Seewölfe - Piraten der Weltmeere 668. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 668 - Fred McMason


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die den Gott der Weisheit verkörperte, in den Sand gesetzt.

      „Warum wird die Gottheit im Meer versenkt?“ wollte der Kutscher wissen. „Das ergibt doch keinen Sinn.“

      „Du bist eben nicht erleuchtet“, entgegnete der Profos. „Wenn der Gott im Meer versenkt wird, bewacht er das Land und die Küste und sorgt dafür, daß es keine Überschwemmungen gibt. Und jetzt laß mich in Ruhe, ich will noch ein bißchen dösen, schließlich habe ich einen anstrengenden Besuch vor mir.“

      „Wen willst du denn besuchen? Deine lieben, kleinen Gespielinnen im Palast? Du kannst doch da nicht einfach hingehen, als seist du dort zu Hause.“

      Carberry lehnte sich wieder ans Schanzkleid und schloß die Augen. Er war noch ein wenig müde, denn die Ereignisse der vergangenen Tage hatten ihm doch ganz schön zugesetzt.

      „Klar kann ich das“, murmelte er schläfrig. „Ich kann sogar noch mehr, wenn ich will. Aber man wird mich abholen.“

      „Jetzt ist er auch noch unter die Propheten gegangen“, sagte der Kutscher erschüttert. „Man wird mich abholen! Möchte gern wissen, woher du das erfahren hast. Oder kannst du jetzt auch schon hinter die Kimm blicken wie Donegal?“

      „Ich bin erleuchtet und durchgeistigt“, sagte der Profos schlicht. Und dann war er auch schon eingeschlafen.

      Der Kutscher sah mißtrauisch auf den schlafenden Profos, dessen narbiges Gesicht auf eine seltsame Art verklärt wirkte. Offenbar befand sich dieser Rabauke irgendwo auf einer Zwischenstation ins seligmachende Nirwana, denn genauso sah er jetzt aus.

      „Vielleicht ist er doch ein Heiliger geworden“, meinte Paddy Rogers fast andächtig. „Gesprochen hat er ja schon oft davon, daß er ein frommer und friedlicher Pilger werden will.“

      „Der hat schon viel versprochen und es trotzdem nie geschafft, ein frommer Pilger zu werden. Warum sollte sich das ausgerechnet jetzt und hier in Indien ändern?“ fragte der Kutscher skeptisch.

      „Aber irgend etwas ist mit ihm geschehen“, beharrte der knubbelnasige Paddy. „Er wirkt ganz anders als sonst.“

      „Das vergeht wieder“, sagte Smoky. „Manchmal hat er so seine Anwandlungen, und dann hält er sich für das Salz der Erde.“

      Am Strand wurde der elefantenköpfige Gott geputzt und geschmückt. Es sah schon jetzt alles nach einer feierlichen Prozession aus, obwohl die erst in frühestens einer Woche stattfinden würde.

      Mittlerweile befanden sich mehr als zweihundert Leute am Strand, und immer neue strömten hinzu.

       3.

      Der große „Durchgeistigte“ hatte doch recht, wie die Arwenacks zu ihrer großen Verblüffung feststellten.

      Da war Carberry aber schon auf den Beinen und unterzog sich erneut der geheimnisvollen Ritual-Wäsche, die er gerade erst gestern vollzogen hatte.

      „Geht das denn schon wieder los?“ wetterte Mac Pellew, als der Profos sein Messer wetzte und sich eine Pütz Wasser an Deck hievte. „Du hast dich doch erst gestern rasiert, bis dein Gesicht so blank wie ein kahler Affenarsch war.“

      „Gestern ist nicht heute“, sagte der Profos und überprüfte mit dem Handrücken seine Bartstoppeln unter dem Kinn. Es gab ein Geräusch, als streife ein Hai an der Bordwand entlang.

      Die Seewölfe umstanden ihn, als zweifelten sie an seinem Verstand.

      „Bring mir mal die Plünnen an Deck, Mac“, sagte Carberry.

      Mac Pellew sah ihn schiefmäulig an und wußte nicht, ob er grinsen oder sich ärgern sollte.

      „Was für Plünnen?“ fragte er aggressiv. „Und wer hat mich hier herumzukommandieren?“

      „Meine indische Gala-Kleidung“, erwiderte der Profos sanft. „Und herumkommandieren will dich niemand, mein liebes Mackileinchen. Das war doch nur eine höfliche Bitte.“

      Mister Seltenfroh, wie der Profos Mac Pellew mal genannt hatte, taute sofort auf und versuchte zu grinsen, was allerdings kläglich mißlang. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er in eine faule Zitrone gebissen zu haben.

      „Ach so, eine Bitte war das. Na klar, ich hole dir alles, was du willst.“

      „Du wirst heute geistig bei mir sein“, versprach der Profos. „Gestern habe ich Rum als Gesichtswasser genommen. Heute werde ich das edle Zeug benutzen, das du mir damals vor Cadiz geschenkt hast, das gute und teure Duftwässerchen.“

      Jetzt strahlte Mac über das ganze Gesicht. Er hatte mal von einer Marketenderin ein Fläschchen „Duftwasser“ erstanden, das er in einem Anflug von Großmut dem Profos geschenkt hatte.

      „Was – das willst du wirklich nehmen?“ staunte Mac.

      „Aber klar doch, Mäckileinchen. Das ist genau das richtige Zeug, um hochherrschaftliche Kreise zu beeindrucken.“

      „Etwa diese Hühnerjauche?“ fragte Luke Morgan entsetzt. „Da kippen ja selbst die Elefanten aus den Latschen, wenn sie den Duft in ihre Rüssel kriegen.“

      „Du dreimal besengter Prielwurm!“ wetterte Mac. „Du weißt eben nicht, was einen Gentleman ziemt. Wenn du das Duftwasser noch mal als Hühnerjauche bezeichnest, steche ich dir die Pelle an. Du hast überhaupt keine Ahnung, du dreimal besengter …“

      „Prielwurm“, fügte der Profos hinzu. „Aber das hast du dem Bauernlümmel schon gesagt. Der kapiert das sowieso nicht.“

      „Ha, ein zehnmal besengter Prielwurm!“ tönte Mac, ehe er verschwand, um für Carberry das Gewünschte zu holen.

      Er kicherte händereibend vor sich hin, als er Luke Morgans verstörtes Gesicht sah. Dem hatte er es jetzt aber mächtig gegeben, dem Prielwurm. Paßte überhaupt gut zu Luke, weil er ja so klein war.

      Inzwischen kratzte sich der Profos in aller Ruhe die Bartstoppeln aus dem narbigen Gesicht. Er tat das so aufreizend gelassen, daß es wiederum den Kutscher ärgerte. Außerdem grinste der Profos selbstgefällig vor sich hin.

      „Möchte wissen, warum du dauernd so dämlich grinst“, sagte der Kutscher anzüglich. „Und woher willst du überhaupt wissen, daß man dich abholt?“

      „Das hast du schon mal so hartnäckig gefragt, und ich habe dir auch die Antwort gegeben. Ich weiß es eben, und damit basta! In spätestens einer Stunde erscheinen hier ein paar Elefanten, und auf einem von ihnen werde ich sitzen.“

      „Dann hat Ischwar Singh dir das gestern schon gesagt.“

      „Hat er nicht. Aber ich fühle es.“

      Mit seiner selbstgefälligen Ruhe trieb der Profos den Kutscher fast zur Verzweiflung. Außerdem paßte dem Koch und Feldscher nicht, daß sich Carberry so überheblich und allwissend gab.

      „Da hat man den Kerl sinnigerweise zu einer Gottheit getrimmt, und schon rastet er total aus und glaubt das alles auch noch. Nein, er ist sogar felsenfest davon überzeugt.“

      „Derlei Anzüglichkeiten jucken mich soviel wie eine englische Eiche, an der sich eine Wildsau reibt“, erklärte der Profos grinsend.

      Seine Rasur war fast beendet, und es roch ein wenig streng, weil er grüne Schmierseife zum Rasieren benutzt hatte, die er sich jetzt aus dem Gesicht wusch. Aber den Geruch hoffte er mit Hilfe seines Duftwässerchens neutralisieren oder überdecken zu können.

      Mac reichte ihm das Fläschchen mit einer kleinen Verbeugung. Der alte Griesgram war sichtlich gerührt, daß der Profos sein „Parfüm“ benutzte.

      Carberry öffnete das Fläschchen, roch an dem Inhalt und verdrehte entzückt die Augen. Das Zeug war der reinste Ladykiller, so empfand er das jedenfalls.

      Ein paar Tropfen tat er in seine mächtige Pranke, grinste wieder so süffisant und verrieb das Wässerchen dann in seinem Gesicht.


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