Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey Patton
nickte. »Vorerst jedenfalls, Alexandros. Weder die Wüste noch der Dschungel bieten sich uns als ideales Gelände für einen Fußmarsch an. Außerdem kommen wir mit dem Boot ziemlich schnell vorwärts, rascher jedenfalls, als wenn wir laufen würden, und dazu ohne große Mühe.«
Plötzlich sackte der Horizont vor ihnen förmlich weg, das Wasser floss nun nicht mehr aufwärts. In atemlosem Staunen sahen die sieben Menschen, wie nun an dieser Stelle ein Stück einer gewaltigen rot glühenden Kugel erschien, von helleren und dunkleren Streifen und Schlieren überzogen. Dieses Bild kannten sie mittlerweile so gut, dass jeder sofort wusste, worum es sich dabei handelte.
»Ein Riesenplanet vom Jupiter-Typ!«, sagte Lars atemlos. »Er muss ganz nahe sein, also liegt die Schlussfolgerung auf der Hand: Wir befinden uns hier auf einem seiner Monde!«
Orvid Bashkiri warf einen prüfenden Blick zur Sonne empor, die in etwa zehn Grad Höhe am Himmel stand.
»Dies ist einwandfrei die Sonne Alderamin«, stellte er sachkundig fest. »Mithin befinden wir uns, wie schon vermutet, nach wie vor im System von Nimboid. Dieser Gasriese ist zweifellos die Rhea, der achte Planet und direkte Nachbar der Vulkanwelt. Er besitzt sechs große Monde, die die Namen Hestia, Demeter, Hera, Hades, Poseidon und Zeus führen.«
»Wie schön er das auswendig weiß, unser Bord-Galilei«, sagte Ladora im falschen Ton heuchlerischer Bewunderung. »Wenn du uns auch noch verraten kannst, auf welchem dieser Trabanten wir hier sitzen, schlägst du alle Rekorde, Orvid.«
Der Astrogator schüttelte jedoch den Kopf, sein Gesicht zeigte einen Ausdruck völliger Ratlosigkeit.
»Von Rechts wegen dürfte es keiner von ihnen sein!«, erwiderte er. »Auf dem Flug von der Erde hierher habe ich den Systemkatalog der Nimboiden studiert, und darin werden alle Monde der Rhea als ausgesprochen unwirtlich und unbewohnbar bezeichnet. Fünf sind restlos vereist und ohne Atmosphäre, Hades ist eine trockene Welt aus schwarzen Felsen. Dieser Mond dagegen besitzt genau die Attribute, die den anderen fehlen, also stimmt hier etwas ganz und gar nicht.«
»Die Nimboiden waren schon immer große Geheimniskrämer«, warf Mitani ein. »Es ist durchaus denkbar, dass sie den Katalogen, die Fremden zugänglich gemacht wurden, absichtlich einige falsche Angaben eingefügt haben. Sie haben die Wahrheit so oft in ihrem Sinn verbogen, dass man ihnen auch dies zutrauen kann.«
»Schon möglich«, räumte Taff Caine ein. »Nur kann ich den eventuellen Nutzen solcher Manipulationen nicht erkennen. Wenn es in ihrem System eine so schöne Welt gäbe, warum sollten sie dann in der gefährlichen Unterwelt von Nimboid sitzen? Auch ihre besondere Mentalität liefert dafür keine hinreichende Erklärung.«
»Sehr wahr«, sagte Dorit Grenelle. »Im Übrigen meine ich, dass auch die von Matsumoto eingeschleusten KSD-Assistenten im Laufe der Zeit bemerkt haben müssten, dass dieser Katalog nicht stimmt. Tonkawa dürfte nicht eben die Dümmsten nach Vulcanus geschickt haben, das beweist die Tatsache, dass man bis jetzt offenbar noch keinen als terrestrischen Agenten entlarvt hat.«
»Auch wieder richtig«, meinte Lars Gunnarsson nachdenklich. »Auf jeden Fall existiert hier ein Mond der Rhea, den es in dieser Form eigentlich nicht geben dürfte. Ob das nicht irgendwie auf die Zauberer von Valholl zurückzuführen sein könnte? Vielleicht haben sie mit ihren besonderen Kräften eine Art mystische Aura um diesen Trabanten gelegt, der sowohl die menschlichen Sinne wie auch die Messgeräte irrezuführen vermag?«
»Eine uralte Rasse vielleicht, die keinen Kontakt mit der Außenwelt haben will«, überlegte Alexandros Demosthenes laut. »Sie könnte hier Asyl gefunden haben, als das Erste Weltenende über die Galaxis hereinbrach. Um nicht zwischen den Kräften des Drajur und des Jarun zerrieben zu werden, kapselten sie sich ab und errichteten mittels ihrer Zauberkräfte eine schützende Barriere um ihre Welt.«
»Blühender Unsinn!«, sagte Taff gewollt barsch. »Eben beginnt sich euer Denken in vollkommen unrealistischen Bahnen zu bewegen, Freunde. Ich führe das auf die unheimlichen Eindrücke während der Fahrt im Dunkeln zurück. Bisher hat sich unsere Crew gerade dadurch ausgezeichnet, dass sie immer nüchtern blieb und alles in Frage stellte, was andere nur zu gern akzeptierten, weil es ihnen einen bequemen Ausweg bot. Daraus resultierten im Grunde unsere Erfolge, und so soll es auch bleiben. Wir haben vieles Unglaubliche erlebt, derartig wilde Spekulationen jedoch noch nie angestellt, soweit ich mich erinnern kann.«
»Ich stimme dir zu«, sagte Mitani nach einer kurzen Pause. »Dass es hier irgendwelche fremde Wesen geben mag, können wir jedoch nicht ganz von der Hand weisen. Die Effekte aber, die Lars und Alexandros etwas vorschnell auf Zauberei zurückführen wollten, lassen sich auch mit entsprechenden technischen Mitteln erreichen.«
»Mit uns bisher unbekannten technischen Mitteln«, ergänzte Luca Ladora. »Nur mit ihrer Hilfe lassen sich Gegebenheiten über einen Zeitraum von Jahrhunderten hinweg vortäuschen oder verschleiern, wie es offensichtlich hier der Fall sein muss. Das könnten selbst die begabtesten Zauberer oder Illusionisten nicht, denn sie müssen ja schließlich auch irgendwann einmal schlafen. Leuchtet euch das ein, ihr Ignoranten?«
Caine grinste ihn an.
»Allemal, wenn es so überzeugend vorgetragen wird wie von dir. Verbleiben wir also auf dieser Basis, alles andere wäre nach den uns geläufigen Begriffen ohnehin absurd. Wenn wir die angeblichen Zauberer treffen, werden wir wohl feststellen können, was es mit ihnen und ihren Fähigkeiten auf sich hat.«
Die anderen akzeptierten seine Worte, aber ein Rest von unterschwelligem Unbehagen blieb doch in ihnen zurück.
Sie alle wussten, dass eine derart hochstehende Technik, wie sie hier eingesetzt worden sein musste, jener der Menschen weit überlegen war. Die hypothetischen fremden Wesen – sofern es sie überhaupt gab – waren ihnen gegenüber also eindeutig im Vorteil. Bis jetzt schienen sie sich von der Außenwelt abgekapselt zu haben, während sie diese zugleich aufmerksam beobachteten. Nur so war es zu erklären, dass sie plötzlich auf Nimboid aktiv geworden waren.
Das allerdings erst, nachdem sich dort eine völlig neue Entwicklung abzuzeichnen begann! War diese vielleicht nicht in ihrem Sinn, fürchteten sie die Entdeckung und sahen sich in ihrer Existenz bedroht?
Hatten sie möglicherweise auch die neuen Aktivitäten der wiedererwachten Erben des Drajur inner- und außerhalb der 900-Parsec-Raumkugel der Menschheit registriert? Glaubten sie vielleicht, die Menschen als neue Hilfskräfte dieser zerstörerischen Macht einstufen zu müssen?
Nichts von alldem war auszuschließen!
*
Taff Bannister Caine lächelte düster, als er seine diesbezüglichen Überlegungen zu Ende gebracht hatte.
Wieder einmal bleibt alles an der PROKYON-Crew hängen!, dachte er resigniert. Wir sind auf diesen unbekannten Mond gelangt, ohne es zu wollen, die einzige Möglichkeit zur Rückkehr nach Nimboid ist uns verbaut. Wir müssen notgedrungen hierbleiben und herauszufinden versuchen, welches Spiel hier eigentlich im Gange ist. Und das mit völlig unzulänglichen Mitteln und ohne jede Möglichkeit, mit anderen Menschen in Verbindung zu treten und sie vor dem zu warnen, was vielleicht bald zu einer ernsten Bedrohung für ihre Existenz werden kann!
»Es ist paradox!«, murmelte er vor sich hin. »Wir wollen nichts Böses, und die anderen wollen auch nur ihre Ruhe haben. Trotzdem sieht sich jeder durch den anderen bedroht. Alles schon einmal dagewesen, wie der alte Weise Ben Akiba sagte, auf der Erde wie im Weltraum ...«
»Was hast du, Freund meines Herzens?«, fragte Mitani N’Kasaa, die seine besorgte Miene beobachtete.
Taff winkte kurz ab. »Nichts von Belang, mein schwarzes Juwel«, entgegnete er ruhig. »Wir haben alles ausdiskutiert, es gibt nichts mehr zu sagen. Konzentrieren wir uns also auf unsere Umgebung, auf den Weg, den auch die Amazonen genommen haben müssen. Über Kurz oder Lang wird sich etwas Neues ereignen, dessen bin ich sicher.«
»Mich kannst du nicht täuschen, Taff Caine!«, raunte das Mädchen, für die anderen unhörbar. »Okay, ich kann mir aus langer Erfahrung vorstellen, was dich bewegt, und deine Sorgen sind auch