Sophienlust Box 15 – Familienroman. Patricia Vandenberg
ihren eigenen Wagen zur Verfügung gestellt.
»Jetzt ist es soweit, Sascha. Wenn alles glattgeht, benötigen wir in fünf Minuten ihren Wagen.«
»In Ordnung, Nick!« In fast militärischem Gehorsam nahm Sascha den Auftrag entgegen und verschwand. Er spielte ein bisschen Theater, doch die ganze Sache mache ihm genauso viel Spaß wie den Kindern.
Sogar die Erwachsenen an der Hochzeitstafel, die ja fast alle irgendwie eingeweiht waren, konnten sich der Spannung nicht ganz entziehen. »Dieses kleine Zwischenspiel ist so ganz nach dem Geschmack unseres Sohnes«, flüsterte Alexander seiner Frau schmunzelnd ins Ohr.
Denise hatte gerade noch Zeit zu nicken, dann fesselten die Geschehnisse an der Hochzeitstafel ihre Aufmerksamkeit.
Dr. Stefan Frey presste verstohlen die Hand seiner Frau und erhob sich dann augenzwinkernd. Mit einem Schmunzeln um die Lippen, das er zu verbergen versuchte, verließ er die Hochzeitstafel und ging ins Haus.
Kaum war er verschwunden, erhob sich Andrea. Sie hielt den Zeigefinger an ihren Mund, hauchte einen Kuss darauf und presste ihn auf Hans-Joachims Lippen. Im gleichen Moment stieß Pünktchen einen schrillen Pfiff aus. Das war für Nick das Zeichen, in Aktion zu treten. Gemeinsam mit Pünktchen und einem Teil der Kinder trat er zu der Hochzeitstafel, wo Andrea der Braut inzwischen vorgeschlagen hatte, an einem Spiel der Kinder teilzunehmen.
Anja wurde von den Kindern umringt. Unter den lächelnden Blicken der Erwachsenen gelangten diese mit ihr bis vor das Haus. Dort stand bereits Sascha mit dem Wagen, in dem Nick mit der entführten Braut und Pünktchen auf dem Rücksitz Platz nahm. Zwei weitere Kinder drängten sich neben Sascha auf den Beifahrersitz. Da aber auch der Rest der kleinen Schar bei der Entführung unbedingt dabei sein sollte, holte Andrea schnell den Wagen ihres Mannes und lud die Kinder ein.
»Ich bin ganz aufgeregt«, stotterte der kleine Fabian, als er neben Andrea auf den Beifahrersitz kletterte.
Schmunzelnd startete Andrea den Motor und folgte Sascha.
Er fuhr in Richtung Wildmoos. Nur einige wenige, zu denen natürlich Nick und Andrea gehörten, kannten das Ziel der Entführung. Es war Anjas neues Heim, das Doktorhaus in Wildmoos.
Anja hatte ihre Tante, Elise Karsten, schon vor der Hochzeit informiert, sodass die Kinder nun mit Schokolade und Kuchen und Süßigkeiten bewirtet wurden.
Aufgeregt redeten sie an dem gedeckten Tisch im Garten durcheinander. Ständig lief eines der Kinder zum Gartentor, um zu sehen, ob der Bräutigam bereits käme.
»Und wenn er uns nicht findet?«, fragte Pünktchen plötzlich erschrocken.
Jeder wusste, dass sie Stefan Frey meinte.
»Er findet uns bestimmt«, versicherte Nick, sodass sich die Kleinen wieder beruhigt all den süßen Sachen auf dem Tisch zuwandten.
Nach dem Kakao spielten Anja und Andrea mit den Kindern, bis eines der Kinder vom Gartentor auf Alarm schlug. »Sie kommen! Sie kommen!«
»Sollen wir uns verstecken, Nick?«, rief Pünktchen erregt und kam in den hinteren Teil des Gartens gelaufen.
Doch Nick winkte großzügig ab. »Wenn sie hierhergefunden haben, dann müssen wir uns ergeben.«
Da lief die ganze Kinderschar mit lautem Geschrei und Gejohle zur Gartentür.
Stefan hatte die übrigen Kinder mitgebracht und führte Felicitas an der Hand. Mit Bonbons und Pralinen löste er seine Braut aus.
»Das war die aufregendste Hochzeit, die ich jemals erlebt habe«, erklärte Pünktchen aus tiefster Überzeugung.
»Hast du das gehört, Mutti?«, rief Felicitas und strahlte übers ganze Gesicht. »Unsere Hochzeit war die schönste und spannendste!«
Auf beiden Seiten herrschte Freude und Zufriedenheit, als Andrea und Sascha schließlich auf die Rückkehr der Kinder nach Sophienlust bestanden. Anja drückte Felicitas noch einmal die Hand und begleitete dann die ganze Schar zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter bis zu den beiden Autos.
»Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen!«, rief Felicitas und winkte, bis die beiden Autos am Ende der Dorfstraße ihrer Sicht entschwanden. »Uff«, schnaufte sie. »War das schön, Mutti! Aber jetzt bin ich richtig müde geworden.«
Da nahm Anja ihr Kind auf den Arm und trug es ins Haus. Selig lächelnd schmiegte Filzchen ihr Gesicht an die Wange der Mutter. Eine warme Welle des Glücks durchströmte Anja, getragen von dem Bewusstsein, dass dieses süße kleine Mädchen endgültig ihr Kind geworden war.
Gemeinsam mit Stefan brachte sie Filzchen zu Bett.
»Gute Nacht, Mutti, gute Nacht, Papi«, murmelte die Kleine schon schlaftrunken. Dann fielen ihr die Augen zu.
In der Abenddämmerung ihres Hochzeitstages saßen Anja und Stefan später allein im Garten vor ihrem Haus. Das Bewusstsein, dass eine gemeinsame Zukunft vor ihnen lag, ließ sie ihr Glück erst richtig begreifen. Erst als die Schatten länger und die Luft kühler wurde, nahm Stefan seine schöne Frau auf den Arm und trug sie über die Schwelle des Hauses hinauf in das gemeinsame Schlafzimmer. Sie sank in seine Arme, und ihre Lippen fanden sich in einem sehnsüchtigen Kuss.
*
Zwei Tage nach Anjas Hochzeit mit Stefan Frey meldete eine junge Fremdsprachenkorrespondentin telefonisch ihren Besuch bei Denise an. Sie hieß Corinna Saller und war Witwe. Das erwähnte sie bereits am Telefon.
Denise wusste nicht, mit welchem Anliegen sich die junge Witwe an sie wenden wollte, doch sie erklärte sich sofort bereit, Corinna Saller zu empfangen.
Corinna sah nicht aus wie sechsundzwanzig. Ihre schlanke, sportliche Figur ließ sie wie achtzehn erscheinen. Sie begrüßte Denise mit höflicher Bescheidenheit.
»Bitte, nehmen Sie Platz, Frau Saller«, bat Denise und wunderte sich insgeheim über die stille Melancholie, die auf Corinna Sallers schönem Gesicht lag. Welches Schicksal mochte dieser so bescheiden wirkenden jungen Frau widerfahren sein? Mit der ihr eigenen Menschenkenntnis erfasste Denise sofort, dass Corinna Saller sich ihrer äußeren Reize nicht bewusst war.
»Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, Frau von Schoenecker, dass ich Sie einfach mit einem Anliegen überfalle«, entschuldigte sich die Besucherin.
Denise lächelte gewinnend. »Ich freue mich darüber, Frau Saller. Denn es ist der Sinn und Zweck von Sophienlust, zu helfen. Darf ich Sie nun bitten, mir zu sagen, wie wir Ihnen helfen können?«
Damit war es Denise gelungen, der jungen Frau das Sprechen zu erleichtern. Ein wenig aufgeschlossener berichtete Corinna nun von ihrem Töchterchen Bärbel, mit dem sie seit dem Tod ihres Mannes allein lebte. »Fred ist bei einer Bergtour in den Dolomiten abgestürzt«, fügte sie leise hinzu.
Denise hörte aus der kurzen Einleitung zweierlei heraus. Dass Corinna ihren Mann sehr geliebt haben musste und dass ihr die kleine Bärbel sehr viel bedeutete.
»Bisher habe ich mich nie von Bärbel getrennt«, fuhr Corinna fort. »Erst in den letzten Wochen ist in mir der Plan eines Urlaubs in den Dolomiten gereift. Da ich mit diesem Urlaub mehrere große Bergtouren verbinden will, kann ich Bärbel nicht mitnehmen.«
Denise nickte verständnisvoll. Es war ihr nun klar, mit welchem Anliegen Corinna Saller gekommen war. Sie hatte sich innerlich bereits entschieden, der jungen Frau zu helfen. Doch vorher wollte sie noch etwas mehr über sie erfahren. »Aus Ihren Worten schließe ich, dass Sie eine routinierte Bergsteigerin sind, Frau Saller«, meinte Denise.
Corinna nickte lebhaft. »Mein Mann und ich verbrachten unseren Urlaub jedes Jahr in den Bergen. Seine letzte große Tour unternahm er allein. Dabei ist er dann abgestürzt.« Ihre Stimme war zu einem Flüstern abgesunken. Sie senkte den Kopf.
Denise wollte noch etwas fragen. Doch Corinna hatte diese Frage durch ihr Verhalten eigentlich schon beantwortet. Denise war fast sicher, dass es Corinna Saller zu dem Platz zog, an dem ihr Mann tödlich verunglückt war. Als Corinna jetzt aufschaute und eine Frage stellen wollte, kam Denise ihr zuvor. »Ich bin gern