Seewölfe - Piraten der Weltmeere 661. Sean Beaufort

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 661 - Sean Beaufort


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in den Händen und holten unterarmlange, zappelnde Fische aus dem Wasser. Ab und zu winkten sie zum Schiff hinüber und riefen unverständliche Worte.

      „Ob sie uns was mitteilen wollen?“ rätselte Roger Brighton.

      Hasard zuckte mit den Schultern. Er beobachtete die Fischer, aber sie kümmerten sich nur um ihre Boote und ihren Fang. Wenn einer von ihnen in eine bestimmte Richtung gezeigt hätte, würde er es bemerkt haben. Aber die Fischer schienen die „Ghost“ nicht gesehen zu haben.

      „Glaube ich nicht“, murmelte der Seewolf, aber er ließ die wenigen Boote und braunhäutigen Männer nicht aus seinen Augen. „Warum sollten sie uns auch helfen?“

      Es war für alle so gut wie unvorstellbar, daß Francis Ruthland die Sprache dieser Fischer beherrschte, ebensowenig wie die Seewölfe, von den wenigen Worten abgesehen, die Doglee den Zwillingen beigebracht hatte.

      Wieder verschwand eine Ausbuchtung der Küste hinter dem Heck der Schebecke. Vor einem hügeligen Abschnitt an der Steuerbordküste erstreckte sich der trockengefallene Meeresboden, zwischen dessen Pfützen Krabben und Wasservögel zu sehen waren.

      „Wir suchen weiter!“

      Hasards Befehl war eigentlich überflüssig. Keiner der Arwenacks dachte an etwas anderes als daran, in den nächsten Stunden die „Ghost“ zu sichten und die Mündungen der Geschütze auf sie zu richten.

      Immer wieder stoben Vogelschwärme aus den Baumkronen. Das gellende Geschrei der Tiere ließ die Seewölfe argwöhnisch zusammenzucken. Vielleicht lag hinter dem nächsten Vorsprung oder im folgenden Einschnitt der Mangroven der Verfolgte.

      Aus der Tonne im Großmast rief Philip junior: „Anluven, Piet! Untiefe voraus!“

      „Aye“, antwortete der Rudergänger und stemmte sich gegen die Pinne.

      Die Segel killten, Tauwerk knarrte, Schritte polterten auf den Planken, als die Schoten dichter geholt wurden. Die Schebecke legte sich etwas über und richtete den Bug nach Nordwesten. Die Färbung des Wassers ändert sich wieder, als das Schiff eine Kabellänge zurückgelegt hatte.

      Knapp eine halbe Seemeile weiter schrie Philip wieder auf die Kuhl hinunter: „In Ordnung! Freies Fahrwasser voraus!“

      „Verstanden!“ brüllte Piet Straaten zurück.

      Die Küstenlinie schien, abgesehen von den vielen Buchten und Vorsprüngen, einigermaßen geradlinig von Norden nach Süden zu verlaufen, wie es auch die Karten zeigten. Möglicherweise erreichte die Schebecke in den letzten Stunden des Tages das nördliche Ende dieses Ufers. Dort mündete von Osten der Fluß, und, wenn die Karten zuverlässig waren, erstreckte sich dort auch ein Mündungsdelta von beträchtlicher Größe.

      Wahrscheinlich gab es mittendrin, ein paar hundert Verstecke für Ruthland.

       2.

      Zwei Stunden nach dem Glasen, in der größten Mittagshitze, überzog sich der Himmel im Süden mit grauen Wolken. Von der Kimm aus baute sich eine Wand auf, die überraschend schnell in die Höhe wuchs und sich näherte. Der Wind wehte mit gleichbleibender Kraft aus Süden oder Südwesten.

      „Vielleicht kommt ein Sturm auf“, sagte Dan O’Flynn. „Wäre keine wirkliche Überraschung, Sir.“

      „Damit müssen wir tagtäglich rechnen“, entgegnete der Seewolf. „Nur können wir nicht riskieren, daß uns der Sturm hier stranden läßt. Wir dürfen nicht auf Legerwall geraten.“

      Dan deutete nach Steuerbord voraus. Dort schien sich ein niedriges Kap – nicht mehr als eine Ansammlung von Dünen oder langgestreckten Felsen – weit ins Meer vorzuschieben. Noch waren keine Einzelheiten zu erkennen. Das einsame Fischerboot mit einem kleinen Segel, das in zwei Spitzen rechts und links des niedrigen Mastes auslief, blieb zurück.

      „Also, weiter nach Westen drehen, wenn’s zu pfeifen anfängt“, sagte der Rudergänger.

      Dunst und Nebel, sowohl an Land als auch über dem Wasser, hatten sich längst völlig aufgelöst. Im Licht der senkrecht einfallenden Sonnenstrahlen erstreckte sich das Meer. Im Norden und Osten bildeten sich über dem Land, das nicht deutlicher als ein vager Schatten über der Kimm war, dünne, aufwärts geschwungene Wolken.

      Der Seewolf nickte, schaute in die Gesichter der Crew und erkannte, daß sie ebenso enttäuscht waren wie er selbst.

      „Richtig. Auf Westkurs, wenn es nötig werden sollte“, erwiderte er halblaut.

      Sie Spektive hatten ihm und der Crew gezeigt, daß es entlang des Ufers, an dem sie länger als einen halben Tag gesucht hatten, weder einen größeren Hafen noch eine Siedlung gab, die diesen Namen verdiente. Nur Fischerhütten, einzelne oder in winzigen Gruppen, hatten sich durch den Rauch ihrer Feuer verraten.

      Die Dächer der Pfahlbauten verschwammen bereits aus geringer Entfernung mit dem grünen Hintergrund der Uferwälder. Querab der Schebecke ging der Wald stufenartig in riesige Zonen von Uferschilf über. Die Flut hatte das trockengefallene Land wieder bedeckt, und die Wellen zum Ufer hin wurden grau und kabbelig.

      Dan O’Flynn schwang sich auf das Achterdeck, hielt sich am Want fest und sagte: „In spätestens drei Stunden ist der Sturm da. Wahrscheinlich Regen und Starkwind, aber sicher kein Orkan, Sir.“

      „Schätze ich auch“, erwiderte der Seewolf. „Dann sind wir vielleicht hinter der Huk dort vorn in größerer Sicherheit.“

      „Wird sich zeigen“, brummte der Erste.

      Al Conroy hatte wieder mal seine Geschütze inspiziert und schien mißmutig zu grinsen. Er hatte sie zwar mit der gewohnten Sorgfalt geladen, aber wenn sie nicht in absehbarer Zeit abgefeuert wurden, konnte das Pulver feucht werden. Diese Aussicht schmeckte ihm gar nicht. Aber noch war es nicht nötig, sich ernsthafte Sorgen zu machen.

      Die gleiche Unruhe, Anspannung und Erwartung hatte auch alle anderen Seewölfe gepackt. Sie segelten hinter dem Hundesohn Ruthland her und fanden ihn nicht, obwohl er sich mit seiner Karavelle nicht in Luft aufgelöst haben konnte.

      „Verdammter Monsun“, sagte Dan und runzelte die Stirn.

      Hasard junior deutete zu der Wolkenwand, die von Osten bis Westen reichte und mehr als ein Drittel des Himmels bedeckte. „Du weißt, warum diese Wind- und Regenzeit so genannt wird?“

      „Wenn ich’s nicht wüßte“, antwortete Dan und lachte kurz auf, „dann würdest du es mir sicher genau erklären, Schlaukopf.“

      „Wahrscheinlich stammt das Wort aus der Muselmanensprache“, schaltete sich der Profos ein.

      „Richtig, Ed“, sagte Jung Hasard. „Bei den Muselmanen spricht man von ‚Mausin‘, und das bedeutet ‚Jahreszeit‘. Also werden wir es noch länger mit diesem Wetter zu tun haben.“

      „Das glaube ich auch“, meinte Dan und musterte die Grenze zwischen Brandung und Land durch das Spektiv.

      Nicht die Langeweile ärgerte die Crew, sondern die erzwungene Untätigkeit und die erfolglose Suche nach Ruthlands „Ghost“. Die Stimmung der Crew wurde, je mehr Zeit ereignislos verging, schlechter und mürrischer.

      Edwin Carberry fluchte leise in sich hinein, reckte sein kantiges Kinn nach Lee und stierte schweigend zur Küste. Aber dort war nur wenig mehr zu sehen als auf dem offenen Meer. Nicht ein Segel, nur die vielen Vögel, die ihren ewigen Heißhunger nach Fisch stillten.

      Einmal trieb ein blattloser Baum mit aufgequollener Rinde und weißen Wurzeln eine Kabellänge an Backbord vorbei, auf dem ein paar Reiher hockten und ihre Schnäbel in die Richtung der Schebecke drehten.

      Als die Landzunge fast querab lag, lehnte ein Dutzend Seewölfe am Schanzkleid und versuchte, jede noch so kleine Einzelheit an Land zu erkennen.

      Philip rief von der Back her: „Eine große Bucht, aber höchstwahrscheinlich keine Flußmündung. Oder hat jemand von euch mehr gesehen?“

      Von


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