Qualität des Presseerzeugnisses, da dies ein Eingriff in die Pressefreiheit wäre.
Auszug aus dem Urteil des BGH, Urteil vom 6. März 2007 – VI ZR 13/06:
Maßgebend ist […] das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, sodass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden.
Diese Formulierung macht einmal mehr deutlich, dass es schwarz und weiß in diesem Rechtsbereich nicht gibt. Wir bewegen uns tatsächlich in einer rechtlichen Grauzone, die immer wieder im Einzelfall eine neue an den aktuellen Gegebenheiten gemessene Bewertung erfahren muss.
2. Personen als Beiwerk des Hauptmotivs
Diese Ausnahme greift nur dann, wenn die Person auf dem Bild oder im Video tatsächlich nur als „Beiwerk“ in Erscheinung tritt. Veröffentlichen wir beispielsweise ein Foto eines total beschädigten Unfallfahrzeugs, neben dem am Rand auf dem Gehweg einige Personen stehen, die sich die Unfallörtlichkeit anschauen, sind diese Personen dann „Beiwerk“, wenn sich aus dem Gesamtkontext der Fokus klar auf das beschädigte Fahrzeug richtet. Geht es aber in der Berichterstattung um Gaffer und das Bild ist geeignet, auch diese Thematik zu bedienen – der Fokus wird also klar auf die Personen gelenkt –, fällt die Bewertung sicherlich anders aus. Die zentrale Frage, die in diesem Zusammenhang beantwortet werden muss, lautet: Bleiben das Motiv und der Charakter des Bildes erhalten, wenn man die Personen auf dem Bild weglassen würde? Auch diese Frage muss in jedem einzelnen Fall mit der entsprechenden Sensibilität erneut erörtert werden.
3. Menschenansammlungen
Die Teilnahme an Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen lässt Aufnahmen ebenfalls unter der Voraussetzung zu, dass nicht einzelne Personen abgebildet werden, die im Vordergrund stehen. Das Gesamtereignis, die Versammlung oder die Veranstaltung muss den Eindruck des Bildes prägen. Veranstaltungen und Versammlungen müssen für diesen Fall öffentlich zugänglich sein. Veranstaltungen von Privatinitiatoren, wie beispielsweise Fußballspiele oder große Konzerte, verfügen häufig über besondere Regelungen zum Fotografieren und Filmen, die sich normalerweise aus den Geschäftsbedingungen der Veranstaltung ergeben.
4.2.2Die Polizei im Fokus – auch Polizistinnen und Polizisten haben ein Recht am eigenen Bild
Immer wieder wird im Kollegenkreis diskutiert, ob man sich in einem polizeilichen Einsatz das Fotografieren oder Filmen der eigenen Person gefallen lassen muss oder nicht. Die Erörterung der Frage, ob es sich bei einem Sachverhalt um ein Ereignis der Zeitgeschichte und damit um einen Vorgang von allgemeiner Bedeutung handelt, ist auch hier häufig der zentrale Dreh- und Angelpunkt, wenn es um das Recht am eigenen Bild von Polizistinnen und Polizisten geht (siehe Kapitel 4.2.1, relative Personen der Zeitgeschichte und abgestuftes Schutzkonzept des BGH). Kolleginnen und Kollegen im Einsatz werden dann zu Personen der Zeitgeschichte, wenn die Betrachtung des Einsatzanlasses zu der Auffassung führt, dass es sich bei dem Geschehen um einen Vorgang von allgemeiner Bedeutung und somit von Interesse für die Öffentlichkeit handelt. Das dürfte bei vielen Einsatzlagen im öffentlichen Raum der Fall sein. Nehmen Polizisten beispielsweise einen schweren Verkehrsunfall auf oder eine Person fest, sind sie in diesem Moment relative Personen der Zeitgeschichte, das Fertigen von Bildern und Videos ihrer Person auch mit dem Ziel der Verbreitung ist in diesem Zusammenhang also zulässig. Grundsätzlich muss für jeden Einzelfall die Frage des zeitgeschichtlichen Ereignisses geprüft werden.
Unzulässig ist nach geltender Rechtsprechung die Aufnahme aus nächster Nähe oder Porträtbilder. Hier kann unterstellt werden, dass die Intention der Aufnahme die Darstellung der Person ist. Kommt man also in einem konkreten Sachverhalt zu dem Ergebnis, dass entweder kein zeitgeschichtlicher Vorgang vorliegt oder ein unzulässiges Bild aus nächster Nähe gefertigt wurde, dann können auch polizeiliche Maßnahmen ergriffen werden. Denn gemäß § 33 Kunsturhebergesetz stellt das Verbreiten oder öffentliche Zurschaustellen eines Bildnisses eine Straftat dar. Regelmäßig ist in diesen Konstellationen die Feststellung der Identität des Erstellers zulässig, um gegebenenfalls Straftaten zu verhindern oder bei nachfolgenden Verstößen entsprechende Rechtsansprüche geltend zu machen. Unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und sorgfältiger Prüfung konkreter Anhaltspunkte für das Begehen einer Straftat kann auch eine Beschlagnahme der Kamera gerechtfertigt sein.
§ 33
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.
4.2.3Problemfeld Versammlung für die polizeiliche PR
Im Oktober 2018 erging ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen zu PR-Aufnahmen der Polizei bei einer Versammlung. Ein mobiles PR-Team der Polizei hatte uniformiert Bilder der Demonstration gefertigt und sie im Anschluss über Facebook und Twitter verbreitet. Dem Urteil nach ist das Anfertigen von Bild- oder Tonaufnahmen durch die Polizei bei Versammlungen