Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey Patton
einfach abgestellt hatten. Sie wussten, dass diese nicht daran denken konnten, zu fliehen, solange sie derart gefesselt waren.
»Da kommt etwas«, sagte Ladora plötzlich und deutete mit dem Kopf zu einem der beiden Tunnel im Hintergrund. Dort kam ein großer länglicher Körper in Sicht und schwebte fast geräuschlos in die Halle. Er hatte die Form eines Weberschiffchens, war ungefähr dreißig Meter lang und im Mittelteil etwa sieben Meter breit. Im vorderen Drittel befand sich ein kleiner Aufbau, auf dem fünf Sendhoren standen, die offenbar das Fahrzeug steuerten. Es sank zwischen den Männern und den Überresten der Spear langsam zu Boden, und Lars betrachtete es mit fachlichem Interesse.
»Dieses Gefährt bewegt sich offenbar mit Hilfe von gesteuerten Magnetfeldern fort«, erklärte er. »Eine Art von Magnetbarke also, die in den Leitbahnen der Energiewand eine beträchtliche Schnelligkeit erreichen kann. Diese grünen Giftpilze verfügen über eine erstaunlich hochentwickelte Technik, die ihnen eigentlich gar nicht zuzutrauen wäre.«
»Denen traue ich alles zu«, knurrte Luca erbittert. »Sieh nur: Sie laden Behälter aus und fangen an, den Spear-Schrott darin zu verstauen, alle Materialien fein säuberlich getrennt. Ob sie überhaupt ahnen mögen, welche komplizierten Anlagen und beträchtlichen Werte sie zerstört haben?«
»Der Wert oder Unwert aller Dinge ist relativ, wie alles im Leben«, sagte Lars ruhig. »Die Winzlinge würden, schon aufgrund ihres seltsamen Körperbaus, mit einem intakten Boot wohl kaum etwas anzufangen wissen. Als Schrott, den sie für ihre Zwecke verwenden können, scheint es ihnen von größerem Nutzen zu sein. Das alles ist jetzt aber ziemlich unwichtig. Ich frage mich dafür, welches Schicksal sie uns wohl zugedacht haben mögen. Sie kümmern sich überhaupt nicht mehr um uns.«
»Irrtum!«, berichtigte der Freund und wies mit dem Kopf auf sechs Sendhoren, die sich ihnen von der Seite her näherten. »Verdammt – sie bringen Schneidwerkzeuge mit, Lars! Ob sie etwa vorhaben, uns ebenfalls in Einzelteile zu zerlegen?«
»Das würde den Teilen nicht sehr gut bekommen«, meinte Gunnarsson und verlor einen guten Teil seiner Ruhe. »Wir sollten aber nicht gleich das Schlimmste befürchten. Ich glaube eher, dass sie nur unsere Fesseln zerschneiden wollen, damit sie uns besser von hier wegbringen können.«
Er irrte sich gründlich.
Je zwei der »Pilzköpfe« stellten sich neben ihm und Luca auf. Dann schnellten ihre Tentakelarme vor und umklammerten die Beine der Raumfahrer so fest, dass sie sich nicht von der Stelle rühren konnten. Die beiden restlichen bauten sich vor ihnen auf und betasteten ihre Kombinationen eingehend. Schrille Pfiffe wurden gewechselt, dann zuckten zwei scharfe Klingen hoch und schlitzten die Kleidungsstücke von den Beinen bis zur Brust hoch auf!
Die beiden Männer versuchten, sich zu wehren, aber die Tentakelarme hielten sie unerbittlich fest. Luca schrie und fluchte, doch die Sendhoren achteten überhaupt nicht darauf.
Sie waren daran gewöhnt, alles irgendwie nutzbringend zu verwerten, was ihnen als Beute zufiel – auch lebende Wesen!
7
Der Feldsauger sah das Ziel seiner Wünsche nun schon ganz dicht vor sich. Er hatte seine Geschwindigkeit bis auf wenige Sekundenmeter reduziert und trieb langsam auf die Wachboje zu. Sein künstliches Bewusstsein triumphierte, denn er hatte es doch geschafft, ehe ihm die Kraft ausgegangen war.
Jetzt konnte ihm nichts mehr geschehen, sein Fortbestand würde für lange Zeit gesichert sein. Nur noch ganz kurze Zeit, und dann würde sich sein Saugstachel in die Wand der Boje bohren und ihr soviel Energie abzapfen, wie er nur vertragen konnte. Der Energietransformator würde sie gierig aufsaugen, sich wieder zur vollen Größe ausdehnen und einen riesigen Vorrat speichern.
Noch war es aber nicht soweit.
Nicht jede beliebige Stelle der Wachboje war für sein Vorhaben geeignet. Es gab bestimmte Zapfstellen, an denen die Struktur der energetischen Hülle um ein Geringes von der Norm abwich. Früher einmal waren sie besonders gekennzeichnet gewesen, aber das war jetzt längst nicht mehr der Fall.
Weshalb, das hatte der Feldsauger ebenso vergessen wie so vieles andere. Er wusste nur noch, dass er eine solche Zapfstelle ausfindig machen musste, wenn er Erfolg haben wollte. Er änderte seine Bewegungsrichtung und trieb dann parallel zur Wandung der Boje dahin. Die künstlichen Sinne seines Handlungskopfs waren voll aktiviert und tasteten sie eingehend ab.
Schon die geringen Ausstrahlungen der erstarrten Energie ließen seine Gier fast übermächtig werden. Sein Saugstachel begann unruhig zu zucken, obwohl er noch keinen Arbeitsimpuls erhalten hatte. Es war wirklich allerhöchste Zeit für ihn.
Dann – endlich! – hatte er eine der Zapfstellen ausfindig gemacht. Eine letzte Korrektur der Richtung, die Vorderseite des Handlungskopfs wies genau auf sie. Die letzten Meter wurden überbrückt, dann fuhr der Stachel aus und bohrte sich in die Wandung der Boje. Augenblicklich setzte nun der Energiefluss ein.
Wie ein Rausch kam es über das künstliche Bewusstsein des Kosmischen Instrukteurs. Eine unendlich lang erscheinende Zeit hatte er das köstliche Gefühl der in ihn strömenden Energie entbehren müssen. Nun jedoch überwältigte es ihn förmlich und ließ ihn alles andere vergessen.
*
Min Jian-Ksu stapfte durch den Ringkorridor im Kabinentrakt der PROKYON X. Seine Miene war mürrisch, auf der Stirn unter dem kahlen Schädel stand eine steile Falte.
Taff Caine und seine Männer hatten ihn wieder einmal hintergangen, das stand für ihn fest. Sein ausdrücklicher Befehl, die Position des Schiffes nicht zu verändern, war zwar befolgt worden, doch dafür musste etwas anderes im Gange sein. Wo befanden sich Luca Ladora und Lars Gunnarsson?
Er war sicher, dass er sie nicht in ihren Kabinen vorfinden würde. Wo aber sonst, bei den Geistern seiner Ahnen, mochten sie sein?
»Ärger – nichts als Ärger!«, murmelte er vor sich hin. »Ich werde den Tag preisen, an dem er aufhört, und den Ahnen auf den Knien danken. Gleichzeitig wird meine Seele aber auch zutiefst beunruhigt sein – eine PROKYON-Crew, die sich allem fügt und keinerlei Eigeninitiative mehr entwickelt, wäre ein herber Verlust für die allseits bedrohte Erde!«
Seine Besorgnis wegen der augenblicklichen Lage überwog jedoch. Das Schiff befand sich mitten in dieser seltsamen Falle oder Blase, in jedem Augenblick konnte der noch verborgene Gegner aktiv werden. Selbst dann, wenn es nur Ashkar sein sollte, war das schon bedenklich genug. Schließlich hatte dieses Überwesen aus der Vergangenheit deutlich genug gezeigt, wozu es fähig war.
Min erreichte die Kabine der beiden Raumfahrer und betätigte den Öffnungskontakt. Die Tür fuhr geräuschlos zur Seite, die Beleuchtung flammte automatisch auf. Der Asiate blieb im Eingang stehen, seine Blicke durchforschten den Raum.
Nichts!
Er hatte Recht behalten, die beiden Männer waren nicht anwesend. Die Tür zum Hygieneraum stand offen, auch darin waren sie nicht. Min Jian-Ksu stieß eine Verwünschung aus, sein Groll gegen Taff wuchs ins Unermessliche. Nun hegte er bereits einen konkreten Verdacht, nur die letzte Bestätigung fehlte noch.
Er fand sie, als er im Beiboothangar der PROKYON angekommen war. Eine der beiden Spears fehlte, mehr brauchte er nicht zu wissen.
»Sie können es einfach nicht lassen! Die Frage ist nur, ob diese beiden eigenmächtig gehandelt haben mögen. Nein, das ganz bestimmt nicht – oder sie sind zumindest von den anderen gedeckt worden. Der Astrogator musste das Boot auf seinen Schirmen haben, sobald es das Schiff verließ, und er hat geschwiegen! Das besagt genug.«
Der Minister begab sich zurück in die Steuerzentrale. Als er sie betrat, genügte ein Blick in sein Gesicht, um die anderen wissen zu lassen, was ihnen nun bevorstand.
»Armer Taff!«, flüsterte Mitani ihrem Gefährten ins Ohr. »Gleich bricht der Sturm los, und der Vogel hat kein Nest, in dem er Zuflucht finden kann ...«
Langsam kam Min auf den Commander zu, der sich erhoben hatte und ihm ruhig entgegensah. Drei Schritte