Die eroberte Braut. Grace Goodwin

Die eroberte Braut - Grace Goodwin


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zurücklassen. Weil ich so schamlos war, wollte er mich mit einem Mann verheiraten, der sechs erwachsene Kinder hatte. Wie ich von meinem Onkel erfahren hatte, würde ich Mr. Partridges dritte Ehefrau sein und dementsprechend wünschte er sich eine laszive Bettgefährtin und keine zimperliche Jungfrau. Mein Onkel hatte ihm von meinen zügellosen Tendenzen und meiner sittenwidrigen Herkunft berichtet und der Mann war trotzdem mehr als erpicht gewesen.

      Ich allerdings war angewidert. Mr. Partridge war zweiundfünfzig. Er war übergewichtig und hatte Hängebacken. Er redete beim Essen und Reste der Mahlzeit landeten dabei auf seinem Hemd. Was ihn noch abstoßender und die Partie vollkommen ironisch wirken ließ, war die Tatsache, dass er sehr fromm war und in die Kirche ging, was wiederum bedeutete, dass er von mir Zurückhaltung und Demut in der Öffentlichkeit erwarten würde.

      Und zu Hause sollte ich mich wie eine Hure aufführen.

      Vielleicht erwartete er von mir, dass ich die Reste seiner Abendmahlzeit von seinem Hemd lecken würde, während ich ihm vorm Zubettgehen die Kleider auszog.

      Die Flucht aus Omaha war der einzige Weg, um ihm zu entkommen. Hätte ich aber Judith oder Rebekah zurückgelassen, dann hätte unser Onkel stattdessen sicher eine meiner Schwestern mit ihm—oder einem ähnlichen Typen— verkuppelt.

      Das Angebot aus der Zeitung anzunehmen war mein letzter verzweifelter Versuch, mich und meine Schwestern in Sicherheit zu bringen. Ich konnte mir sehr gut denken, dass ein Mann mit zwei kleinen Söhnen nicht noch zwei zusätzliche Mäuler brauchte, aber wir waren einfach verzweifelt und wollten weg.

      Aus diesem Grund würde ich ihm bis morgen nach der Hochzeit kein Wort von Judith und Rebekah erzählen. Nur dann konnte mein neuer Ehemann uns nicht mehr fortschicken. Sicher, ich war total übergeschnappt, aber unser Onkel hatte mich an meine Grenzen gebracht. Ich atmete tief durch. Ich konnte das schaffen. Ich konnte alles schaffen, solange ich nicht mehr in Omaha war. Mein Ehemann mochte meine Schwestern ablehnen, aber wenn ich heiraten würde, dann könnten sie als ehrbare Frauen in Hayes bleiben und vielleicht eine Arbeit oder sogar einen Ehemann für sich finden.

      Und wenn mein Ehemann sich weigern sollte, uns zu helfen? Nun, das bisschen Geld, das ich gespart hatte, würde uns ein paar Monate lang über Wasser halten. Hoffentlich wäre das aureichend Zeit für meine Schwestern, um offiziell unter die Haube zu kommen. Was anschließend mit mir passierte, kümmerte mich wenig. Ich würde es überstehen, das hatte ich immer. Vorausgesetzt, ich konnte mir den bigotten Mr. Partridge vom Leib halten.

      Wir beeilten uns damit, aus der engen Kutsche herauszukommen. Als wir ausstiegen landeten wir inmitten einer Gruppe Männer, die damit beschäftigt waren, Mehlsäcke, Konserven und anderen Proviant auf den hinteren Teil eines Wagens zu laden. Sie hielten inne und blickten in unsere Richtung und jeder einzelne Mann tippte sich an den Hut.

      Es war eine große Gruppe, mindestens zehn Männer. Judith und Rebekah erstarrten bei dem Anblick, denn sie waren ziemlich groß und überaus furchteinflößend. Sie strahlten eine Aura der …Stärke aus. Anscheinend waren sie unterwegs und machten in der Stadt halt, um Vorräte einzukaufen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie alle unter einem Dach in einem Hotel oder einer Pension logierten, verwarf jedoch den Gedanken. Diese Männer hatten etwas Wildes und Ungebändigtes. Sie erschienen furchtlos und wagemutig, so wie ein mächtiger Grizzlybär, der durch den Wald schlenderte. Ich vermutete, dass Männer wie diese mit geladenen Pistolen an ihrer Seite unter freiem Himmel schliefen.

      “Lizzie, in dieser Stadt gibt es kaum etwas.” Rebekah hob ihre cremefarbenen Röcke hoch und blickte sich stirnrunzelnd um, eindeutig faszinierten diese Männer sie nicht so stark wie mich. Die obere Hälfte ihres Kleides bestand aus dunkelbraunem Samt, was die goldenen Strähnen ihrer Haare betonte.

      “Die Stadt ist klein, das habe ich euch gesagt.” Ich versuchte, leise zu sprechen, während ich die vollbeladenen Satteltaschen und den vollen Wagen der Männer musterte. Wir hatten unser Ziel erreicht, aber sie schienen noch einen langen Weg vor sich zu haben.

      Schade. Einer oder zwei von denen hätten vielleicht gute Ehemänner für meine Schwestern abgegeben.

      “Es ist kein Vergleich zu Omaha, das ist die Wahrheit.” Judith stand neben ihrer Schwester, ihr blaues Reisekleid war an den Säumen verschmutzt, aber die leuchtende Farbe des Kleides passte zum Kornblumenblau ihrer Augen. “Ich hoffe, dein Jenkins ist die Sache wert, Lizzie. Ich werde den Nachmittagstee in Mrs. Dodds Haus vermissen. Gibt es hier überhaupt ein Hotel?”

      Meine Schwestern wussten nichts von der Abmachung zwischen unserem Onkel und Mr. Partridge. Sie würden sich nur aufregen oder sich an meiner Stelle anbieten. Da ich keine von uns mit diesem Mann einspannen wollte, waren wir jetzt hier.

      “Doch, natürlich.” Drei Orte früher hatte ich den Kutschfahrer gefragt. Falls nicht, dann hätte ich meine Schwestern eine Station früher aussteigen lassen, in einem anständigen Hotel, und zwar bis ich eine verheiratete Frau wäre und sie unbescholten nachkommen lassen würde. Es war aber besser, dass sie in Hayes waren. Ich wollte sie in meiner Nähe wissen. In Sicherheit.

      “Meine Damen, das Hotel liegt ein Stück weiter an der Straße.” Die gesamte Luft entwich meinen Lungen, als die tiefe, seidige Stimme wie eine Liebkosung über meine Haut strich. Ich erkannte den Akzent von einer Reise nach New York wieder. Er war Brite, wenn ich mich nicht irrte, und diese Männer waren weit, weit weg von ihrer Heimat.

      “Danke sehr.” Ich konnte nichts anderes tun als lächeln, als ich die beiden Männer betrachtete; einer von ihnen trug einen Mehlsack über der Schulter. Der andere, der mich angesprochen hatte, war damit beschäftigt, mit seinen breiten, rau wirkenden Händen ein Seil aufzuwickeln. Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf seine verhärteten Fingerknöchel und das Seil, welches mühelos durch seine Hände glitt und ich stellte mir vor, wie diese starken Hände über meine empfindliche Haut fahren würden. Beide Männer waren dunkelhaarig und hochgewachsen, mit eng getrimmten schwarzen Bärten, die ihnen eine bedrohliche, mysteriöse Aura verliehen, die mich erzittern ließ. Sie waren gutaussehend. Sie wirkten intensiv, fast nachdenklich …und sie schauten direkt zu mir.

      Sie guckten mich an—mich, nicht meine Schwestern—und studierten jeden Zentimeter meines Körpers, ihr Blick folgte jeder Kurve des einfachen gelben Kleides, das meine üppigen Brüste und ausladenden Hüften verhüllte. Ich errötete und dachte daran, wie schmutzig und ungepflegt ich aussehen musste. Noch nie hatte ich solch unverhohlene Blicke empfangen. Wie lange sie wohl schon unterwegs waren? Zu lange, wenn sie mich attraktiver fanden als meine jüngeren, hellhäutigen Schwestern.

      Judith und Rebekah waren dank ihres hellen Haars und ihres cremefarbenen Teints sehr attraktiv. Sie waren nur etwas über ein Jahr auseinander und wurden oft für Zwillinge gehalten, außer das Judiths Augen hellblau und Rebekahs Augen grün wie Frühlingsgras waren. Ich dagegen sah mehr wie eine vollkommen Fremde als wie ihre Schwester aus. Während sie von der Größe und Hautfarbe her nach unserer Mutter kamen, besaß ich das rassige Aussehen meines Vaters, von dem mir berichtet worden war, er wäre der größte Fehler meiner Mutter gewesen.

      Das Haar meiner beiden Schwestern war goldfarben und mein eigenes war schwarz und glatt. Meine Haut hatte das ganze Jahr über einen warmen Braunton und wurde mit jeder noch so geringen Sonneneinstrahlung dunkler. Meine Schwestern waren zierlich gebaut und klassische Schönheiten, während ich einen halben Kopf größer als sie war und mit meinen breiten Schultern, Brüsten und vollen Hüften wie eine Gigantin wirkte. Wären meine Schwestern zierliche Schilfrohre, die im Wind des Flusses schwankten, dann wäre ich ein großer, robuster Pappelbaum, der am Ufer wuchs. Wir waren wie Tag und Nacht. Wir hatten denselben Nachnamen, weil unser Vater mich adoptiert hatte, nachdem er unsere Mutter geheiratet hatte. Wir waren die Lewis-Schwestern, aber ich war eine Art Kuckuckskind. Das schwarze Schaf.

      Die Tochter einer verdorbenen Frau, die Erbin sowohl ihrer giftigen Zunge als auch ihrer frevelhaften Art. Nichts davon machte mich in unserer übersichtlichen, gottesfürchtigen Gemeinschaft zu einem willkommenen Umgang. Wäre unser Vater nicht Pfarrer gewesen, dann wäre ich sicherlich mit vierzehn zu Tode gesteinigt worden.

      Die beiden Männer neben dem Wagen schauten mich weiter an und ich beobachtete, wie ihre Blicke vor Lust dunkler


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