Seewölfe - Piraten der Weltmeere 652. Sean Beaufort

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 652 - Sean Beaufort


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stand auf, packte das Stag des Notmastes und spähte voraus.

      „Was siehst du?“ fragte Philip und wackelte mit den Zehen.

      „Keine Ahnung. Da ist etwas. Irgend etwas treibt Steuerbord voraus.“

      „Gut. Ich halte drauf zu.“

      Wenn es nicht gerade Treibholz war, konnte jeder Fund ihnen nur helfen. Natürlich hofften sie, daß sie bald eine der Inseln der Kapverden vor sich hatten, daß die Schebecke oder ein anderes Schiff auftauchen würde, oder daß sie an die Küste Afrikas getrieben wurden.

      „Ein Strich nach Steuerbord, Phil“, sagte Hasard.

      „Aye, aye, Sir.“

      Das Garn spannte sich, als die Münze hinter dem Boot durch das Wasser wirbelte. Die drei Arwenacks dachten oft an den Kutscher und Mac Pellew, und irgendwann sagten sie sich, daß diese beiden Meister der Kombüse an Bord viel zu oft dem Spott der Crew ausgesetzt waren.

      Fast immer bedeutete das Maulen der Arwenacks nicht viel, die beiden ließen sich davon auch kaum erschüttern, aber selbst ein Fischgericht des Kutschers, lecker gewürzt, würde ihnen jetzt das Leben als Paradies erscheinen lassen.

      Old Donegal ruckte am Garn, aber es gab noch keinen Widerstand. Die Münze glitt durchs klare Wasser und drehte sich.

      Hasard versuchte, den Gegenstand zu erkennen, der sich mit der Welle hob und wieder zwischen den Schaumkronen verschwand.

      „Keine Kokosnüsse“, murmelte er.

      Die Schiffbrüchigen hatten Gewicht verloren. Das war auf den ersten Blick zu sehen. Ihre Rippen traten deutlich hervor. Wie sie sich fühlten, war nicht so wichtig wie ihr tatsächlicher Zustand. Sie spürten Mattigkeit und brennenden Durst, aber ihre Kräfte hatten noch nicht so stark nachgelassen, daß Philip, Old Donegal und Hasard sich nicht mehr bewegen konnten.

      „Sondern?“ rief Old Donegal.

      „Sieht aus wie eine Kiste. Ziemlich groß“, erwiderte Hasard und fügte nach ein paar Minuten hinzu: „Und offen.“

      „Und wahrscheinlich leer“, brummte Philip.

      Der Bug des Bootes zeigte auf den treibenden Gegenstand. Er wurde ebenso nach Süden gezogen wie die Jolle. Die Entfernung verringerte sich nur langsam. Aber je näher die Arwenacks gelangten, desto deutlicher sah Hasard, daß er recht gehabt hatte.

      Old Donegal und Philip beugten sich vor, um besser sehen zu können. Der Fund trieb näher heran. Hasard kniete zwischen den Duchten, reckte den Arm vor und versuchte, das Holz zu packen. Old Donegal löste die provisorische Schot. Das Boot verlor Fahrt, und Philip steuerte es weiter nach Steuerbord. Hasards Finger schlossen sich um den nassen Holzrahmen des aufgeklappten Deckels.

      Er zog die Kiste näher. Sie schwang langsam herum und schlug gegen die Bordwand. Old Donegal belegte seine Angelschnur an einer Dolle und faßte mit an.

      „Da ist tatsächlich was drin“, sagte er aufgeregt.

      Er faßte in das Wasser, das die Kiste fast ausfüllte und hob ein triefendes Bündel nach dem anderen heraus, insgesamt waren es fünf. Dann drehten sie mühsam die Kiste herum und hievten sie, nachdem das Seewasser ausgelaufen war, über das Dollbord.

      Im selben Augenblick rief Phil: „Granddad! Deine Angel! Der größte Fisch des Meeres hängt am Haken! Pack zu!“

      Old Donegal wickelte das Garn um seine Faust, zog einmal kurz, dann kräftig, und dann holte er die zitternde Angelschnur Hand über Hand ein. Am Widerstand merkte er, daß der Fang nicht klein war. Offenbar ein recht großer, jedenfalls ein kräftiger Fisch.

      Die Seekiste polterte neben dem Mast zwischen die Duchten. Hasard turnte zum Heck, zog die Schot straff und setzte sich auf die hinterste Ducht. Er griff nach den Bündeln, hob sie auf die Ducht und schlug sie auseinander. Wasser tropfte auf die Planken.

      Old Donegal zerrte einen drei Fuß langen Fisch über das Dollbord. Das Tier schlug wild mit dem Schwanz.

      Der Alte packte sein Messer und stach dreimal in den Schädel des schnappenden Fisches.

      Dann versuchte er, das Tier, das im Todeskampf den Körper krümmte und den Schwanz gegen die Planken hämmerte, festzuhalten.

       2.

      Jetzt dümpelte die Schebecke vor der langgezogenen, fast geraden Küste im Süden der Insel São Vicente.

      „Wären sie auf der Insel, hätten sie uns gesehen und gehört“, sagte Don Juan de Alcazar.

      „Wir haben erst eine Hälfte abgesucht“, widersprach der Seewolf.

      Die Schebecke war so nahe an die Felsen, Buchten und Hänge herangesteuert worden, daß die Seewölfe fürchteten, die Planken würden am Gestein entlangschrammen.

      Treibholz, Fischgerippe und tote Seevögel säumten die Strände der Insel. Zweimal hatte Al Conroy einen Schuß aus der Drehbasse abgegeben, ein Signal, das den Vermißten sagen sollte, wo sich die Retter befanden.

      „Weiter nach Westen“, befahl Hasard.

      Inzwischen war an Bord wieder die alte Ordnung eingekehrt. Die Freiwache lag unter Deck und schnarchte in ihren Kojen. Um die Insel herum zu kreuzen, war alles andere als einfach und erforderte eine Menge Schläge. Hasard hob wieder das Spektiv und starrte mit schmerzenden Augen hindurch.

      Die Schebecke führte einen Schlag nach Südwesten aus, ging auf den anderen Bug und näherte sich wieder der Insel. In der Mitte des riesigen Halbrundes zeigte ein stumpfes Kap genau nach Süden.

      Ben Brighton wollte eine Bemerkung wegen der Zwillinge und des Admirals hinzufügen, schüttelte aber den Kopf und schwieg.

      Etwa drei ganze Tagesreisen war die afrikanische Küste von den Inseln entfernt. Feiner Sand schwamm ebenso in dem Gischt der Brandung wie auf dem Schwemmgut, das gegen die Felsen geschmettert wurde. Der Harmattansand bedeckte auch den flachen Strand, über den die Blicke der Seewölfe glitten, als die Schebecke in einem gewagten Viertelkreis wieder an die Insel heranschloß und nach Westen weitersegelte.

      „Nicht einmal schwarze Sklaven hocken auf den Klippen“, sagte Higgy und setzte sich auf den Niedergang. „Verdammt leer, die Inseln.“

      Santa Luzia und die öden Felseilande Branco und Razo würden ebenfalls leere Inselchen sein. Santiago, Fogo, Boa Vista und vielleicht Sal waren besiedelt.

      „Bis auf Vögel und, vielleicht, irgendwelche kleinen Tiere“, meinte Jan Ranse.

      „Wahrscheinlich Ratten und Mäuse. Die gibt es überall“, setzte Sam Roskill hinzu.

      Die Schebecke pirschte in langsamer Fahrt entlang der Strände, die von Felsbrocken übersät waren. Hinter den Dünen wuchsen kümmerliche Büsche, von einigen struppigen Kokospalmen überragt, die sich im Wind des Nachmittags schüttelten.

      „Ja. Fische natürlich auch“, sagte Bob Grey.

      Jetzt stand Piet Straaten am Ruder, und Hasard war nicht von Deck wegzukriegen. Er befand sich entweder auf dem Grätingsdeck, auf der Kuhl oder der Back, je nachdem, von welcher Stelle er einen besseren Ausblick hatte. Er war todmüde und unrasiert. Seine Stimmung schwankte zwischen Trauer und neu aufflackernder Hoffnung.

      Um die Insel kreisten Vögelschwärme und kleinere Gruppen dunkler Vögel, die sich mit vorgereckten Schnäbeln ins Wasser stürzten und mit kleinen Fischen darin wieder auftauchten.

      Auch diese Insel sah aus, als wäre sie vor unendlich langer Zeit aus flüssigem Gestein geschaffen worden. Jenseits der Strände wuchsen in den Spalten der seltsamen Oberfläche unbekannte Sträucher. Aber über die Strände führten keine Fußspuren.

      „Hör zu, Sir“, sagte Ben Brighton eine Stunde später, als sie den Punkt ereicht hatten, den sie schon kannten. „Geh unter Deck und schlaf ein paar. Stunden. Wir wenden und gehen an Santa Luzia und den beiden Felsen vorbei nach São


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