Mein Garten(buch). Jamaica Kincaid

Mein Garten(buch) - Jamaica Kincaid


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Platz um sich herum und noch ein wenig mehr verschlingend); mehrere Kultivare der blauen Kardinals-Lobelie (gekauft bei Dan Hinkley, weil mir seine Beschreibung so gut gefiel, und ich behalte mir vor, diese Lobelie genauso zu sehen, wie Dan sie beschrieben hat), die kurz vor der Blüte stehen; eine zufällige Zusammenstellung großblütiger Ballonblumen in Blau und Pink; eine große Menge hoher Eisenhüte, die ich nicht hochgebunden habe, sodass sie sich vornübergebeugt und mit den mehrjährigen Wicken vermischt haben, die ihrerseits einen Satz reinweißer Blüten in das trockene Braun hinaufschickten, das einmal die Riesenblüte des Meerkohls war (eine ideale Lösung, denn Weiß mit Weiß zu ersetzen wäre mir absichtlich nie gelungen); und die Ranken der Clematis paniculata, deren angenehm penetrant riechende Blüten Anfang September erscheinen werden (was ich in diesem Sommer des wunderlich blühenden Blauregens allerdings nur vermuten kann); die sehr spät blühenden Eisenhüte, der abblühende Rittersporn (einige von Dan Hinkleys Sorte ›Melissa’s Hope‹, andere von Bob Stewards empfohlenen McClegnan’s Hybriden), die Malven (alcea und moschata), die ich erst nicht mochte und ohne die ich jetzt (damals) nicht glaube leben zu können, weshalb ich sie, wenn sie üppig blühend in fremder Leute Gärten stehen, neidisch und mit pflichtschuldiger Bewunderung betrachte; die Tigerglocke, die verlangt, dass man sich vorbeugt – verbeugt –, wenn man sie sehen will, und das sollte man tun, denn es lohnt sich. Und den Kopf von rechts nach links drehend, überquere ich den Weg, der diesen Teil des Gartens abtrennt (eine Annehmlichkeit) – und auf der anderen Seite herrscht, schiere Scheußlichkeit, ein paar Becherpflanzen, Federmohn und anderes (eine Gruppe gelber Stockrosen, gelber Calla, gelb und fast gelb blühender Fackellilien, aber mir gefallen sie); ein hochgeschätzter Strauchtabak (Nicotiana glauca, glaube ich, nicht Nicotiana tomentosa, allerdings weiß ich nicht, wie sie sich voneinander unterscheiden, und im Grunde ist es mir auch nicht wichtig); ein Bananenbaum (Musa ›Lord Cavendish‹) im Kübel, der sich vor dem Hintergrund ihm fremder Pflanzen (Immergrüne, Eisenhut) wohlzufühlen scheint; in zwei Töpfen die dunkelrote Dahlie ›Bishop of Llandaff‹ (gekauft bei Dan H.), die mit den glänzenden Blättern; der gelb blühende Schmetterlingsstrauch; die immerblühende Rose ›Pristine‹, die einmal blühenden Rosen ›Henry Kelsey‹ und ›Alchymist‹ und die für mich hin und wieder blühende ›Stanwell Perpetual‹; zwei Clematis aus dem Himalaya von Dan H. (deren Namen ich mir nicht merken kann, von denen ich nur noch weiß, dass er ihre Qualitäten in den höchsten Tönen lobte, und auch die kann ich mir nicht merken, ich weiß nur, dass ich sie sehr liebe und dass sie meines Wissens von keinem anderen Gärtner gezüchtet werden); der weiße Blauregen, der nicht geblüht hat, was mich aber nicht weiter beunruhigt (er hat gerade viele Triebe nachgeschoben, und ich möchte annehmen, dass daraus einmal Zweige werden und dass aus den Zweigen Stängel wachsen und an den Stängeln … Blüten?); und dann die Lilium oriental ›Black Beauty‹, die aber zu meinem Leidwesen nicht schwarz ist – eine Blume, die schwarz ist, schwarz wie die Nacht oder wie etwas, das man sofort als schwarz erkennt, ist so selten in einem Garten, bei einer Blume, dass ich sie mir sehnlichst wünsche; und dann bleibe ich in dieser Momentaufnahme des Gartens da stehen, wo der Agapanthus ›Blue‹ des großen Züchters Eric Smith in einem Tonkübel in voller Blüte steht. Ich liebe Eric Smith, zumal ich ihn nur auf sehr unpersönliche Art kenne: Ich weiß nicht, ob er Fleisch lieber mag als Gemüse oder Wolle lieber als Baumwolle, ich weiß nur, dass wir die meisten kleinblättrigen blauen Funkien (besonders ›Halcyon‹) seinem Interesse und seinen Bemühungen zu verdanken haben.

      Ich finde es wunderbar, wenn die Dinge auf mich einstürmen, ich liebe die Dichte, das im Moment des Geschehens für alle Ewigkeit Zusammengedrängte, sodass der Versuch, es zu verstehen, dem Aufdröseln einer großen Stoffbahn gleichkommt, die man glatt hingelegt und gerahmt und als Wandbehang mit Bedeutung befrachtet hat. In diesem Sommer – jenem Sommer – kamen dann die Abende, und die Vögel sangen ihre Lieder, die ich – je nach Stimmung – ärgerlich oder fürchterlich oder heiter fand oder einfach vogelgemäß, sofern meine Stimmungslage mir erlaubte zu begreifen, dass so ein Vogel sich eben häufig vogelgemäß verhält. Eines Tages, als ich am Blauregen herumrätselte oder herumquengelte (was im Grunde auf das Gleiche herauskommt), hörte ich das laute Hämmern eines Spechtes, und als ich aufblickte, sah ich, wie er mit dem Schnabel den Dachrand meines Hauses bearbeitete. Vormittags schlafe ich gern lange, so lange, bis die Sonne fast senkrecht am Himmel steht, nicht ganz, nur fast, und manchmal weckte mich, wenn ich schlief und gerade einen besonders schönen Traum hatte, jenes Hämmern, nicht so wie das Hämmern eines Tischlers, der sich an meiner Hauswand zu schaffen machte, aber eindeutig ein Hämmern. Ein Mann – kein Tischler – kommt einmal im Monat zu mir, um die Nager in meinem Haus in Zaum zu halten (oder, anders ausgedrückt, dafür zu sorgen, dass keine Nager in meinem Haus leben oder aber, wenn sie es versuchen, bald sterben). Als dieser Mann mein Haus auf Stellen absuchte, durch die Nager eindringen könnten, sah er die Löcher, die der Specht gehämmert hatte, und sagte: »Da sitzen Insekten drin, die fressen alles auf.« »Was soll ich tun?«, fragte ich, und er sagte etwas, was ich absichtlich vergessen habe, denn wenn ich einen toten Vogel in der Nähe des Hauses und im Garten finde, überlege ich jetzt immer, ob er Insekten gefressen hat, die mein Haus auffressen. Ich habe den Specht tot in der gelben Rabatte gefunden, ich habe tote Rotkehlchen nicht weit von der gelben Rabatte gefunden. Was tun? Und als ich nicht mehr aus noch ein wusste und mit mir selbst im Streit lag wegen meiner Ängste und meiner Verantwortung anderen gegenüber (Vögeln, wohlgemerkt!), erschien der nächste Specht und hämmerte am Haus herum und war einmal so laut, dass ich mich nicht auf meine Lektüre konzentrieren konnte (ich las gerade Jeremias, den jüdischen Propheten). Und dann fand ich die zerbrochene Schale von einem Rotkehlchenei im Zwergkiefernbeet, und ein Vogel, dessen Namen ich nicht kannte, baute ein Nest hinter den roten Fensterläden und legte Eier hinein, und die Mutter war sehr rücksichtsvoll, aber ihre Kinder waren eine schreckliche Plage, besonders morgens um halb sechs.

      Und in jenem Sommer – diesem Sommer –, in dem der Blauregen zur Unzeit blühte, regnete es zuerst zu viel und dann nicht genug und dann wieder zu viel und dann einfach gar nicht mehr. Es war keine Dürre, und mit Dürre meine ich das Ausbleiben von Regen und zugleich eine Hitze, die zielstrebig (bösartig) tief in den Boden hineinreicht und ihm so viel Feuchtigkeit entzieht, wie sie nur finden kann, so viel Feuchtigkeit, dass ich mich sorge und dann aufrege und dann ärgere. Wie viel Ärger so ein Garten bringt und wie viel Freude – denn es ist nicht die Art von Ärger, die uns überkommt, wenn wir nach längerer Zeit ein Lieblingskleid anziehen wollen und feststellen, dass die Knöpfe in der Taille oder am Ausschnitt oder an einer kritischen Stelle im Rücken fehlen oder sich nicht mehr mit den Knopflöchern vereinigen lassen. Ärger im Garten führt nicht zu Gesichtsverlust, sondern nur zu der Frage »Was tun?« – und damit zu großem Glück.

      Die gelbe Rabatte ist problematisch, die Trompetenlilien sind zu … zu … ich weiß nicht, jedenfalls passen sie nicht in die gelbe Rabatte, sie wirken wie ein Fremdkörper, und ich habe nichts, was zur gleichen Zeit blüht und ihnen angemessen Gesellschaft leisten könnte. Die Fackellilie blüht zur gleichen Zeit, ist aber als Gegenstück ungeeignet, sie dürfte nicht so nah bei den Trompetenlilien stehen. Die gelben Stockrosen (Alcea ficifolia), die die Trompetenlilien überragen, machen sich gut, aber ich habe nicht genug von ihnen, und das hat seinen Grund – ich konnte mir nicht so viele leisten, wie ich gebraucht oder gern gehabt hätte. Kein Geld zu haben finde ich demütigend. Ich lege gar keinen Wert auf Geld, schön finde ich nur das Ausgeben, und wenn ich es ausgebe, kann ich manchmal meinen Mitmenschen eine Freude machen; mir selbst aber bringt das Geldausgeben oft Enttäuschungen, denn Befriedigung ist für mich ein nur schwer erreichbarer Zustand (aber gerade deshalb darf man nicht lockerlassen), wie im Fall des scheußlichen Sonnenhuts (Rudbeckia maxima), der in einem allgegenwärtigen Gelb blüht (manchmal ist das Allgegenwärtige ermutigend, erbaulich und inspirierend, ein andermal das genaue Gegenteil). Und in jenem Sommer – diesem Sommer –, als ich im Garten herumstrich und mir das misslungene gelbe Staudenbeet ansah (und begriff, wie sehr ich bestimmte Formen und Farben missverstanden hatte und die Wirkung der einzelnen Pflanzen, die zusammen ein Ganzes bildeten), war ich der Verzweiflung nahe (aber einer Verzweiflung der lustvollen Art, um die sich alle Menschen bemühen sollten, die in jenem Teil der Welt leben, der im Sudan anfängt und in Südafrika aufhört). Und während ich so herumging, in einer Haltung, die ihre eigene Integrität hat (und mit Sicherheit ganz anders ist als die, die ich in Pfadfinderuniform


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